DFÜ und der Rest der Welt - Grundlagen der Datenfernübertragung

Das Klischee will es so: Computer-Anwender sitzen einsam mit ihrem Rechner am Schreibtisch, sehen nicht über den Bildschirmrand hinaus und kapseln sich von der Umwelt ab. Aber jeder, der selbst ab und zu mit einem Rechner zu tun hat, weiß, daß die Wirklichkeit in der Regel ganz anders aussieht: Computer-Anwender wollen nicht auf einer einsamen Insel sitzen, sondern aktiv kommunizieren, Informationen, Tips und Meinungen austauschen, oft nur ein harmloses Schwätzchen halten. Immer häufiger setzen sie dabei ihren Computer ein.

Bis vor ein paar Jahren gelang es nur einigen wenigen Computer-Freaks, mit ihren Rechnern die Reise ins Datenuniversum anzutreten. Gebannt verfolgte die Öffentlichkeit die Berichte der tollkühnen „Hacker" und ihre Weltreisen in den Datennetzen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Datenfernübertragung ist nicht mehr das exklusive Vergnügen von wenigen Computer-Gurus, sondern praktische Kommunikationsmöglichkeit für eine breite Schicht der Computer-Anwender. Die Netze der Mailboxen in Deutschland werden immer dichter, Woche für Woche tauchen neue Mailboxen auf.

In der DFÜ-Ecke der ST-Computer werden wir in den kommenden Ausgaben die attraktivsten Mailboxen und Datennetze vorstellen und dabei auch über die Grenzen Deutschlands hinausschauen. Weiterhin halten wir Sie über neue Hard- und Software-Angebote auf dem Laufenden, das heißt wir stellen Modems, Akustikkoppler und DFÜ-Programme vor. In diesem Zusammenhang werden wir dann auch erläutern, welche Hardware an das Netz der Post angeschlossen werden darf, ohne die geltenden Bestimmungen zu verletzen. Weiterhin wollen wir zeigen, welche Angebote über Bildschirmtext (Btx) und das Datex-P-Netz der Bundespost/Telekom zu erreichen sind. In einer besonderen Leserbriefecke wollen wir bei Bedarf spezielle Fragen zum Thema DFÜ beantworten.

Am Anfang sollen jedoch zunächst die theoretischen und technischen Grundlagen der Datenfernübertragung beleuchtet werden. Im nächsten Teil dieser Serie zeigen wir dann anhand eines konkreten Beispiels, wie man mit dem Atari auf die Datenreise gehen kann.

Die Wege, auf denen sich die Daten von einem Rechner zum anderen schlängeln, scheinen ja recht undurchdringlich. Der Anwender merkt meist nicht viel von der Technik, die benötigt wird, um ein Bit durch die Welt zu schicken.

Seriell oder parallel

Im einfachsten Falle wird zur Datenübertragung ein einfaches Kabel genommen, um zwei Rechner zu verbinden. Jeder wird schon einmal auf die Rückseite seines Rechners geschaut haben. Dort findet er eine parallele und eine serielle Schnittstelle des Computers. Intern arbeitet der Atari wie alle anderen Computer mit parallelen Datenleitungen. Doch will man längere Entfernungen überwinden, ist die parallele Datenübertragung nicht geeignet. Parallele Datenverbindungen außerhalb des Rechners, mit denen etwa ein Drucker, eine Festplatte oder ein zweites Diskettenlaufwerk an den Computer angeschlossen werden, sollten nicht länger als zwei Meter sein, da sonst zu hohe Leitungsverluste und Störanfälligkeiten eintreten würden.

Über längere Strecken werden Daten also in der Regel seriell übertragen, das heißt, die zuvor parallel transportierten Bits werden einzeln weitergereicht und dann wieder vom Empfänger umgewandelt. Um diese Daten dann auf die Reise durch die Telefonleitung zu schicken, werden sie entweder mit einem Akustikkoppler oder einem Modem in Töne un terschiedlicher Höhe umgewandelt. Doch davon mehr im zweiten Teil unserer Serie. Zurück zur seriellen Datenübertragung: Sind die Rechner direkt mit einem Kabel (Nullmodem) miteinander verbunden, kann die serielle Übertragung in den verschiedensten Varianten erfolgen, allerdings müssen beim Sender und Empfänger die gleichen Parameter eingestellt sein.

