Hoffnungsträger? Umfrage: Was meinen Softwarehäuser zum Falcon 030?

Schon andere Hersteller als Atari brachten Computer mit überzeugenden Leistungsdaten auf den Markt. Doch mangels Softwareunterstützung schafften diese nie eine weite Verbreitung, sondern fristeten eher ein bescheidenes Schattendasein. Blüht dem Falcon 030 ein ähnliches Schicksal? Wir gingen dieser Frage auf den Grund und befragten acht renommierte Softwareschmieden im ST/TT-Bereich.

Dabei interessierte uns, welchen Gesamteindruck der Falcon 030 hinterließ und welche Marktchancen man ihm gibt. Weiter wollten wir wissen, ob die Zielgruppe des Falcon (Consumermarkt, Spiele, Multimedia, Musik, Grafik) mit den jeweiligen Kundengruppen übereinstimmt.

Natürlich bringen neue Eigenschaften (DSP, Digital-Sound, 16 Bit Grafik) wenig, wenn die Programme sie nicht nutzen, daher unsere Frage, ob dies der Fall ist. Da das Betriebssystem des Falcon MultiTOS heißt, wollten wir weiter wissen, ob die Programme bereits an dieses neue Betriebssystem angepaßt sind. Viel hängt von Ataris Unterstützung der Programmierer ab. Daher fragten wir, wie im Augenblick der Support von Atari beurteilt wird. Schließlich die entscheidende Frage: Sind bereits spezielle Neuentwicklungen für den Falcon 030 geplant?

Der Falcon 030 bietet Hardware zu einem sagenhaft günstigen Preis. Doch der beste Computer nutzt wenig ohne leistungsstarke Programme. Über Durchbruch auf breiter Basis oder Pleite des Falcon entscheiden also nicht zuletzt die Softwarehäuser.

3K Computerbild

Eher zurückhaltend äußerte sich Matthias Kurwig, Geschäftsführer der 3K Computerbild. Er hält die bekanntgegebenen Hardwaredaten des Falcon 030 für sehr interessant. Allerdings genügt es seiner Einschätzung nach heute nicht mehr, nur gute technische Daten zu besitzen. Der Erfolgeines Rechners ist wesentlich auch von dem verwendeten Betriebssystem und vor allem von der Marketingkraft abhängig, mit der dieser Rechner in den Markt kommt. Gerade im Hinblick auf die notwendige Marketing-Kompetenz von Atari herrscht allerdings Skepsis bei 3K.

Auch die für den Falcon 030 angestrebte Zielgruppe erweist sich für 3K Computerbild als problematisch. Die Entwicklung des Falcon 030 verläuft praktisch konträr zu den 3K-Produkten, die sich an den High End DTP-Kunden richten. Als Beispiele nannte Kurwig das vorgestellte 1040er Gehäuse, mit dem »wir uns sicher noch weiter vom professionellen Weg abwenden« und die Tatsache, daß man wohl keinen s/w Großbildschirm an dem Rechner betreiben kann.

Der Falcon wird für 3K Computerbild interessant, wenn Atari es schafft, damit im Markt Erfolge zu erzielen. Man kann »sicher relativ schnell die Farbbildbearbeitung auf die Fähigkeiten des Rechners anpassen. Unsere Erfahrung mit einer anderen Rechnerplattform, die ebenfalls einen DSP beinhaltet, zeigen aber auch, daß in den Bereichen, die für uns relevant sind, sich die Euphorie schnell relativiert«. Eine Anpassung an MultiTOS gibt es derzeit nicht. Man wartet damit auf jeden Fall, bis dieses Betriebssystem funktionsfähig im Markt ist. Auch in punkto Unterstützung seitens Atari sind die Töne verhalten: »Seit Monaten haben wir Zusagen über Lieferungen für die neue Hardware. Außer einigen Papierinformationen ist aber noch nichts Greifbares eingetroffen. MultiTOS ist zwar als Entwicklerversion bei uns vorhanden, aber wie gesagt, wir sehen das im Augenblick für uns nicht als einen so relevanten Bereich«.

