DTP-Report: Höber Verlag - Notizen aus der Provinz

Waren es vor 3-4 Jahren noch wenige Firmen, die den Schritt ins digitale Publizieren wagten, so finden sich DTP-Anlagen inzwischen fast überall dort, wo Gestaltungen, Texte und auch Bildmaterial für den Druck angelegt werden müssen. Wir waren einmal zu Besuch im Höber Verlag in Delbrück, einem kleinen Ort in der Nähe von Paderborn, in dem sich schon seit 1988 alles nur um den ATARI dreht.

Der Höber Verlag: ATARI-DTP von Anfang an

Von der Anzeigenannahme bis zum fertigen Farbdruck: Der Höber Verlag produziert alles im eigenen Haus. Und immer ist ein ATARI mit von der Partie.

Im Kundenbereich werden wir von einer Sekretärin begrüßt. Da Adalbert Höber gerade in der Druckerei zu tun hat, haben wir etwas Zeit, uns umzusehen. In den Regalen liegen einige der Publikationen, die im Höber Verlag produziert werden. Der Schwerpunkt des Verlags liegt dabei deutlich auf der Herausgabe von lokalen Anzeigern.

Diese Hefte gehören in vielen Orten des Landes inzwischen zum alltäglichen Erscheinungsbild. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht und kostenlos verteilt, bieten sie eine gute Plattform für regionale Firmenwerbung und Kleininserate.

Insgesamt sind es 8 unterschiedliche Zeitschriften in einer Gesamtauflage von ca. 60.000 Stück, die Höber und seine Crew monatlich für den ostwestfälischen Raum publizieren. Von der Anzeigenannahme, über deren Gestaltung, Layout und Satz bis hin zur Belichtung und anschließendem Druck der 32seitigen Anzeiger wird alles im Höber Verlag erledigt.

Kein Raum, in dem nicht mindestens ein ATARI-Rechner seinen Dienst tut. Einen PC oder Mac sucht man hier vergeblich. Zwei ATARI-Rechner werden von externen Mitarbeitern für die Texterfassung, 3 Mega ST für die Fakturierung, Buchhaltung und Anzeigenerfassung, 2 TT für Gestaltung, Endmontage und Belichteransteuerung. Daß die neuesten Software-Entwicklungen nicht immer auch gleich die besten für den eigenen Bedarf sein müssen, zeigt sich in der Anzeigenannahme. Hier leistet zu meiner Überraschung das gute, alte ‚Adimens‘ - Ende der ‚80er der Renner unter den ATARI-Datenbanken - in einer genau für den eigenen Bedarf zurechtgeschneiderten Version immer noch gute und zuverlässige Dienste. „Adimens wird schon länger nicht mehr weiterentwickelt, na und? Alles läuft doch bestens mit der vorhandenen Version. Wir haben es genau auf unsere Bedürfnisse eingerichtet und damit genau das erreicht, was wir brauchen!“

Der „Stern“ oder wie alles begann

Seit bereits 6 Jahren wird im Höber Verlag mit ATARI/Calamus publiziert. Wie ist Höber ins Verlagswesen gekommen? „Eigentlich als Aussteiger aus einem Studium. Ich wollte promovieren, und um neben dem Studium etwas Geld zu verdienen, habe ich für eine Zeitschrift Redaktionsarbeiten übernommen.“

Es dauerte dann nicht lange, bis eine ortsansässige Zeitung, immer auf der Suche nach Redakteuren, auf ihn aufmerksam wurde, und schon bald betreute er die Redaktion eines lokalen Anzeigers.

Angefangen hat das digitale Zeitalter dann im neu gegründeten Höber Verlag, wie in vielen anderen Druckereien, mit einer „Berthold“. Diese steht inzwischen, auch das wie in vielen anderen Druckereien, im Keller und verstaubt.

Der eigentliche Einstieg ins DTP begann aber 1988. In dem Wochenmagazin ‚Stern‘ wurde seinerzeit in einem Artikel über das damals noch neue Medium ‚DTP‘ berichtet. „Das isses“, dachte sich Höber, als er dort die digitalen Möglichkeiten des Desktop Publishings beschrieben fand. Von einem befreundeten Redakteur der Hannoverschen „Neuen Presse“ bekam er dann den heißen Tip: „Guck dir mal ATARI und Calamus an“.

