Harlekin, das Multi-Accessory von Maxon

Harlekin hält 16 Hilfsprogramme in seiner Trickkiste bereit. Bei einigen hat er pfiffige Ideen verwirklicht: z. B. beim »Personal Planer«, einer Kombination aus Kalender, Textverarbeitung und Dateiverwaltung.

Trickkiste

Nach der Installation meldet sich Harlekin sofort zu Wort: Er trägt sich in die Accessory-Liste der Menü-Leiste ein und ist damit in allen GEM-Anwendungen sprung-£ bereit. Wenn Sie ihn rufen, nennt er in einer Auswahlbox seine 16 Hilfsprogramme, In der ersten Zeile steht ein 8 Texteditor, der bereits genannte Personal Planer, ein Druckertreiber und ein Terminal-Programm. In der zweiten Zeile finden die ASCII-Tabelle, ein Taschenrechner, ein Speicher- und Diskettenmonitor sowie ein Makro-Prozessor Platz. Die Module in der dritten Zeile bieten ein Hilfsprogramm zum Verschieben, Umbenennen etc. von Dateien, ein Kopier- und Formatier-Programm, eine RAM-Disk und die Uhr- und Wecker-Einstellung. Die letzte Zeile faßt systembezogene Module zusammen, wie RS232-Einstellung, Druckerspooler, Kontrollfeld und Systeminformationen zu Harklekin selbst. Alle Module weisen eine einheitliche Bedienung und ein weitgehend ähnliches Erscheinungsbild auf. Sie sind jeweils in einem Fenster untergebracht, das sich in den meisten Fällen frei auf dem Bildschirm plazieren läßt. Soweit sinnvoll, sind die üblichen Fensterelemente wie Rollbalken oder Schließfeld vorhanden. Die Bedienung erfolgt mit der Maus oder über Tastaturkürzel.

Harlekin zeigt seine Tricks auf allen ST-Modellen. Da seine Module jedoch eine feste Speicherplatzzuteilung benötigen, ist der Betrieb erst ab 1 MByte Speicher zu empfehlen. Einen üblen Streich spielt Harlekins Speicherhunger: Das Accessory ist mit 133 KByte sehr groß. Mit einer vernünftigen Einstellung für die einzelnen Module beansprucht es leicht 200 KByte. Der zweite schlechte Streich: Harlekin arbeitet zwar mit allen TOS-Versionen zusammen, unterstützt dabei aber weder einen Farbmonitor noch einen Großbildschirm. Gerade die im Handbuch so oft angesprochene Zusammenarbeit mit »Calamus« ist ein Grund, hier schnell für Abhilfe zu sorgen.

Doch nun zu den einzelnen Modulen. Das wichtigste ist der Personal Planer, kurz PP, ein Terminkalender mit einer gehörigen Portion Datenbank und einer kräftigen Einlage Textverarbeitung. Vorbild dieses Moduls sind die Sammelbücher der Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts, die »Kollektaneen«. Hier faßten die Schreiber alle Notizen, Bemerkungen, Termine und längeren Texte oder Briefe zusammen, mit denen sie den ganzen Tag zu tun bekamen. Der Personal Planer von Harlekin setzt diese Idee gut um und bietet über ein normales Buch hinaus eine Menge Komfort durch den Computer. So sind alle Einträge in den PP in einer Liste gespeichert und mit dem aktuellen Datum und der Uhrzeit der Eingabe verknüpft. Verfügt der Computer nicht über eine eingebaute Uhr, verlangt Harlekin bereits beim Start eine entsprechende Eingabe. Die Länge der Einträge ist nur durch die Zuteilung des Speicherplatzes für dieses Modul beschränkt. So erfaßt und verwaltet der PP große Projektbeschreibungen oder lange Texte. Beim Erfassen hilft die auch als eigenständiges Modul verfügbare Textverarbeitung, zum Verwalten dienen maximal 18 verschiedene Symbole, die sich jedem Eintrag zuordnen lassen. In der Listendarstellung wählen Sie über die Symbole aus, welche Einträge der PP anzeigen soll. Per Maus oder Funktionstaste gelangen Sie von der Listendarstellung in den Terminplänen <F1> ruft einen Tagesplan auf. Hier sehen Sie im Stundenraster Ihre Termine. <F2> zeigt die Monatsübersicht mit den ersten Terminen jedes Tages, und <F3> sorgt für sinnvolle Urlaubsplanung im Jahresüberblick. Hier sind Wochenenden gekennzeichnet, und für jeden Tag sehen Sie die Zahl der eingetragenen Termine. Über eine logische Verknüpfung der dargestellten Symbole stellt der PP nur die gewünschten Einträge dar. Mit dem mitgelieferten Konfigurationsprogramm verändern Sie die Symbole des PP oder zeichnen neue. Besonders praktisch: Durch Kombination mit der Maskensuche definieren Sie eine oder mehrere Textteile, die in den gezeigten Datensätzen Vorkommen. Ein neues programmtechnisches Kunststück stellen die Pull-Down-Menüs innerhalb des PP-Fensters dar. Hier sind z.B. Befehle zum Laden und Speichern sowie Löschen von Daten oder allgemeine Informationen untergebracht. Die Bedienung unterscheidet sich von der Atari-üblichen Form und ist identisch mit der des Macintosh. Fahren Sie auf das Menü und drücken die linke Maustaste, klappt das Feld herunter. Wählen Sie bei gedrückter Taste den gewünschten Befehl und lassen die Maustaste wieder los.