Damit der Empfänger nicht andauernd auf die serielle Schnittstelle achten muß, werden die Daten asynchron gesendet. Also: Jedes Zeichen wird einzeln angekündigt, und nur für den Zeitraum der Übertragung eines Zeichens müssen beide Partner darauf achten, daß sie nicht aus dem Takt kommen. Damit Sender und Empfänger überhaupt wissen, daß eine Übertragung stattfindet, und daß die Leitung nicht gestört ist, werden physikalisch klare Grenzen gesetzt, ab wann eine binäre Eins eine Eins ist, und wann eine binäre Null eine Null ist. Bei der V.24-Schnittstelle wird eine Eins als eine Spannung zwischen -3 und -12 Volt, die Null als eine Spannung zwischen 3 und 12 Volt definiert.

Die Merkmale der V.24-Schnittstelle, die zur Verbindung von Modem/Akustikkoppler und Computer benutzt wird, ist in der entsprechenden Norm der CCITT (Consultative Committee on International Telegraphy and Telephony), der Unterorganisation der Vereinten Nationen für Fernmeldefragen, in der Fernmeldeunternehmen aus aller Welt vertreten sind, festgelegt. Diese V.24-Norm entspricht der US-amerikanischen RS232-Norm (und der DIN 66020). Daher wird die V.24.-Schnittstelle auch oft als RS232-Interface bezeichnet. Die R232-Schnittstelle am Atari ST hat eine 25polige männliche Buchse. Akustikkoppler und Modems haben in der Regel eine weibliche 25polige Buchse.

Die asynchrone Übertragung

Die Übertragung wird durch ein Start-Bit angekündigt, dessen Dauer ein wenig länger ist als die eines normalen Bits. So wird sichergestellt, daß der Empfänger auch sicher „zuhört", denn danach kommen schon die eigentlichen Datenzeichen, auf die es ja ankommt. Die Datenzeichen werden in einer Gruppe von 7 oder 8 Bit nonstop gesendet. Um eine sichere Datenübertragung zu gewährleisten, kann man hier eine Prüfsumme einfügen. In diesem Fall zählt der Rechner einfach die Anzahl der binären Einsen oder Nullen und schreibt bei einer geraden Anzahl eine 0 und bei einer ungeraden Anzahl eine 1 direkt hinter das Zeichen (Parity-Bit oder Paritäts-Bit). Zum Abschluß werden eventuell noch ein oder mehrere Stop-Bits gesendet, um dem Empfänger Zeit zu geben, das empfangene Zeichen abspeichern zu können.

Die Schrittgeschwindigkeit, d.h. die Dauer oder Länge eines Bits muß natürlich vorher definiert worden sein. Seit den alten Telefgrafiezeiten wird bei der Datenfernübertragung die Übertragungsgeschwindigkeit nach dem französischen Ingenieur Baudot benannt. Als Baud-Rate ist die Anzahl der Signalwechsel auf der Telefonleitung definiert.

Zu beachten ist dabei aber, daß die Baud Rate nicht identisch mit der Geschwindigkeitsangabe Bit pro Sekunde (bps) ist. Die Einheit bps gibt die Anzahl der Daten-Bits, die übertragen werden können, an. Die Baud-Rate hingegen gibt Auskunft über den physikalischen Schrittakt auf der Leitung. Bei 19200 Baud wird das Signal auf der Telefonleitung 19200mal gewechselt. Bei einer Standardeinstellung von 8 Daten-Bits, keiner Paritätsprüfung und einem Start- und Stop-Bit (= 8N1) werden pro Zeichen schon 10 Bit verbraucht, man kann also maximal 1920 Zeichen/Sekunde übertragen. Bei der Ausnutzung von zwei Leitungen, auf denen gleichzeitig übertragen werden kann, einmal zum Empfangen -einmal zum Sen den, kann man natürlich bei gleicher Baud-Rate doppelt so viele Zeichen übertragen.

Wenn nur eine Leitung vorhanden ist. kann es nur einen Empfänger und auch nur einen Sender geben, kann man nicht gleichzeitig senden und empfangen. Diese Betriebsart wird Halb-Duplex genannt. Stehen zwei Leitungen zur Verfügung, kann jede Seite gleichzeitig empfangen und senden, man spricht von Voll-Duplex.