Nach einer ersten überzeugenden Vorführung von Calamus und ATARI wurde auch noch, „man muß ja vergleichen können“, die damalige ATARI-Konkurrenz ins Haus geholt. Höber: „Ein Apple-Händler kam zu uns, baute seine Geräte auf und konnte dann schnell alles wieder einpacken. Alles, was wir brauchten, konnten wir auch mit ATARI und dem Calamus erledigen, und dazu noch viel billiger. Der Apple war da einfach viel zu teuer.“

Vom ersten Calamus ...

1988 kam der erste ATARI ins Haus, und mit ihm eine der frühen Calamus-Versionen. Die Calamus-Dokumente wurden damals noch per Laserdrucker ausgedruckt und über eine Reprokamera auf den Film gebracht. Gerade in dieser Anfangsphase hatten die Mitarbeiter dann auch schnell einen außerordentlich sympathischen Zug am Rechner und seiner Software entdeckt: „Für jeden Fehler, der uns passierte, übernahm er ohne zu Murren die Verantwortung. So fanden wir endlich immer schnell einen Schuldigen, wenn wir mal einen brauchten“. Und den brauchte man damals oft...

Der Beginn des ATARI/Calamus-DTP gegen Ende der 80er Jahre war spannend, einige inzwischen gestandene Calamus-Profis können noch heute davon bombig fröhliche Lieder singen. „Am Anfang hangelte man sich im Calamus 1.09 nur durch Abstürze zum Endergebnis. Es stürzte wirklich dauernd ab, und keiner wußte warum; liegt es am Programm, oder sind die Mitarbeiter nicht fit genug? Mittlerweile laufen die gesamten Publikationen des Verlags über den Calamus SL gut und sicher. Aber damals war alles sehr aufregend. Man wußte nicht, ob es gut geht oder nicht gut geht. Aber es ist doch so: nur wenn man gar nichts tut, geht es garantiert nicht gut!“

... bis Calamus NT?

Im professionellen Bereich arbeitet man gewöhnlich nicht mit einer bestimmten Hardware; ob da nun Mac, NeXT oder irgendeine PC-Firma auf dem Rechner mit ihrem Logo wirbt: die Software ist das eigentliche Werkzeug, und damit natürlich auch die Frage, wie ihre zukünftige Entwicklung aussieht.

Im Moment ist ja die Portierung des Calamus SL auf die Rechner-Plattform Windows NT aktuell. Inwieweit kommt für den Höber Verlag die Alternative zum ATARI-Calamus SL, die Plattform „Calamus auf Windows NT“, in Betracht, zieht es ihn nun mit dem Calamus zu anderen Plattformen? „Warum denn! Alles läuft doch in unserem Bereich hervorragend.“ Herr Höber führt uns sichtlich zufrieden durch seine gut ausgestatteten Büro- und Arbeitsräume. „Wir sind inzwischen mit allem so ausgerüstet, daß wir vernünftig und effektiv arbeiten können. Da fehlt uns nichts mehr. Wir werden uns eher noch einen weiteren TT holen als einen ganz anderen Rechner“. Die Entscheidung „ATARI oder PC“ scheint, am Höber Verlag gemessen, wohl wirklich eher ein Problem der Soft- und Hardware-Häuser zu sein...

In fast allen Verwaltungen sind inzwischen PCs zu finden. Da im Höber Verlag alles ‚inhouse‘ erledigt wird, von der Gestaltung bis zur fertigen 4C-Belichtung und anschließendem Druck, gibt es natürlich auch keine Probleme mit Inkompatibilitäten zwischen unterschiedlichen Rechnersystemen. Mit diesem Problem haben aber bekanntlich kleinere Agenturen und auch Druckereien zu kämpfen, die als Zulieferer für große Werbeagenturen arbeiten oder Daten von allen möglichen Rechnersystemen weiterverarbeiten müssen.

In der Anzeigenannahme werden die hereinkommenden Vorlagen und Daten koordiniert.

Vielleicht gibt es dieses Problem bald nicht mehr, da von einer DTP-Software-Firma gerade ein neues Modul für den Calamus ins Auge gefaßt wird, mit dem sich EPS-Dateien von allen anderen Rechnerplattformen gleich als Dokument in den Calamus laden lassen ...

Erfahrungswerte

Karl Heinz Koch ist der verantwortliche Grafiker im Höber Verlag. Er ist somit auch zuständig für die korrekte Umsetzung aller Bildvorlagen, die in den verschiedenen Publikationen des Verlags veröffentlicht werden.