ASH

Application Systems Heidelberg begrüßt die Einführung des Falcon. Der Käufer erhält ein leistungsstarkes Gerät, das einen 68030-Prozessor für wenig Geld erschwinglich macht. Die Grafikfähigkeiten und Möglichkeiten, die der DSP bietet, sind in dieser Preisklasse wohl einzigartig.

Als Nachteile des Konzepts nennt ASH zwei wesentliche Punkte: Zum einen ist noch ungeklärt, wie sich der Falcon in einem Netzwerk mit anderen Rechnern zurechtfindet. Zudem fehlt dem Falcon die Option auf zusätzliche Steckkarten, insbesondere die Erweiterung um einen 80386-Prozessor, so daß er auch an Schulen und Universitäten Fuß fassen kann.

Sicher ist der Falcon 030 für Freaks und Spieler interessant, doch darf man die Bedürfnisse der Anwender nicht unterschätzen. Zur Einführung des Falcon im Spätherbst dürfte ein leistungsfähiger 486-PC für weniger als 3000 Mark erhältlich sein.

ASH paßt seine Produkte auch auf den Falcon 030 und MultiTOS an. So erhalten Pure C und Pure Pascal neue Bibliotheken für das MultiTOS. Mit dem Erscheinen des Falcon ist auch eine lauffähige Version von Signum 3 erhältlich.

»Wir haben uns bisher nicht beirren lassen und glauben, daß Atari-Computer gut und unkompliziertzu bedienen sind. Der Falcon wird auch bei den Benutzern von heute ankommen.«

CCD

Auch Creative Computer Design sieht den Falcon als die Innovation der letzten Jahre. Die Leistungsdaten sind überzeugend, die Maschine »mit Sicherheit konkurrenzlos«. CCD erwartet weiter einen großen Markt in den Bereichen Spiele und Multimedia.

»Wir hoffen, daß es klappt. Doch angesichts der Vergangenheit traut man Atari nicht mehr blindlings über den Weg. Wir sitzen auf alle Fälle in Lauerstellung - bereit sein ist alles.«

Die Anpassungen und die Weiterentwicklung der Produkte von CCD laufen parallel, so daß bei Erscheinen des Falcon bereits alle Programme wie Tempus, Tempus Word und Lattice C problemlos arbeiten. Für den Compiler wird es zudem neue Bibliotheken geben. Besonders lobt CCD den Entwickler-Support von Atari, der die Firma über Entwicklungen in Sachen MultiTOS ständig auf dem laufenden hält. Einziger Wunsch: Mehr Ansprechpartner, denn »eine Person ist einfach zu wenig«.

Compo Software

Bei Theo Breuers, Geschäftsführer von Compo Software, macht sich verhaltener Optimismus breit. Man hat bei Compo einen sehr guten Eindruck von der Maschine, die auf der CeBIT zugänglich war. Der Falcon 030 hat sicher Chancen im Markt, wenn er rechtzeitig, also wie angekündigt im FHerbst, ausgeliefert wird, wenn Atari ein gutes Marketing betreibt und wenn er den Entwicklern zwei bis drei Monate vorher wirklich zur Verfügung steht. »Man kann heute keinen Rechner mehr ohne passende Software dazu verkaufen. Die Zeiten von 1985 sind vorbei«. Compos Zielgruppe paßt auf den neuen Rechner. Es komme darauf an, was er wirklich alles kann. Textverarbeitung als Grundanwendung ist unumstritten, aber mit den angekündigten Fähigkeiten, beispielsweise im grafischen Bereich, »lassen sich natürlich auch komplett neue Zielgruppen definieren«. That's Write und Compo-script laufen bereits auf dem Falcon 030, That's Write auch schon unter MultiTOS, das bereits bei Compo vorliegt.

Mit dem Entwicklersupport von Atari ist man bei Compo derzeit sehr zufrieden. »Es ist überraschend, wie schnell man dort auf Wünsche und Anregungen reagiert. Wir wünschen uns, daß die Zusammenarbeit so gut weiterläuft«. Man denkt bei Compo auch bereits über komplett neue Produkte nach, die speziell an die Fähigkeiten des Falcon angepaßt sind. Diese sollen mit dem Erscheinen des Rechners verfügbar sein.

