PROSIGN nennt sich ein Simulationssystem für den ATARI ST. Die Anleitung beschreibt es als ein Werkzeug zur Simulation dynamischer Prozesse, das interaktiv arbeitet und CAD-Elemente enthalt.
PROSIGN wird auf zwei Disketten mit dem Programm und einem GDOS zusammen mit dem Handbuch in einem sehr stabilen Schuber geliefert. Weiterhin liegt dem Paket ein Hardware-Kopierschutz, das Dongle bei. PROSIGN kostet in der Revision 2 - im Test war die Version 2.10 - DM 2850,-, womit als Zielgruppe professionelle Anwender definiert werden. PROSIGN ist auch in Versionen unter MS-DOS bzw. OS/2 - jeweils unter GEM - sowie für PCS-CADMUS-Workstations erhältlich.
Der erste Schritt zur Installation von PROSIGN ist das Festschrauben des Dongles (siehe Kasten). Es stellt den Kopierschutz des Programms dar, ohne den PROSIGN die Arbeit verweigert.
Für ein System ohne Harddisk können direkt Backups der gelieferten Disketten verwendet werden. Auf einer Harddisk müssen zunächst die Programmdateien auf die Festplatte kopiert werden. Da das System mit GDOS arbeitet, ist der AUTO-Ordner ebenfalls zu kopieren. PROSIGN kann in beliebigen Ordnern verwendet werden.
Sämtliche Dateien, die von GDOS benutzt werden, also Zeichensätze, Druckertreiber und META.SYS, stehen bei einer solchen Installation auf dem Root-Directory der Boot-Partition. Leider verschweigt das Handbuch die Tatsache, daß GDOS in der Lage ist, seine Dateien auch in Ordnern zu suchen. Dazu muß in ASSIGN.SYS lediglich eine Zeile “PATH-<Ordnername>” eingefügt werden. Dennoch ist die Installation einfach zu vollziehen, letztendlich auch eine Folge des Dongle-Einsatzes.
Ein Simulationsmodell wird bei PROSIGN als ein Schaltungsgraph bestehend aus Funktionsbausteinen und Signalleitungen dargestellt. Es gibt drei Signalarten: binär, analog und Steuersignale, die durch Umwandlungsfunktionen umgesetzt werden können. Binäre und analoge Signale können zu einem Bus oder einem Vektor zusammengefaßt werden.
Die Funktionsbausteine sind entweder Primitive oder selbstdefinierte zusammengesetzte Einheiten. Die Primitiven (Liste siehe Kasten) umfassen Signalerzeugung, -Verarbeitung und -ausgabe. Hinzu kommen spezielle Funktionen zur Simulationssteuerung.
Die digitalen Primitiven enthalten neben den logischen Grundfunktionen auch einfache Digitalschaltungen wie Flip-Flops oder Multiplikation. Die Liste der Funktionen für analoge Sinale bildet ein komplettes Paket für Arithmetik und Trigonometrie. Mehrere Möglichkeiten zur Anzeige von Signalen in dem Modell und zur Ablaufsteuerung vervollständigen die Liste. Die Funktionselemente sind getypt und unterliegen teilweise Beschränkungen bezüglich der Art der Eingangs- und Ausgangsleitungen.
Neben den Primitiven lassen sich mehrfach verwendete Teile eines Modells in eigene Unterschaltungen zusammenfassen. Der “neue” Baustein erhält einen Namen und bei Bedarf ein selbstdefinier-tes Aussehen. (Iber die Primitiven “Input“ und “Output” wird Anzahl und Verschaltung der Ein- und Ausgangsleitungen definiert.
Werden Unterschaltungen nicht ausschließliche zur Hierarchisierung des Modells benutzt, können sie in einem Modell zusammengefaßt später für andere Modelle als Bibliothek hinzugeladen werden. Sie stehen dort unter ihrem Namen frei zur Verfügung; PROSIGN überprüft die Verträglichkeit eines Hauptmodells mit der Bibliotheksversion.
Ein Dongle ist ein hardwäremäßiger Kopierschutz. Es besteht aus einem kleinen Kästchen, das an die Centronics-Schnittstelle gesteckt wird. Das geschützte Programm fragt dann nach dem Vorhandensein des Dongles.
Durch Verwendung eines PALs (eines programmierbaren Logikbausteins, dessen Inhalt nicht ausgelesen werden kann) reagiert das Dongle auf eine bestimmte Ansteuerung in vorher festgelegter Weise. Ist diese Reaktion für jedes zu schützende Programm anders definiert, arbeitet ein Dongle nur mit einem bestimmten Programm zusammen und umgekehrt.