Gerade zum Calamus SL sind ja inzwischen viele Hilfen erhältlich, die auch den Bereich der Bildverarbeitung unterstützen. Von zuladbaren, für verschiedene Bildarten bereits vorgefertigte Kennlinien hält der Grafiker aber gar nichts. „Das geht doch gar nicht! Jedes Bild hat einen anderen Tonwertaufbau, und dazu kommen noch die unterschiedlichen Papiersorten, auf die die Sachen gedruckt werden müssen. Für den Druck auf Umweltschutzpapier muß ich zum Beispiel die Kurve viel heller stellen als für den Druck auf gestrichene Papiere.“

Der Tonwertzuwachs bei Bildern wird von Karl Heinz Koch, je nach Bildvorlage, immer individuell direkt im Calamus SL über die Kennlinien eingestellt, „nach Erfahrungswerten, die bei uns schon nach 2-3 Tagen da waren.“ Etwas umständlich ist die Arbeit mit den Calamus-Kennlinien aber dennoch, vor allem, wenn per Maus saubere Kurven für die Bildkennlinien gezeichnet werden müssen. „Da gibt es aber einen kleinen Trick. Da eine neu gezeichnete, buckelige Kennlinie nach Abspeichern des Dokuments als neutrale Linie dargestellt wird, lassen sich über diesen Umweg viel sauberer Korrekturen vornehmen. Umständlich ist das nicht sonderlich, da diese Funktion, wie alle anderen oft benötigten, einfach auf eine Taste gelegt werden kann“.

Effektiv arbeiten

Ohne den Tasten-Recorder des Calamus wäre die Arbeit für Koch nur halb so effektiv. „Wir müssen unheimlich viel produzieren, und da kommt es auf sehr schnelles Arbeiten an. Der Tasten-Recorder ist da eine nicht mehr wegzudenkende Hilfe.“ Schriftgrade, Stile, das Zusammenfassen von Objekten von mehreren Dokumentenseiten auf die Layoutseite; alle ständig benötigten Arbeitsschritte hat Koch über den Tasten-Recorder rationalisiert, wie er uns beeindruckend vorführt. Auch häufig benötigte Kennlinien für verschiedene Bildtypen und Negativvorlagen lassen sich so per Tastenklick ins Bild einrechnen.

2 TT stehen als Arbeitsplätze für alle gestalterischen Arbeiten zur Verfügung. Gut ausgerüstet mit 32MB Speicher und großem Farbmonitor, können auch in der nächsten Zukunft alle anfallenden Farbsätze über den TT laufen. Da die meisten Bildvorlagen im Höber Verlag als Kleinbilddias ankommen, ist die zentrale Eingabestation für Bildvorlagen derzeit ein Dia-Scanner, der auch im s/w-Bereich neben dem zusätzlich vorhandenen Flachbettscanner sehr gute Qualität liefert. Neben einem der TTs steht eine Linotronic 300. Da in den letzten Jahren wirklich genügend Erfahrungen mit dem Calamus und Belichtungen gesammelt wurden, wird der Höber Verlag in Kürze auch als Dienstleister für Calamus-Belichtungen in Erscheinung treten.

Zur Bildverarbeitung dient Cranach Studio, obwohl inzwischen auch EBV-Arbeiten fast ausschließlich im Calamus SL erledigt werden. Koch sieht gerade im Farbbereich einen stark wachsenden Markt, der auch im Höber Verlag noch mehr Raum einnehmen wird. „Inzwischen werden 4-Farb-Sachen ja für Anzeigenkunden immer bezahlbarer, da man sich den teuren Weg über die konventionelle Litho sparen kann. Das müssen wir den Leuten jetzt nur rüberbringen.“

Nach einer Führung durch die Hausdruckerei geht Herr Höber mit uns zurück zum Verlag. „Publishing“ ist nicht alles im Leben, auch wenn es, will man mit der schnellebigen digitalen Entwicklung Schritt halten, auch für Höber manchmal so aussehen mag. „Früher bin ich lange zur See gefahren, als Funker. Da stand ich oft an der Reeling, und hab stundenlang einfach nur dem Wasser zugeschaut, das von der Schiffsschraube aufgewirbelt wurde; da komm ich wohl nie wieder hin.“

Der leitende Grafiker K. H. Koch bei der Arbeit. Alle Vorlagen laufen an seinem Arbeitsplatz zusammen.

Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 09 / 1994, Seite 62

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