Sleepwalker

Daß Schlafwandeln auch Spaß machen kann, beweisen Dreikäsehoch Lee und sein Schoßhündchen Ralph.

Tagsüber zieht das herzige Pärchen zusammen los. In der Nacht aber geht Steppke eher unfreiwillig allein auf Reisen. Denn Lee ist Schlafwandler. Wenn der Knirps mit den Armen voraus umherirrt, gibt er einprächtiges Ziel für Autofahrer und herumstreunende Tiere ab.

Zum Glück merkt Ralph die Ausflüge seines Herrchens und bläst zur Rettungsaktion. Wer den originellen Geschicklichkeitstest der englischen Lizenzspezialisten Ocean das erste mal lädt, darf sein Glück als Kinderlotse zunächst auf einem Trainingsparcours versuchen. Wie ein Lemming läuft Lee über die Dächer. An Mauern macht der störrische Wandersmann kehrt. Am unteren Bildschirmrand verrät das »Schlafometer«, wie tief der gute Junge noch in seinen Träumen schwelgt. Purzelt das liebevoll animierte Sprite vom Dach, kommt er dem Aufwachen ein Stückchen näher. Bei Berührung mit Wasser ist eines der wahlweise drei oder fünf Leben futsch. Ralphs Aufgabe ist einzig und allein, sein Herrchen zum Ausgang des Levels zu bugsieren. Der schlaue Hund rennt flink über den Bildschirm und räumt Hindernisse aus dem Weg.

Ocean wollte beim Scrolling keine Kompromisse mit der antiquierten Standard-Hardware eingehen. Daher kommt der Sleepwalker ausschließlich auf STEs auf Touren. Durch die gewagte Selbstbeschränkung auf Rechner neueren Datums entfällt aber nicht nur die gefürchtete Ruckelpartie: Diskette Eins beherbergt ein zeichentrickmäßiges Intro, dem der englische Starkomiker Lenny Henry seine Stimme leiht. Gute Unterhaltung steht überhaupt im Vordergrund:

Ralph packt seinen Besitzer kinoreif am Nachthemd und schubst ihn in die gewünschte Richtung. Ein beherzter Tritt in den Hintern befördert den Schlafwandler auf höhere Plattformen. Da Lee selbst nicht springen kann, spielt Ralph »Brücke«. Zwischendurch bleibt immer ein bißchen Zeit zur Erkundung des Levels: In der Nachbarschaft entdeckt der Spieler Aufzüge, die das Gespann dem Ziel ein gutes Stück näherbringen. Wer genau hinschaut, liest auf seinem Weg rote Nasen auf. Ergeben die Buchstaben das schöne Wörtchen Bonus, landet Ralph am Ende des aktuellen Abschnitts in einer Extrarunde. In der Luft schweben auch Buchstaben herum. Gute Englischkenntnisse vorausgesetzt setzt man aus ihnen die Lösung eines kniffligen Worträsels zusammen. Schon rattert das Diskettenlaufwerk los, um eine witzige Animationssequenz in den Speicher zu schaufeln.

Mit derlei Trickeinlagen macht Ocean aus den sechs Levels eine abwechslungsreiche Odysee durch die nächtliche City. Lee verirrt sich in den Zoo, wo Ralph Bekanntschaft mit aggressiven Affen macht. Mit dem Baseballschläger hält der Vierbeiner die Angreifer seinem Schützling vom Leib. Schön langsam ziehen die Programmierer den Schwierigkeitsgrad an und bringen neue Elemente in den Spielablauf. Auf dem Friedhof angekommen gilt es, die Vampire zurück in ihre Särge zu schicken. Dazu benötigt unser turboschnelles Rettungskommando aber erst einmal ein Kruzifix... Doch Sleepwalker bannt ohnehin nur ausgewachsene Joystickartisten vor den Bildschirm. Wer auf Grund der kauzigen Grafik ein Jump und Run mit jeder Menge Taktik erwartet, wird enttäuscht: Ralphs Künste machen die tadellos präzise Steuerung ein wenig zu unkompliziert für eine schnelle Runde zwischendurch. Immerhin bleibt unbegrenzt lange Zeit für den Lotsendienst. Überdies entschädigt die comicbuchartige Grafik für so manches Frusterlebnis: Ob im Tierpark oder auf einer menschenleeren Baustelle, überall verstecken sich lieblich animierte Widersacher und Abwasserkanäle. Am tadellosen Acht-Wege-Scrolling - ab und zu sogar in mehreren Ebenen - gibt es ohnehin nichts zu bekritteln. Auch mittelfristig täuscht die perfekte Aufmachung über etliche gemeingefährliche Stellen und Langatmigkeiten in den durch Wiederholungen aufgeblasenen Levels hinweg.

Drahtseilakt: Mit sanfter Gewalt und Gefühl

94

Absturzgefahr: Da gehts lang

Rettung in letzter Sekunde: Ralf als »Sprungtuch«

Neben solidem Spaß bietet Sleepwalker dem potentiellen Käufer die Chance für ein gutes Werk: Umgerechnet zehn Mark vom Verkaufspreis kommen der englischen Hilfsorganisation Comic Relief zugute. Im Gegenzug hatten die Designer Mitleid mit entnervten Gelegenheitsspielern. Gibt man im Titelbild das Bandwurmwort DINGADING-DANGMYDANGALON-GLINGLONG ein, laufen die Nasen der zwei Helden giftgrün an. Später im Spiel genügt ein Druck auf die RETURN-Taste zum Sprung in den nächsten Abschnitt. Wenn das kein Service ist...(ua)

WERTUNG

Sleepwalker

F030:QTT: OSTE: BfsrQ
Hersteller: Ocean
Genre: Geschicklichkeit 5 von 6

Grafik: 4 von 6
Sound: 3 von 6
Idee: 5 von 6
Motivation: 5 von 6


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Magazin 08 / 1993, Seite 94

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