Im normalen Betrieb stört das Dongle nicht. Eine gewöhnliche Druckerausgabe wird durchgeschleift. Der Clou dieses Kopierschutzes ist allerdings, daß das Programm oder die Programmdiskette nicht extra geschützt werden müssen. Von ihnen können problemlos Backups gemacht werden: eine spezielle Installation ist nicht mehr notwendig.
PROSIGN verwendet einen Dongle der Firma FAST-Electronic aus München, der unter dem Namen “Hardlock“ angeboten wird. Durch die schaltungstechnisch etwas lässige Behandlung der Centronics-Schnittstelle im ATARI ST kann die Benutzung des Dongles Schwierigkeiten machen.
Für den Druckerport ist bekanntlich der Soundchip von Yamaha zuständig. Da er allerdings ohne Pull-Up-Widerstände direkt an den Centronics-Stecker angeschlossen ist, wird er empfindlich gegenüber statischen Aufladungen. Durch simples Berühren können so Schäden entstehen, die beim Betreiben des Dongles ohne Drucker auftreten können.
Laut Auskunft des Herstellers betrifft dieses Problem alle MEGA-STs und den 1040er; bei älteren Modellen scheint ATARI noch das Geld für die Widerstände gehabt zu haben. Ist zusätzlich ein Drucker angeschlossen, beheben dessen Pull-Up-Widerstände das Problem.
Unerwartete und unberechtigte Meldungen “HARDLOCK missing” werden also nicht vom Dongle, sondern von der schlechten Qualität des ATARIs ausgelöst. Wieso man unbedingt ein paar Widerstände für Pfennigbeträge einsparen mußte, wird wahrscheinlich immer ein Geheimnis von ATARI bleiben.
Der Dongle ist ein hervorragender Kopierschutz, der dem Hersteller Sicherheit bietet (solange die Abfrage des Dongles im Programm nicht gecrackt wird) und den Kunden nicht durch einen bekannt wirkungslosen Kopierschutz der Programmdiskette belästigt.
Die beim Test verwendete Konfiguration MEGA 2 und NEC P2200 arbeitete dann zuverlässig, wenn der Drucker eingeschaltet war. Bei ausgeschaltetem, aber angeschlossenem Drucker meldete das Programm an mehreren Stellen “Hardlock missing”. Dies ist aber - wie beschrieben keinesfalls PROSIGN anzulasten.
Das erste Menü (siehe Bild) stellt die Datei Operationen zur Verfügung. Es kann jeweils ein Modell geöffnet sein. Zusätzlich können Schaltungen aus anderen Modellen bzw. eine Bibliothek hinzugeladen werden. Beim Schließen werden alle Änderungen automatisch gesichert. Leider geschieht das Sichern auch, wenn keine Änderungen vorgenommen wurden.
Zur Ausgabe der Schaltung wird das GDOS-Programm OUTPUT benutzt. Entsprechend kann die Schaltung mit „Output GEM“ in ein Metafile geschrieben werden, das dann mit einem Druckertreiber in sehr guter Qualität zu Papier gebracht wird. „Output .Ref“ liefert eine Liste aller verwendeten Bausteine, die in eine Datei geschrieben wird. Die Eingabe des Dateinamens „PRINTER“ bewirkt ein sofortiges Ausdrucken.
Ist ein Modell geladen, kann mit „Enter Logic” der Ediermodus für das Gesamtmodell oder für einzelne Unterschaltungen gestartet werden. In ihm stellt PROSIGN alle Bestandteile auf einem Arbeitsblatt wählbarer Größe dar (Bild 2). Darauf kann wie in einem Zeichenprogramm gearbeitet werden, nur daß die Elemente der „Zeichnung” Bausteine und Leitungen sind. Es steht eine Reihe von Operationen zum Hinzufügen, Löschen, Verschieben oder Duplizieren von Bausteinen zur Verfügung.
Bei der Anwahl von „AddGate” erscheint eine Auswahlbox mit der Liste aller im System befindlichen Bausteine. Dies sind die Primitiven oder selbstdefinierte Bibliotheksschaltungen. Sämtliche Operationen geschehen mausgestützt. „List Logic“ erzeugt eine Liste aller im Modell verwendeten Bausteine und die Reihenfolge, in der sie bei der Simulation berechnet werden (Bild 3). Diese Reihenfolge kann mit „Change Sequ“ verändert werden.
Für Beschriftungen wird der Pseudo-Baustein „Text“ verwendet, wobei die Texteingabe direkt in der Zeichnung mit kleinen Edierhilfen vorgenommen wird.