Flußkontrolle

Doch was geschieht, wenn einer der beiden verbundenen Rechner mal nicht „mitkommt“? Wie signalisiert der Computer der Gegenstelle, daß er mit einer anderen Aufgabe beschäftigt ist oder erst später die Daten abnehmen kann? Es gibt da zwei Wege:

Zum einen bietet der genormte ASCII-Zeichensatz (American Standard Code for Information Interchange) für die Übertragung von Daten eine Möglichkeit. Im untersten ASCII-Bereich gibt es verschiedene Steuerzeichen. Zur Datenflußkontrolle können wir die Steuerzeichen XON und XOFF verwenden. Wenn man bei einer Textübertragung einfach stoppen will, sendet man XOFF. Der Sender hört dabei auf zu senden und wartet auf ein XON, dann geht es weiter.

Eine andere Methode ist es, die Flußkontrolle mittels Signalleitungen zu bewerkstelligen. In der Norm für die serielle Datenübertragung (V.24) sind neben den Leitungen zum Senden und Empfangen auch noch zusätzliche Leitungen vorhanden, auf denen Signale zur Flußkontrolle liegen:

Mit den Signalen DTR (Data Terminal Ready) und DSR (Data Set Ready) teilen sich Empfänger und Sender gegenseitig ihre Betriebsbereitschaft mit. Solange hier keine Signale anliegen - und solange die Leitungen überprüft werden -, wissen Sender oder Empfänger nicht, ob es überhaupt auf der anderen Seite jeweils jemanden gibt, der Daten senden bzw. empfangen kann. Erst wenn die DTR bzw. DSR-Signale anliegen. geht der Datentausch los.

RTS (Request To Send) und CTS (Clear to Send): Mit diesen beiden Signalen wird klargemacht, ob der Rechner Daten sen den kann bzw. ob er wieder bereit ist, etwas zu senden. Liegt kein Signal bei CTS an, kann nichts gesendet werden. Liegt eine Spannung bei RTS an, will der Rechner senden, der Sender wartet, bis der Empfänger durch das Signal CTS Bereit schaft zeigt.

Die synchrone Übertragung

Die beiden Steuerzeichen bei der asynchronen Übertragung nehmen natürlich Zeit für die Übermittlung der eigentlichen Daten-Bits weg, etwa 20 Prozent. Daher liegt der Gedanke nahe, auf die zwei Steuerzeichen (Start-und Stop-Bit) zu verzichten, die jeweils zur Flußkontrolle gesendet werden. Doch wie erreicht man dann eine Koppelung zwischen den beiden Partnern? Irgendwie müssen Sender und Empfänger aufeinander abgestimmt werden.

Die Lösung: Sender und Empfänger müssen synchronisiert werden. Bei dieser synchronen Übertragung muß jedoch ein größerer Aufwand im Vergleich zur asynchronen Übertragungsart getrieben werden. Hier werden über separate Leitungen die Takte des Senders und des Empfängers übertragen. Logischerweise verwendet man zwei komplett getrennte Leitungen zum Senden und Empfangen. Damit beide Rechner auch immer auf dem Laufenden bleiben, wird dauernd übertragen. In den Zeiten, in denen nicht übertragen wird, sendet man einfach ein vereinbartes Füllzeichen.

Probleme tauchen dann auf, wenn in der übertragenen Datei eben dieses Füllzeichen (in unserem Fall die Zeichenfolge 01111110) verwendet wird. Wenn dieses Zeichen nicht als Füllzeichen, sondern als richtiges Datenzeichen gesendet werden soll, wird einfach nach der sechsten binären Eins eine zusätzliche siebte Eins angehängt. Der Sender hält also immer nach sechs zusammenhängenden Einsen Ausschau und fügt eine siebte ein, wenn keine binäre Null danach folgt. Normale Füllzeichen werden natürlich nicht in dieser Weise behandelt, sonst würden sie ja zu Datenzeichen gemacht. Wenn nun beim Empfänger sieben Einsen in Folge empfangenen werden, wird wieder eine gestrichen. Somit gelangt man zur sogenannten transparenten Übertragung. Man bekommt also genau das, was auch gesendet wurde.

Bei der synchronen Datenübertragung steigt der Datendurchsatz bei gleicher Baud-Rate um genau den Betrag, der bei dem Start- und Stop-Bit eingespart wurde. Bei 19200 Baud kommt man statt auf maximal 1920 Zeichen/s auf maximal 2400 Zeichen/s.

Multiplexing auf Leitungen

Über eine Leitung kann man aber nur eine Verbindung aufrecht halten - es sei denn, man bedient sich des Multiplexings - einer recht ausgeklügelten Form der Ausnutzung einer einzigen Leitung für mehrere Verbindungen.