DMC

Die Firma DMC beurteilt die Chancen des Falcon 030 im Consumermarkt als gut, da die Hardwareplattform Möglichkeiten bietet, die bisher zu einem vergleichbaren Preis nicht erhältlich sind. »Der Falcon verfügt nach der Hardware-Spezifikation über alle Voraussetzungen, Multimedia in den Heim- und Semiprofessionellen Bereich zu bringen.«

Auch sieht die Wallufer Softwareschmiede in diesem neuen Atari ein ideales Gerät für Hobby- und Heim-DTP. Für den professionellen Einsatz muß aber nach diesem ersten Schritt ein zweiter folgen, da Profis ihre Computer meist ausbauen und kaum mit einem Rechner »von der Stange« arbeiten. Liier ist also Atari weiter gefordert, den Falcon zu einer kompletten Produktfamilie auszubauen, die sich am oberen Ende auch vor dem neuen Apple-Tower nicht zu verstecken braucht.

Da der neue Calamus S bereits voll farbfähig ist, unterstützt dieses Programm auch die neuen Grafikeigenschaften des Falcon. Geplant sind weitere spezielle Anpassungen an die neue Hardware, wenn Entwicklermaschinen verfügbar sind. DMC-Software wird bis zur Markteinführung auch das neue MultiTOS unterstützen.

Einen eigentlichen Support seitens Atari sieht DMC im Moment nicht, wenngleich die einzelnen Raunheimer Mitarbeiter sehr bemüht sind. Hier könnte Atari noch einiges verbessern.

Über spezielle Neuentwicklungen für den Falcon wird bereits intensiv nachgedacht. Hier spielt vor allem der Einsatz des DSP für Multimedia-Anwendungen und zur Videodigitalisierung eine Rolle. Weiter arbeitet man an sehr schnellen Packroutinen. Aber zum Entwickeln benötigt man auch bei DMC einen Falcon, der leider bisher noch nicht in Walluf eingetroffen ist.

Omikron

Gute Chancen für den Falcon sieht Omikron, liefert Atari den neuen Rechner in ausreichenden Stückzahlen zum genannten Termin. Auch unter dem Gesichtspunkt »Multimedia« scheint sich der Falcon in sechs Monaten gut plazieren zu lassen. Um die Fähigkeiten des Falcon deutlich herauszustellen, ist gute Werbung nötig. Besonders die Bereiche Spiele und Heimanwendungen sind in diesem Zusammenhang wichtig.

Mit der Anpassung der Produktpalette an MultiTOS wartet Omikron noch. Bevor Atari keine endgültige Version vorlegen kann, ist die Verbesserung der Produkte vorrangig. Konkrete Pläne zur Nutzung des neuen Prozessors DSP56001 liegen bereits in der Schublade. Dabei geht es unter anderem um »JPEG«, ein Kompressionsverfahren für Bilddaten, das durch seine hohe Packrate und seine Geschwindigkeit besticht.

Steinberg

Für die Firma Steinberg gab uns Wolfgang Kundrus, Koordinator des Programmiererteams für das Hauptprodukt »Cubase«, Auskunft. Wenn der Falcon, so Kundrus, die Merkmale hat, die entweder angekündigt oder durch Gerüchte bekannt wurden, also 16 MHz 68030, DSP und VGA-Grafik, dann ist die Maschine »in der angestrebten Preisklasse sicher großartig und auf jeden Fall im Musikmarkt sehr willkommen«. Trotzdem ist es noch zu früh, über zukünftige Entwicklungen zu sprechen. Bei der angekündigten Ausstattung gibt es aber »sicher Spielraum für neue Möglichkeiten«.

