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Falcon Scene - Underground

Aktuelles

Hallöchen, letztens beim „RumDFÜen“ entdeckte ich eine dieser sagenumwobenen Hackermailboxen, und nachdem ich nun seit 11/2 Jahren ĂŒber die Demo-Scene berichte, keimte in mir die Idee zu einem echten Underground-Artikel. Und so konnte ich einige Members deutscher Hackercrews aus ihrer „tiefsten IllegalitĂ€t“ heraus fĂŒr ein Interview gewinnen.

AIso Leute, den Kragen hochgeschlagen und den Hut tief ins Gesicht gezogen, lauscht dem sagenhaften Bericht:

t: Heho Stratagem, erzĂ€hl mal was ĂŒber Dich. Was zog Dich „in den Sumpf der KriminalitĂ€t“?

Strata: Eigentlich bin ich seit Ende 1985 auf der ATARl-Schiene unterwegs. Damals hatte ich noch schweinemĂ€ĂŸig viel Kohle fĂŒr die Kiste abgedrĂŒckt. Nach und nach kamen die ersten Spiele, die ersten Freunde stiegen auch auf den ATARI um (es gab damals auf dem ATARI wesentlich mehr Software als auf dem AMIGA). Irgendwie kam der Gedanke wieder auf, daß man ‘wie gewohnt’ die Software kopieren will - die Gruppe ‘Hardline’ wurde gegrĂŒndet. Ende 1988 gab es diverse Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Crew, ich hatte mich dann von Hardline getrennt und nur noch just for fun gecoded bzw. gecracked, zumal ich ja auch noch was Neues zu diesem Zeitpunkt entdeckte, und zwar Datex-P. Die nĂ€chsten 1-2 Jahre war ich dann die meiste Zeit im Chatchannel ‘QSD’ (Frankreich) oder im Multiline-Adven-ture ‘AMP’, das war glaube ich irgendwo in England. Ich denke, 1991 war mit Abstand das beschissenste Jahr ĂŒberhaupt. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich eigentlich alles, was mit Computern zu tun hat, verkaufen, doch dann lernte ich jemanden von Domark kennen. Diesen Kontakt baute ich dann weiter aus, und als „ATARl-Games“ den Spielautomaten ‘SteelTalons’ auf den Markt brachten, arbeitete Domark an einer Umsetzung des Games. Ich selbst wurde wieder aktiv, „Steel Talons“ und kurz darauf „LlamaZap“ waren nach langer Zeit wieder die ersten Releases auf dem Falcon, kurz darauf trat ich „Elite“ dabei. Rundher-

um lebten die Kontakte wieder auf, man lernte neue Leute kennen usw, 1993 lernte ich dann die Jungs von Animal Mine kennen, und seit Ende 1993 gehöre ich zu Animal Mine. Inzwischen ist es so, daß ich das ganze Organisatorische bei Animal Mine ĂŒbernommen habe und fĂŒr Elite (obwohl ich noch Mitglied bin) eigentlich nichts mehr mache.

t: Und was macht die Cracker-Scene heute so? Irgendwie lĂ€uft sie ja parallel zur Demo-Scene, aber ich habe in letzter Zeit nicht mehr viel aus der Ecke mitbekommen. Gibt’s noch aktive Gruppen und Meetings?

Slippy/Vectronix: Sicherlich ist die ATARI-Cracker-Scene verdammt in den Keller gegangen, aber das ist wohl darauf zurĂŒckzufĂŒhren, daß die meisten Software-Firmen nicht mehr so viel (im Prinzip verdammt wenig) fĂŒr ATARI produzieren. Das sieht ja so aus, daß die Firmen quasi unsere „Arbeitgeber“ waren. Meetings sind auch noch im Gange. Wir waren z.B. bei der „Animal Mine Munich Convention 2“ Dort haben wir dann verschiedene Leute der Cracker-Scene angetroffen (die legendĂ€re 42-Crew, HARDCORE und diverse andere Leute).