And
Comparator
Counter
Delay
Digital-Multiplication
Digital-Summation
Exor
JK-Flip Flop
Memory
Mono-Flop
Multiplexer
Or
RS-Flip-Flop
Shift-Register
Arc-Cosine
Arc-Sine
Arc-Tangent
Common-Log
Cosine
Derivation
Division
Exponent
Integration
Mat-Multiplication
Multiplication
Natural-Log
Power
Sine
Square
Square-Root
Summation
Tangent
Transformation
Vector- Summation
Analog Constant
Binary Constant
Digital Constant
Function Generator
Oszillator
Ramp
Random
Wave-Generator
Dead-Band
Delay
Hysteresis-Switch
Hysteresis
Initial-Load
Limitation
Off Delay
On-Delay
Analog-Digital
Binary-Digital
Build Vector
Digital-Analog
Digital-Binary
Split Vector
Branch
Start
Step
Stop
Analog Indicator
Bargraph
Binary Indicator
Dialogue
Digital Indicator
Message
Parameter Variation
Stop Iteration
Stop Simulation
Time
Input
Output
Text
Verbindungslinien, also Schaltungen zwischen Aus- und Eingängen von Bausteinen, werden ebenfalls mausgesteuert gezogen. Nach einem Doppelklick auf einen Ein- oder Ausgangspunkt eines Bausteins erscheint ein Fadenkreuz, mit dem der Endpunkt der Verbindung festgelegt wird. Die Verbindungen können Knickpunkte haben und auch diagonal liegen. Eine Funktion zum Routen der Verbindungen ist nicht vorhanden.
Die Festlegung des Signaltyps von Ein-und Ausgängen bzw. Leitungen geschieht mittels eines Shift-Doppelklicks und einer Dialogbox. Befinden sich selbstdefinierte Unterschaltungen in dem Modell, kann über „Gate Face” ein kleiner Editor aufgerufen werden, in dem sich die Größe des Bausteinsymbols und die Lage der Ein- und Ausgänge gestalten läßt.
Der Modell-Editor erlaubt ein komfortables, interaktives Gestalten des Modells. Durch die grafische Eingabe werden Fehler, die bei einer textuellen Modellbeschreibung entstehen könnten, ausgeschlossen.
Mit “Enter Logic” gelangt man in den Simulationsmodus von PROSIGN (Bild 4). Initialzustände können mit “Init Logic” zurückgesetzt oder mit Klick bzw. Doppelklick explizit in einer Dialogbox eingestellt werden, z.B. das initiale Signal auf einer Leitung. Unterschaltungen können in diesem Modus durch Doppelklick auf einen entsprechenden Baustein angezeigt werden (Bild 5).
Es gibt drei Möglichkeiten, die Simulation zu aktivieren. „Simulate Logic“ schaltet eine kontinuierliche Berechnung der Schaltung, die mit Escape abgebrochen werden kann. PROSIGN erfüllt dann seine Hauptaufgabe und rechnet iterativ die einzelnen Bausteine durch.
Jeder Simulationszyklus besteht aus mehreren Schritten. In einem Schritt wird bei jedem Baustein je nach Funktion aus den Signalen der Eingangsleitungen das Ausgangssignal errechnet. Ist der Zustand des Modells stabil, beginnt der nächste Zyklus. Mit jedem Zyklus wird die Zeit um eine Einheit weitergeschaltet. Bei Überschreiten der maximalen Anzahl von Schritten pro Zyklus (Parameter Steps / Cycle) erscheint eine Fehlermeldung. Mit “Single Cycle” rechnet PROSIGN einen Zyklus durch; bei “Single Step“ nur einen Schritt, wodurch Zwischenzustände erkannt werden können.
Will man den Signalverlauf über einen längeren Simulationsraum verfolgen, kann die Trenddarstellung benutzt werden. In ihr werden die Signale wie auf einem Speicheroszilloskop in Kurven dargestellt.
Bis zu 24 Signale können gleichzeitig dargestellt werden. Dazu müssen sie zunächst jeweils an einen Ausgang eines Bausteins gebunden werden. Dies geschieht mit Maus (Bild 6) und verlangt eine sehr exakte Positionierung. Eine Art Snap-Funktion könnte die Bedienung an dieser Stelle verbessern. In der Modelldarstellung wird eine “überwachte“ Leitung durch ein kleines Kästchen und die Kanalnummer für den Trend angezeigt. Wird bei eingeschaltetem Trend die Simulation gestartet, zeigt PROSIGN auf dem Bildschirm die entsprechenden Signalfolgen grafisch an (Bild 7). Für die Darstellung können bis zu vier Skalen verwendet und einem Trendkanal zugeordnet werden. Alle Einstellungen geschehen in einer Dialogbox (Bild 8). Die Trenddarstellung ermöglicht einen schnellen Überblick über das Verhalten des Modells über einen längeren Zeitraum. Sie kann über eine Hardcopy oder auch als Metafile ausgegeben werden.