Persönlicher Helfer

Diese kleine Umstellung zeigt das Fabel der Programmierer für den Mac. Insgesamt ist die Idee des Personal Planer sehr gut verwirklicht. Das Modul arbeitet äußerst flexibel. Allerdings wäre mir ein echtes Datenbankmodul für bestimmte Anwendungen doch lieber, als die Verknüpfungen über Symbole. Laut Handbuch gab es in früheren Entwicklungsversionen von Harlekin ein solches Modul. Dieses fiel der Symbolerkennung des PP zum Opfer - schade. Wenden wir uns dem Texteditor zu. Er ist nicht nur innerhalb des PP für die Texterfassung zuständig, sondern auch als eigenständiges Modul vorhanden. Eigentlich unnötig, da in beiden Fällen alle Befehle verfügbar sind. Der Texteditor arbeitet im Einfügemodus und beherrscht den automatischen Zeilenumbruch. Die Zeilenlänge läßt sich auf maximal 240 Zeichen einstellen. Die Textlänge begrenzt nur der freie bzw. zugeteilte Speicher. Es ist immer nur ein Text verfügbar. Zur Not weichen Sie in den Personal Planer aus, dort gibt es durch Zuordnung verschiedener Termine bei der Textzahl keine Einschränkungen. Die Bedienung des Editors erfolgt mit der Maus oder vollständig über die Tastatur. Arbeitsgeschwindigkeit und Scrollverhalten sind sehr gut. Sie stehen »Tempus« kaum nach: Für das Durchscrollen von 8 KByte Text per »Pfeil nach unten« benötigt Tempus knapp 5 Sekunden, Harlekin knapp 6 Sekunden, ein in der Praxis bedeutungsloser Unterschied.