METALLINOS/Vectronix: Naja, aber alle wichtigen Jungs sind abgewandert, interessante Programme werden nicht oder mit monatelanger VerspĂ€tung gecrackt, kein richtiges Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Leuten mehr da. FrĂŒher war der schnellste der Beste, heute ist das egal.

t: Gebt doch mal einen Überblick, wie die globale Cracker-Scene auf dem ATARI jetzt so ausschaut.

Strata: Die internationale Crackerszene teilt sich in etwa wie folgt auf:
Elite: Holland, Frankreich, Italien, England, Deutschland
Strata: Deutschland, England, Holland, Frankreich
Hardcore: Österreich, Deutschland
42 Crew: Deutschland
Climatics: Schweiz, Deutschland, Belgien

Ich kann mich noch gut an die alten Zeiten erinnern. Damals habe ich mich immer gefragt, wie es Cracks von Games geben konnte, die noch gar nicht zu kaufen waren?

Strata: Teilweise sitzen die eigentlichen Supplier direkt in den Software-Firmen oder in den externen Kopierstationen. Bei Doom2 auf dem PC war das Game 3-4 Stunden, nachdem es im Kopierwerk war, in den Elite-Mailboxen bereit zum Download - an sich fĂŒr die Firma ein harter Schlag. Ein Spiel, das gerade den Markt betreten hat, muß normalerweise in den ersten 4-6 Wochen die Produktionskosten reingeholt haben. Sollte das nicht der Fall sein, macht die Firma im Regelfall einen Verlust mit diesem Produkt. Man kann das Ganze auf die extrem schnelle Verbreitung von Raubkopien zurĂŒckfĂŒhren.

Der Junglelevel von NBGs „Incubator“

METALLINOS/Vectronix: Ganz einfach - es saßen Leute in den Redaktionen von Spielezeitschriften oder direkt bei den Herstellern, die dann das Zeug illegal haben rĂŒberwachsen lassen. Meist gibt’s die Games in anderen LĂ€ndern auch frĂŒher, z.B. ROBINSON’S REQUIEM fĂŒr den ST gab’s in Frankreich schon Monate vor dem Erscheinungsdatum in Deutschland. Über „dunkle KanĂ€le“ gelangen diese Cracks dann mit unglaublicher Verbreitungsgeschwindigkeit von einem Land ins nĂ€chste.

Und der Shoot’em-up-Technolevel

Hier ein Screenshot des 3D-Dungeonparts

t: Was haltet ihr von der Aussage, daß Raubkopiererei den Markt kaputt macht, weil es sich nicht mehr lohnte, Spiele zu produzieren?

METALLINOS: Raubkopien gehören zu einem Computer wie das Wasser zum Leben. Computerisieren ohne Raubkopien ist fĂŒr SchĂŒler/Studenten und Arbeiter einfach nicht zu bezahlen. Cracker stellen meiner Meinung nach die Voraussetzungen dafĂŒr her, daß die soziale Gerechtigkeit erhalten bleibt. Raubkopien sind einfach notwendig, um den Verbreitungsgrad eines Computersystems zu steigufU Warum hat denn inzwischen fast jeder Depp einen PC zu Hause? Weil sein Nachbar schon alle Spiele hat!

Außerdem meinten auch viele Firmen, sich mit teuren, aber wirklich schlechten Spielen eine goldene Nase verdienen zu können, so daß man als KĂ€ufer oft genug das Nachsehen hatte.

An der Stagnation des Marktes hat auch ATARI mit der merkwĂŒrdigen Verunsicherungspolitik Schuld, auf dem PC oder AMIGA wird viel mehr als auf ATARI kopiert, und diese Systeme „leben“ auch noch.

t: Was halten denn „eingeschworene“ Hacker von der „cleanen“ Demo-Scene?