Praktisch alle Menükommandos sind auch über die Funktions- und Sondertasten aufrufbar. Beim interaktiven Arbeiten an der Logik benutzt PROSIGN die verschiedensten Kombinationen zwischen Maus und Sondertasten. So bewirkt z.B. ein Shift-Control-Doppelklick das Spiegeln eines Bausteins und seiner Ein-und Ausgänge. Für viele Befehle gibt es mehrere Aufrufmöglichkeiten, also Menüauswahl, Funktionstaste und eine Tastatur/Maus-Kombination. Der Benutzer wird also gleichzeitig mit Maus und Tastatur arbeiten. Diese Kombination erweist sich als praktisch und effizienter, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Die jeweiligen Kombinationen sind logisch aufgebaut und leicht zu erlernen.
Neben den Steuermöglichkeiten, die GEM über die Fenster bietet, können alternativ entsprechende Tasten benutzt werden. Zum Verschieben des Arbeitsblattes wird neben Rollbalken, Pfeilbuttons auch der Cursorblock eingesetzt. Insgesamt ist die Benutzerführung durchdacht, geschickt strukturiert und leicht erlernbar.
PROSIGN arbeitet als eines der wenigen ST-Programme mit dem GDOS-System. Geliefert wird GDOS 1.0 (vom 29.7.85), Output 1.2, META.SYS und der Druckertreiber FX80.SYS. Als Zeichensatz steht Swiss in Größen von 10 bis 36 Punkt für Drucker und Bildschirm zur Verfügung. Weiterhin stehen GDOS-Fonts für die Standardbildschirmschriften bereit. Will man keine Ausgabe als Metafile erzeugen, arbeitet PROSIGN auch ohne GDOS-Installation.
GDOS wurde auf dem ATARI nie vernünftig unterstützt. Damit fällt der vorliegende Lieferumfang etwas knapp aus. Das große Manko ist die fehlende Unterstützung verschiedener Druckertypen. FX80.SYS kann lediglich einen FX-kompatiblen ansteuem, womit moderne 24-Nadler ausgeschlossen sind. Selbst die FX-Emulation für den Laserdrucker arbeitet mit dem Treiber nicht vernünftig zusammen. Der Mangel an Treibem ist sicherlich nicht Linssen & Beese anzulasten, dennoch leidet das Paket unter dem ATARI-GDOS.
Davon unabhängig gibt es bei der Benutzung von GEM durch PROSIGN kleinere Nachlässigkeiten, z.B. fehlerhafte Fenstertitel und eine nicht ganz konsequente Invertierung der Menütitel. Das Programm benutzt immer nur ein Fenster, das leider nicht verschiebbar oder in der Größe veränderbar ist, obwohl ein Sizer vorhanden ist. Dadurch kann man z.B. nicht gleichzeitig das Modell und die Trenddarstellung im Auge behalten.
Das deutschsprachige Handbuch mit 196 Seiten wird in einem stabilen Ringordner in DIN A5 geliefert. Nach einer Einführung werden die einzelnen Menüpunkte der Dateioperationen, des Logikeditors und Simulationsteils, der Trenddarstellung und der Voreinstellungen erläutert. Hinweise zum Ausdrucken und Listen der Primitiven führen zu allgemeinen Bedienungshinweisen und der Beschreibung des Installationsvorgangs. Der abschließende Anhang zur genauen Darstellung der Primitiven nimmt fast die Hälfte des Handbuchs ein.
Teile des Handbuchs waren in der vorliegenden Auslieferung noch als “wird nachgereicht“ gekennzeichnet, was allerdings nur kleinere Dinge wie z.B. das Stichwortverzeichnis oder die Literaturliste betraf. Der streng gegliederte Text widmet jedem Befehl oder Kommando ein eigenes Unterkapitel und beschreibt ihn detailliert und ausreichend. Grafische Darstellungen der Dialogboxen unterstützen die Beschreibung von Parametereinstellungen.
Das Handbuch macht einen soliden Eindruck; es sollte alle Fragen klären. Vielleicht sollte noch Platz für ein kleines Tutorial geschaffen werden, das sich in dem zwar im Inhaltsverzeichnis angekündigten. aber nicht vorhandenem Anhang “Beispiele“ finden könnte.
PROSIGN ist ein absolut professionelles Paket mit einem riesigen Einsatzbereich. Das durch selbstdefinierte Bausteine offene System läßt sich an praktisch alle Problemstellungen anpassen. Die grafische Orientiertheit und die gelungene Benutzerführung ermöglichen ein komfortables Arbeiten. Schwierigkeiten könnten nur durch die genannten GDOS-Probleme entstehen; sie sollten sich allerdings durch eine ausreichende Dokumentation beheben lassen.
Hersteller: Linssen & Beese Lindwurmstr. 24 8000 München 2
PROSIGN DEMO DM 40,-
PROSIGN Rev 2 DM 2850,-