Zum Ausgleich beherrscht Harlekin ein neues sinnvolles Kunststück mit der Maus: Halten Sie die linke Maustaste in der obersten oder untersten Zeile länger gedrückt, scrollt der Text sehr schnell in die entsprechende Richtung. Drücken Sie gleichzeitig die rechte Maustaste, verlangsamt sich das Scrollen stark. Nach Loslassen der rechten Maustaste geht es im alten Tempo weiter. So können Sie lange Texte sehr schnell überfliegen und nach einer bestimmten Textpassage durchsuchen. Der Texteditor verfügt über die üblichen einfachen Blockfunktionen wie Markieren, Verschieben, Kopieren und Drucken. Dazu unterstützt er das Suchen und Ersetzen von Zeichenketten. Eine Unterscheidung nach Wörtern ist vorgesehen. Als Besonderheit bietet der Editor die Umwandlung von Tabulatoren in Leerzeichen und umgekehrt. Damit bereiten Sie »1st Word plus«-Dokumente direkt für Calamus auf. Der Vorteil: Ein Calamus-Text läßt sich über das 1st Word plus-Format exportieren. Dann aus Calamus Harlekin aufrufen, den Text verändern, konvertieren, speichern und wieder nach Calamus importieren, ohne das DTP-System zu verlassen. Das größte Plus von Harlekin: seine Reset-Festigkeit. Der Helfer bewahrt alle Daten, Termine und Texte und schützt sie vor überraschenden Bombenwürfen, etwa von Calamus. Doch auch die anderen Funktionen von Harlekin tragen zum guten Gesamteindruck bei. Sie arbeiten zuverlässig und ergänzen meist sinnvoll das Betriebssystem. Da ist die File-Selector-Box zu nennen, die sich in das Betriebssystem einklinkt und damit in fast allen Anwenderprogrammen zur Verfügung steht. Sie ist gegenüber der normalen Box stark erweitert und auch über die Tastatur zu bedienen. In vielen Textverarbeitungen ein deutlicher Schritt in Richtung Komfort. Auch viele Einschränkungen des Betriebssystems im Hinblick auf Kopieren, Formatieren, Umbenennen und Verschieben von Dateien überwinden die entsprechenden Module von Harlekin. Eine Reihe von einzelnen Accessories sind durch Harlekin überflüssig. Dazu gehören Taschenrechner, ASCII-Tabelle, Kontrollfeld, Drucker- und RS232-Einstellungen. All diese Anwendungen bietet auch Harlekin, z.T. sogar erweitert, wie der Druckerspooler beweist. Auch eine RAM-Disk stellt Harlekin zur Verfügung. Sie sichert ihren gesamten Inhalt in einer Datei und lädt sie bei der Installation automatisch. Die letzten drei Module sind nur eingeschränkt zu loben. Zunächst der Makroprozessor. Er gestattet via Tastaturkürzel den Zugriff auf beliebige Tastenfolgen oder ruft Sonderzeichen über die aus der MS-DOS-Welt bekannte <Alternate-Ziffern>-Kombination auf. Bei manchen Programmen, die eigene Makros verwalten, kommt es zu Schwierigkeiten. Das Handbuch nennt als Problemfall die Kombination Harlekin und »Redakteur«, die französische Textverarbeitung. Trotzdem ist dieses Modul eine wertvolle Hilfe. Die beiden anderen Module sind der Speicher- und Diskettenmonitor sowie das eingebaute Terminalprogramm. Bei beiden Teilen frage ich mich, in welcher Anwendung diese Programme als Accessory verfügbar sein müssen. In beiden Modulen ist die Ausstattung spärlich und ersetzt in keiner Weise einen vollwertigen Vertreter der entsprechenden Gattung wie z.B. »Diskus«, »Flash« oder »Interlink«. Hier scheint der Wunsch nach möglichst großer Modulzahl den Blick für die notwendigen Realitäten getrübt zu haben. Mir wäre eine Park-Funktion für die Festplatte wichtiger als das Ter-minalprogrämmchen. Eine abschließende Gesamtbewertung fällt aufgrund der vielen verschiedenen Module schwer.

Der Atari ST avanciert durch Harlekin zu einem Multitalent

In Anbetracht des Preises von 129 Mark sollte sich jeder Anwender sehr genau überlegen, ob er den Harlekin wirklich benötigt.

Streiche ich alle Funktionen, die ich nicht brauche (Terminal, Monitor, Kontrollfeld, allgemeine Systemeinstellungen) und werte dagegen den äußerst nützlichen Personal Planer, den Makroprozessor, die neue File-Selector-Box und die fast immer verfügbaren Dateioperationen, dann entscheide ich mich zu einem zögerlichen »Ja«. Immerhin benötige ich einen »Snapshot« und eine Park-Funktion zusätzlich.

Auch eine kleine Datenbank könnte ich gebrauchen. Dringend anzuraten ist den Programmierern die Anpassung an Farbe und beliebig große Bildschirme. Das Handbuch sollte in Teilen erweitert werden, z. B. fehlt eine Anleitung zur Programmierung von Makros.

Große Funktionsvielfalt: Bis zu sieben Fenster erlaubt Harlekin.

Das Kernstück des Programms: Mit dem Personal Planer kommt endlich Ordnung und Übersicht ins Termin- und Notizen-Chaos.

Die neue File-Selector-Box ist auch über die Tastatur zu bedienen. In anderen Programmen fallen die Auswahlliste rechts und die Dateioperationen unten weg

Das Konfigurationsprogramm erlaubt neue Zeichensätze und sorgt für die Organisation und Speicherzuteilung von Harlekin

WERTUNG

Name: Harlekin
Preis: 129 Mark
Hersteller: Maxon

Stärken: □ Resetfestes Multi-Accessory □ sehr guter und flexibler Terminplaner und Texteditor □ leistungsfähiger Makroprozessor

Schwächen: □ sehr hoher Speicherbedarf □ nicht auf Großbildschirm lauffähig □ etwas hoher Preis

Fazit: Sehr guter und flexibler Terminplaner mit etwas unnötigem Beiwerk


Wolfgang Klemme
Aus: TOS 06 / 1990, Seite 43

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