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Big Busy Business

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Eine gute Fakturierung spart im mittelständischen Betrieb viel Arbeitszeit. Die Verwaltung von Kunden, Rechnungen und Mahnungen erledigt heutzutage Kollege Computer. Nicht jede Fakturierung ist jedoch für jeden Unternehmer geeignet. TOS hat deshalb drei neue Softwarepakete unter die Lupe genommen.

Von Michael Spehr Im Grunde genommen ist alles ganz einfach: Eine Fakturierung besteht aus mehreren Programmodulen: der Kunden- oder Adreßverwaltung, der Artikel- oder Lagerdatei und der eigentlichen Fakturierung zum Schreiben von Angeboten, Lieferscheinen, Rechnungen, Gutschriften und Mahnungen. Beim Fakturieren fließen, bildlich gesprochen, Datensätze aus Artikeldatei und Kundendatei ineinander. Nehmen wir das Beispiel einer Rechnung: Die Rechnungsanschrift stammt aus der Kundendatei, die einzelnen Rechnungsposten aus der Artikelliste. Ist die Rechnung fertig, aktualisiert die Faktura die Artikeldatei, indem sie den Bestand um die einzelnen Posten verringert, die Umsatzzahl pro Artikel erhöht und gegebenenfalls eine Warnmeldung »Sollbestand unterschritten« ausgibt. Gleichermaßen vermerkt sie auf der »Karteikarte« des jeweiligen Kunden die Bestellung bzw. den Umsatz und speichert den gesamten Vorgang bis zum Zahlungseingang als »Offenen Posten«, als unbezahlte Rechnung. Eine Faktura ist also eine Verknüpfung mehrerer Datenbanken untereinander.

Ganz einfach, wie gesagt. Die graue Theorie sieht in der Praxis freilich anders aus: Wie effektiv man mit einer Fakturierung tatsächlich arbeitet, hängt von vielen Faktoren ab. Ist die Kunden- und Artikelerfassung logisch aufgebaut? Vermeidet das Programm überflüssige Fehleingaben? Gibt die teure Software jederzeit zu erkennen, welcher Vorgang erledigt ist und welcher noch nicht? Findet man Artikel oder Kunden schnell und zuverlässig wieder?

TOS hat in einem mehrwöchigen Test drei neue bzw. in neuen Versionen vorliegende Fakturierungen aus jeder Preisklasse untersucht. Neben dem teuren Spitzenmodell »MegaFakt« (1500 Mark) auch die Faktura für den Handwerksbetrieb namens »Harofakt« (600 Mark) und schließlich den Junior »Virgil«, der zu einem Kampfpreis von lediglich 100 Mark auf dem Prüfstand eintraf. Gerne hätten wir Ihnen an dieser Stelle auch »Argus professional« der Firma Ideart vorgestellt. Bis zum Redaktionsschluß traf jedoch kein Rezensionsexemplar bei uns ein. Zwei Tele-faxe blieben unbeantwortet. Selbstverständlich vergleichen wir Atari-Software nur mit ihresgleichen. Eine »Faktura aus der Oberklasse« will heißen, daß die Fakturierung so viel bietet wie die besten Fakturierungssysteme für den Atari ST. Riskiert man allerdings aus der Vogelperspektive einen Blick auf andere Betriebssysteme und deren Fakturierungssoftware, dann ergibt sich ein anderes Bild: An vielen Stellen fehlt es der Atari-Software noch an Professionalität, Leistungsfähigkeit und Bedienerfreundlichkeit. Keines der hier getesteten Pakete könnte ein international tätiges Unternehmen mit 10.000 Kundenanschriften aus dem europäischen Raum auch nur annähernd zufriedenstellen.

Insgesamt zu sehr eingeschränkt

Manche Faktura hinterläßt vielmehr den Eindruck, als habe der Programmierer bewußt davor zurückgeschreckt, einen Blick über den Tellerrand des Ein-Mann-Be-triebes in Klein-Kleckersdorf zu werfen. Da könnte einem ja eine ausländische Postleitzahl oder der Europäische Binnenmarkt entgegen kommen. Dafür nur einige Beispiele:

  • Kaum ein Programm ist in der Lage, das »Blumenhaus Schmidt« sowohl korrekt auszudrucken als auch in der korrekten Sortierreihenfolge einzuordnen. Entweder gibt man »Schmidt Blumenhaus« für die richtige Ausgabe unter dem Buchstaben »S« ein. Dann stimmt die Anrede auf Rechnungsformularen und Etiketten nicht mehr. Oder aber man entscheidet sich für die umgekehrte Eingabereihenfolge »Blumenhaus Schmidt« und findet die Firma später in der Listendarstellung nur unter »Blumenhaus«.
  • Keine Fakturierung enthält eine wirklich funktionierende Verwaltung von Postleitzahlen, Orten, Vorwahlnummern und vor allem Ländern. Daß es im Ausland andere, und vor allem längere Postleitzahlenformate gibt, scheinen deutsche Programmierer nicht zu wissen. Überhaupt ist der Europäische Binnenmarkt für die meisten Fakturierungen ein ernstes Problem: Da fehlen ausreichend viele Mehrwertsteuersätze, ausländische Währungszeichen und Wechselkursumrechnungen.
  • Auch zum formlosen Schreiben gehört eine korrekte Anrede. Geht der Angebotstext nach Frankreich, ist ein »Sehr geehrte Damen und Herren« sicherlich fehl am Platz. Keines der hier vorgestellten Programme verfügt über eine Anredeverwaltung.
  • Selbst kleinere Firmen besitzen inzwischen Mobiltelefon, BTX-Anschluß oder Telex. Kein Programm aus unserer Testreihe ist in der Lage, derartige Sonderdienste angemessen zu verwalten.
  • Daß man bei einer mittelgroßen Firma in der Regel mehrere Ansprechpartner (zum Beispiel die Beschaffungsabteilung, den Vertrieb oder die EDV-Zentrale) zu verwalten hat, berücksichtigt ebenfalls keine der hier vorgestellten Fakturierungen.
  • Eine automatische Vergabe von Kundennummern mit unterschiedlichen Nummernbereichen für verschiedene Personenarten (Händler, Lieferant, Kunde, Interessent) ist noch keinem Atari-Programmierer in den Sinn gekommen. Daß man solchermaßen eine besonders gute Schnittstelle zu den Kontenrahmen und Kontenplänen gängiger Finanzbuchhaltungen hätte, wäre ein angenehmer Nebeneffekt, auf den der Atari-Anwender freilich verzichten muß.

Doch nun genug der Kritik. Wie gesagt, wir messen Atari-Programme nur an ihresgleichen, denn im rechnerübergreifenden Vergleich wäre die Atari-Software dieser Sparte klar abgeschlagen. Auf den folgenden Seiten finden Sie eine kurze Vorstellung jedes Programms. Allein aus Platzgründen kann ein solcher Vergleichstest nicht jede einzelne Funktion der Testkandidaten in gebotener Länge darstellen. Wir entschieden uns deshalb, das Augenmerk vor allem auf die (am häufigsten verwendete) Kunden- und Artikelverwaltung sowie den eigentlichen Fakturierungsvorgang zu richten. (wk)