Strata: Also ich finde, es so wie es ist, ok - der eine Bereich tut dem anderen nichts, beide leben ganz gut miteinander und nebeneinander. Die Coder der Cracker-Scene werden von der Demo-Scene inspiriert und umgekehrt.

Slippy/Vectronix: Ich war ursprĂŒnglich in der Demo-Scene, Vis ich mir eines Tages einige DEAluS genauer anschauen wollte und damit begann, die zumeist auf SYNCHRO Protection basierenden Boot-Sequenzen zu de-protektieren. Es hat irgendwie ungern, mehr Spaß gemacht, durchzublicken, was andere so programmiert hatten. Dann wollte ich an Games gehen und ... man siehe ... no Problems! Ich hatte ja bereits erwĂ€hnt, daß letztens ein HARDCORE-Mitglied bei mir war. Wir haben ĂŒber eine Protection gesprochen, welche von AGRESSIONs STARDUST war. Also, ich muß sagen, „HUT AB!“ Um konkret auf die Frage einzugehen, kann ich sagen, daß ich persönlich die hiesige Demo-Scene sehr respektiere, da sie verdammt viele fĂ€hige Leute beinhaltet.

t: Mal abgesehen vom Computer, was lÀuft im Konsolenbereich?

HARDBALL/Vectronix: Von den Kopierstationen fĂŒr das SNES und MEGADRIVE hat wohl jeder schon gehört. Die Jaguar-Besitzer hĂ€tten wahrscheinlich auch gerne ein ‘Tool’ zum Sichern der Module auf Disk - man kann ja nicht verantworten, daß die Module sich abnutzen (grins).

Ein findiger Bastler aus Schweden hatte sich mit der Hardware des Jaguars etwas genauer auseinandergesetzt und ein Tool zum Programmieren auf dem Jaguar entwickelt. Dazu werden im Jaguar ein paar Kabel und ein Schalter angelötet - das Ganze geht dann auf den Drucker-Port eines ATA-Rls. Man kann dann am GerĂ€t zwischen den Modi ‘Normal’ und ‘Programming’ umschalten, im Normal-Modus wird der Jaguar wie gewohnt bedient, im Programming-Modus kann man mit Hilfe des Jag-Servers eigene Programme auf den Jaguar kopieren, bzw. wenn ein Modul im Modul-Port steckt, kann dieses ausgelesen und auf der Festplatte abgespeichert werden. Programmieren kann man den Jaguar im ĂŒbrigen mit den handelsĂŒblichen Assemblern wie z.B. dem Devpac Assembler. Momentan versuche ich, einen Controller fĂŒr diese Hardware zu entwickeln, der die Module auf ED-Disketten abspeichert. Sollte das Ganze so funktionieren, wie ich mir das vorstelle, wird eine Info von uns in diversen Mailboxen erscheinen.

Saturn- und Playstation-CDs kann man wohl mit normalen CD-Schreibern und modifizierter Software kopieren.

t: Nachdem ich einen Blick in die Secret-Areas Deiner Box geworfen habe, tut sich zum Abschluß noch eine aktuelle Frage auf: Woher habt ihr eine Falcon-Version von „Vroom Multiplayer“, wo es die doch nie zu kaufen gab?

Stratagem: Haha ... Vroom war als Formula1 von Domark fĂŒr den Falcon geplant, wobei man erwĂ€hnen sollte, daß sich zu Vroom nur der Name geĂ€ndert hat. Domark hat irgendwann Lankhor, den eigentlichen Hersteller von Vroom, geschluckt - schnell noch die Strecken etwas geĂ€ndert, anderes Logo drauf, und schon ist ein neues Spiel fertig! Es gab mal ein paar gecrackte File-Versionen des Games, und eine dieser Versionen diente der Anpassung an den Falcon. Mit anderen Worten - eine Crew hatte sich der Sache angenommen und das gecrackte Original auf den Falcon angepaßt, einmal fĂŒr RGB- und einmal fĂŒr VGA-Monitore ... that’s it!