Beim Multiplexing gibt es zwei verschiedene Verfahren:

Zum einen wurde das sogenannte Zeitmultiplex entwickelt. Hier wird die Leitung zur Übertragung einfach jedem Beteiligten nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt. Das ankommende Zeichen wird kurzzeitig zwischengespeichert und nur während der Zeit übertragen, die für diese Verbindung zur Übertragung auf der Leitung bereitsteht. Über die Leitung werden die Daten aber mit einer weit höheren Baud-Rate geschickt.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Sollen über eine Leitung drei Verbindungen (Kanäle) aufrecht gehalten werden (drei Kanäle mit einmal 9600 Baud und zweimal 4800 Baud), beträgt die Taktrate der eigentlichen Übertragungsstrecke 19200 Baud. Die Baud-Rate entspricht also mindestens der Summe der einzelnen Kanäle. Dem ersten Kanal steht die Leitung zwei Zeiteinheiten, den anderen Kanälen jeweils eine Zeiteinheit zur Verfügung. Danach wird ein Synchronisationszeichen übertragen, damit die Gegenseite mitbekommt, wann der erste Zeitabschnitt wieder anfängt. Die Daten werden transparent übertragen, also nicht interpretiert, sondern nur den Zeitabschnitten zugeordnet. Zwischen den Multiplexern besteht keine zusätzliche Sicherung -Sender und Empfänger müssen selbst für eine Sicherung der Daten sorgen.

Zum anderen gibt es das statistische Multiplexing:

Bei dieser Übertragungsmethode wird den einzelnen Kanälen eine gewisse Kapazität zugeordnet. Die Summe der einzelnen Baud-Raten kann dabei die effektive Baud-Rate, mit der übertragen wird, übersteigen. Bei dieser Übertragungsart werden die einzelnen Zeichen auch kurzzeitig zwischengespeichert. Der Sender schickt die Daten der Kanäle mit einer Kennung, die eindeutig dem jeweiligen Kanal zugeordnet ist, auf den Übertragungsweg zum anderen Multiplexer. Dort werden die einkommenden Pakete wieder den Kanälen zugeordnet und mit der definierten Baud-Rate zum Empfänger geschickt, die eine andere sein kann als die, mit der die Daten gesendet wurden.

Zwischen den Multiplexern besteht eine synchrone Verbindung, fehlerhafte Datenblöcke werden neu gesandt. Übertragungsfehler mit Hilfe von Sicherungsmechanismen erkannt. Wichtig ist hier eine Paßkontrolle der einzelnen Teilnehmer. Die Daten werden zwar zwischengespeichert, bei voller Ausnutzung der einzelnen Bandbreiten kann aber nicht alles abgearbeitet werden. Werden z.B. vier Terminals mit 9600 Baud an eine Leitung mit 19200 Baud angeschlossen, verbrauchen zwei Terminals bei voller Auslastung schon die ganze Kapazität, die anderen zwei senden und empfangen aber auch mit 9600 Baud. Da alle gleich behandelt werden, sinkt der tatsächliche Durchsatz bei voller Ausnutzung aller vier Kanäle auf 4800 „Baud“ pro Kanal. Durch diese Einschränkung dürfen aber keine Übertragungsfehler auftreten, deswegen darf nur dann gesendet werden, wenn auch wirklich Kapazität frei ist.

Durch die synchrone Übertragung zwischen den Multiplexern kann bei asynchroner Ansteuerung der Multiplexer die Start- und Stop-und Paritäts-Bits streichen und überträgt dann nur die eigentlichen Informationszeichen. Am anderen Ende werden dann die Zeichen wieder asynchron weitergegeben, die Übertragung erfolgt auch nicht transparent, der Multiplexer muß die ankommenden Daten interpretieren, umsetzen und am anderen Ende wieder in ein bestimmtes Format bringen.

So, damit wollen wir unseren theoretischen Teil zunächst abschließen. In der nächsten Ausgabe unserer DFÜ-Ecke rücken die Modems in den Mittelpunkt. Wir erklären, wie Modems an das Telefonnetz angeschlossen werden, welche Modulationsarten es gibt und wie die Modems genau gesteuert werden können.

Bernhard Krönung/Christoph Dernbach



Aus: ST-Computer 06 / 1991, Seite 166

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