MIDICHORD: Sequenzer und Begleitautomat in Personalunion

Sequenzer und Begleitautomaten gibt es viele auf dem ST-MIDI-Markt. Doch zumeist liegen diese Programme jeweils separat als Einzellösungen vor, eine für die Zunft der Alleinunterhaltenden sicherlich keine ganz beglückende Lösung.

Bild 1. Der Begleitautomat im Sequenzer: oben lugt das Sequenzerfenster hervor, darunter die Loops und Snapshots

Diesem Dilemma will unser Prüfling »Midichord« entgegentreten und präsentiert sich als MIDI-Sequenzer mit integrierten Begleitfähigkeiten. Auf der Sequenzerseite bietet Midichord solide MIDI-Kost: 254 Spuren, bei denen im Falle der aktiven UNDO-Option die unteren 127 Spuren immer eine Kopie der oberen Hälfte beherbergen, sollten auch dem ausgefeiltesten Arrangement mehr als ausreichend Platz zur Verfügung stellen. Zur Korrektur von Verspielern dient ein Key-Editor, in dem sich die MIDI-Daten dem Betrachter in der beliebten »Piano-Rollen«-Optik offenbaren. Einen speziellen Drum-Editor sucht man in Midichord vergebens, jedoch weicht bei Editierung einer Schlagzeug-Spur die Piano-Tastatur am linken Editorrand der Klartext-Belegung der Drum-Instrumente. Mit dieser Lösung läßt es sich problemlos leben. Als weniger beglückend empfanden wir es allerdings, daß beim Aufruf des Editors der Sequenzer seine Wiedergabe unterbricht und dann nur noch die zu editierende Spur abzuhören ist -Twenty Four läßt grüßen!

Etwas hölzern mutet 1993 auch das übrige Handling des Sequenzers an. Wo andere Systeme bereits seit Jahren mit frei per Maus verschieb- und kopierbaren Parts arbeiten, bedient sich Midichord noch der recht sperrigen Marker-Technik: Wollen Sie z.B. einen bestimmten Teil einer Spur verdoppeln, müssen Sie zunächst die Funktion »Copy« anwählen, dann per Start- und Ende-Marke den Quellbereich kennzeichnen und schließlich mit einem finalen Klick das Zielgebiet anvisieren. Damit ist nun aber noch gar nichts kopiert, denn es erscheint eine große, sinnigerweise auch noch den Blick auf das Sequenzerfenster versperrende Dialogbox, in der sich weitere Details festlegen lassen. Solcher Umstand vermag den Rezensenten nicht gerade zu begeistern.

Doch verspricht unser Proband ja mehr als ein einfacher Sequenzer, läßt er sich doch relativ problemlos in einen patenten Begleitautomaten verwandeln. Midichord ist nämlich in der Lage, bei Bedarf den Inhalt einer Spur in Abhängigkeit von einem auf dem Steuerkeyboard angeschlagenen Akkord zu transponieren. So spielen Sie ganz problemlos einen zweitaktigen Groove mit Drums, Baß, Gitarre und Piano z.B. in C-Dur ein und nutzen ihn direkt anschließend als variables Begleitschema. Zu diesem Zweck müssen Sie lediglich die eben eingespielten Takte als »Loop« definieren, diesen Loop aktivieren und schon kann es losgehen. Diese Loops erspähen Sie übrigens in Bild 1 in der Easy-Page. In dieser Beispielkonfiguration enthält der gerade aktive Midichord-Song 24 Loops, die jeweils einen anderen Begleit-Stil erklingen lassen. Die Loops wählen Sie per Mausklick an oder per frei definierbarem Keyboard-Befehl - ein wichtiges Feature für den Live-Betrieb.

Für große musikalische Flexibilität sorgen die Track-Mutes, mit denen sich verschiedene Instrumenten-Kombinationen durch Stummschalten der einzelnen Spuren erreichen lassen. Die einzelnen Mute-Kombinationen speichen Sie dann als »Snapshots« per Doppelklick auf die entsprechenden Buttons unterhalb des Loop-Bereichs. Wie auch die Loops, selektieren Sie einen Snapshot entweder per Maus, Tastatur oder Keyboard-Fernsteuerung. Eine Besonderheit von Midichord ist es übrigens, daß die Begleitautomatik auf Ihre Anschlagstärke reagiert und diese entsprechend umsetzt. Ein leises Antippen der Klaviatur sorgt also für dezente Begleitung, greifen Sie hingegen kräftig in die Tasten, quittiert Midichord dies mit einem ordentlichen Forte. Eine für den Alleinunterhalter sicherlich sehr brauchbare Idee.

Bild 2. Einfach aber effektiv: der Key-Editor

Auf Wunsch kontrolliert und manipuliert Midichord auch Ihr Solo-Spiel. Jeder Harmonie läßt sich hierbei eine spezielle Tonleiter zuordnen, anhand derer Midichord Ihre Eingabe korrigiert. Auch musikalisch nicht ganz so versierte Zeitgenossen kommen so in den Genuß einer hörenswerten Live-Performance.

Mit Midichord liegt zweifelsohne ein interessantes Software-Konzept in überwiegend brauchbarer programmiertechnischer Ausführung vor. Die Idee, einem Sequenzer gleich »von Haus aus« zu Begleitautomaten-Qualitäten zu verhelfen, ist sicherlich in dieser Form neu und dürfte besonders bei den bereits erwähnten Alleinunterhaltern auf breitere Zustimmung stoßen. Seine deutlichen Schwachpunkte zeigt Midichord allerdings im Bereich der Benutzerführung, die bei Cubase und Notator-Logic verwöhnten Anwendern für stark nostalgische Gefühlsregungen sorgen dürfte. Hier scheint für kommende Updates dringend Abhilfe angebracht. Lobenswert ist allerdings, daß die Programmierer Midichord in einer lediglich in der Notenzahl leicht eingeschränkten Shareware-Version verbreiten. In diesem Fall lassen sich kleinere Unebenheit leicht verschmerzen. Für ein Shareware-Programm zeigt Midichord einen hohen Grad an Professionalität. Etwas anders hingegen sieht es bei der kommerziellen, leider mit einem Disketten-Kopierschutz versehenen Version aus. Hier muß sich Midichord der zwar teureren, aber auch deutlich weiterentwickelten Konkurrenz (Live, Cubase mit Styletrax etc.) stellen. (wk)

Info: Norbert Sauerzapf, Kaiserstr.47, 6900 Leimen

WERTUNG

Name: Midichord
Hersteller: Midimind
Preis: ca. 300 Mark

Stärken: gelungenes Konzept

Schwächen: Bedienung teilweise zu umständlich

Fazit: Besonders im Bereich der Alleinunterhalter eine Bereicherung.


Kai Schwirzke
Aus: TOS 06 / 1993, Seite 46

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