t: So, erstmal THX fĂŒr die Kooperation , Jungs, war echt interessant. Jetzt komm’ ich aber wieder mit ein paar Falconnews:

PAINIUM

Dieses vertikal scrollende Ballerspiel ist bei ANVIL-SOFT in der Mache und soll an „Wings of Death“-Traditionen anknĂŒpfen. Der Painium ist ein Chip der neuesten Generation, doch hat er leidereinen fĂŒrdie Menschheit fatalen Berechnungsfehler in seiner FPU. Ziel: Vernichte ihn!

Es soll fĂŒnf butterweich (50Hz) scrollende Levels in TrueColor geben, an deren Ende in bewĂ€hrter Tradition ein Endgegner wartet. Neben gepixelter Grafik wird im Intro und in Zwischensequenzen mit Raytracingstuff geprotzt. FĂŒr die Akustik sorgen 16-Bit-Stereoeffekte und Musik von Tommy(!). Hinter ANVIL-Soft verbirgt sich die bereits in einer Falconscene (FB3) erwĂ€hnte Democrew „CRUOR“, d.h. Raving MAD (alias Ralf Zenker), der die Programmierung ĂŒbernimmt und der Grafiker Zweckform (Ronald Wendt). Das Game soll etwa im MĂ€rz 96 zu haben sein, und ein weiteres Falcon-Spiel ist geplant, wofĂŒr ĂŒbrigens noch kreative Leute gesucht werden. Danach will man sich auf den Jaguar stĂŒrzen. Eine Demoversion (1. Level) gibt’s auf der proTOS fĂŒr 5,- DM.

Incubator

Noch ein reinrassiges Falcon-Action-Spiel, welches vormals unter dem Nahmen „BOOM“ erwĂ€hnt wurde, nimmt langsam Formen an. Hierbei handelt es sich um einen Doppelpack. Neben dem Haupt-Game, einem horizontall scrollenden Shot’em-up in TrueColor mit fettem Sound und reichlich Action, gibt es nach jedem Level (es sind 4) einen 3D-Part. Ähnlich wie bei Alien v. Predator auf dem Jaguar, schlĂ€gt man sich durch geshadete Texturemappingdungeons und ballert (mit 3 verschiedenen Waffenarten) um sich, nebenbei hat man ein paar logische RĂ€tsel zu knacken. Dabei hilft einem u.a. auch eine einblendbare Karte. Bei einem Sichtfeld von 200*126 Pixeln erreicht man dank DSP noch eine Geschwindigkeit von ca. 15 Bildern/s. das entspricht AvP, wobei hier aber noch die WĂ€nde schrĂ€g stehen können, d.h. nahezu runde RĂ€ume möglich sind. Ein paar Monate werden wohl noch ins Land gehen bis dieses Game zu haben ist. Nebenbei: Der NPG-Grafiker (Canera) arbeitet jetzt auch hauptberuflich fĂŒr ein kommerzielles Softwarelabel (Sunflowers), viel Spaß und THX fĂŒr die Infos.

Wow, das war’s schon wieder, werft nochmal einen Blick auf das wunderschöne In vitations-lntro von Agression. Sie laden um Neujahr rum zur Agressive Party II, die fett aufgezogen werden soll, nach Finnland ein. Ich bedanke mich nochmal bei allen „Informanten“ dieses Artikels und sende GrĂŒĂŸe an Silli, Gwen, Gesa (in Amerika) und Janosch (nicht in Australien).

cu!, A.-t-

Anm. d. Red.: Die in diesem Artikel wiedergegebenen Aussagen mĂŒssen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entsprechen.

Studien zu den Raytrace-Sequenzen von IncubatoJ

So sieht das 1. Level von „Painium“ aus.

Kay Tennemann