In punkto MultiTOS sind erste Tests positiv verlaufen, wenngleich »es aber noch offene Fragen« in bezug darauf gibt. (Bekanntlich laufen die Steinberg-Programme ja unter dem eigenen Multitasking-System M-ROS, so daß zunächst sicher einige Kollisionen zu befürchten sind; Anm.d.Red.). Es gibt aber bei Atari »einige äußerst engagierte Mitarbeiter, mit denen die Zusammenarbeit sehr erfreulich ist«. Über neue, speziell auf den Falcon 030 abgestimmte Produkte wollte Kundrus noch nicht sprechen: »Jetzt etwas darüber zu sagen, wäre verfrüht, und außerdem liegen noch keine offiziellen Spezifikationen des Falcon vor«.

Technobox

Relativ enttäuscht von Atari zeigte sich Michael Hagelganz von Technobox. Einen Gesamteindruck des Falcon konnte sich dieses Softwarehaus bis heute nur aus Fachzeitschriften bilden, da Atari bis dato keinerlei Unterlagen zur Verfügung stellte und die CeBIT keine Gelegenheit bot, sich mit dem Prototyp zu beschäftigen.

Technobox sieht im Consumer-und Spielemarkt den einzigen Bereich, in dem sich Atari zur Zeit die Chance eines Erfolges bietet. Jedoch ist dies nicht das Umfeld der Bochumer Entwickler und ihrer hochwertigen CAD-Software. Technobox-Program me unterstützen die neuen Eigenschaften des Falcon bisher noch nicht, da Atari bis jetzt weder Entwicklerdokumentation noch einen Rechner zur Verfügung stellte.

Anpassungen an das neue MultiTOS sind nicht nötig, da sich die Programme streng an die von Atari herausgegebenen Entwicklerrichtlinien halten. Beachtet Atari beim MultiTOS die eigenen Vorgaben, gibt es auch keine Probleme. Nach Auskunft von Bill Rehbock, Atari USA, bereitete das neue Betriebssystem dem Programm »Techno-CAD« beim Test keine Probleme. Zur Zeit sieht Technobox keinen Atari-Support, zumindest für sich. Aus den Erfahrungen der letzten Zeit gehen die Bochumer auch eher davon aus, daß sie keine speziellen Neuentwicklungen für den Falcon bringen werden.

Was bleibt?

Betrachtet man die Aussagen der Softwarehäuser, stellt man fest, daß sich zwar teilweise leichter Optimismus ausbreitet, doch ersteinmal eine abwartende Haltung vorherrscht. Für einen schnellen Erfolg des Falcon ist aber entscheidend, daß bei seiner Markteinführung bereits ausreichend Software verfügbar ist. Warten die Entwickler erst einmal ab, wie der Verkauf anläuft, bevor sie neue, die Hardware ausreizende Programme bringen, wirkt sich dies sicher negativ auf die Verkaufszahlen aus. Dies könnte dann zu einer Entscheidung gegen den Falcon führen. Ein Teufelskreis!

Für einen Erfolg erscheint es unabdingbar, daß sich Atari an den selbstgesteckten Zeitplan hält und daß die Softwarehäuser sofort bei Verfügbarkeit von Entwicklermaschinen mit dem Programmieren beginnen. Nur dann liegt es an den Käufern, über Erfolg oder Mißerfolg dieses Falcon zu entscheiden. Es ist natürlich verständlich, daß die Softwarehäuser nicht sofort sämtliche Entwicklerkapazitäten für die Konzeption neuer Software ein setzen, nur weil Atari einen neuen Computer vorgestellt hat. Aber immerhin zeigte beispielsweise das Engagement von Jack Tramiel auf der CeBIT, daß Atari mit dem Falcon 030 offensichtlich eine neue Rechnergeneration in den Markt bringen will. Das Auftauchen des alten Fuchses Jack in Hannover gibt berechtigten Grund zu der Annahme, daß hier wieder ein kräftiger Aufwind bläst. Also liebe Softwarehäuser, Vorsicht ist gut, aber wir alle wissen, welch weiter Weg es von der Planung einer Software bis zur Auslieferung ist. Wer zu spät kommt, den bestraft der Kunde - wenn er nämlich woanders kauft.

Von Armin Hierstetter, Ulrich Hofner und Wolfgang Klemme



Aus: TOS 06 / 1992, Seite 12

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