Digitale Datenströme

Datenfernübertragung ist bei Computerbesitzern fast ebenso selbstverständlich wie das Telefonieren. Wir sagen Ihnen, was sie zum erfolgreichen Einstieg brauchen.

Keine Frage, das Zeitalter der digitalen Kommunikation hat schon lange vor ISDN begonnen. Vor rund 10 Jahren kamen die ersten Akustikkoppler auf den Markt, die auch dem Heimanwender die Welt rauschender Bits und Bytes über heiße Telefondrähte eröffnete. Doch die ersten Schritte waren dann weniger einfach, denn die Störanfälligkeit von Akustikkopplern ist hoch: ein zu lautes Wort oder Husten, und die Verbindung mit der Mailbox ist beendet. Überhaupt war es gar nicht so einfach, einen solchen elektronischen Briefkasten in der näheren Umgebung zu finden. Mailboxen gab es nur in selbstprogrammierter Form und um Anrufe entgegenzunehmen, wurden zum Teil abenteuerliche mechanische Hilfsmittel verwendet.

In groben Zügen beschrieben, lief das folgendermaßen ab: Der Telefonhörer liegt in den Muffen des Akustikkopplers, während die Gabel von einem »Telefonkran« à la Fischertechnik unten gehalten wird. Bei einem eingehenden Anruf wird das Klingeln mit Hilfe er einer Induktionsspule erkannt und die Gabel freigegeben: die Verbindung ist hergestellt. Wahrlich keine einfache Methode, so daß die Mailboxbetreiber in der damaligen Zeit fast immer auch technisch versierte Freaks sein mußten.

Kam Zeit kamen Modems. Die ersten 300- und 1200-bps-Modems erreichten 1985 den deutschen Privatanwender. Modems bescherten neue Geschwindigkeiten, sichere Verbindungen und einen ungeahnten Komfort, aber die Preise waren anfänglich noch gesalzen: ein 1200-bps-Modem schlug 1986 mit etwa 500 Mark zu Buche. Wie bei Computertechnik üblich, sanken die Preise, sobald leistungsfähigere Geräte auf den Markt kamen. Lange Zeit waren Modems mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 2400 bps der Standard schlechthin. Seit etwa zwei Jahren sind Highspeed-Modems mit 14 400 bps und mehr erschwinglich geworden. Die DFÜ-Szene erlebte wiederum einen Wechsel der Standard-Geschwindigkeit. Highspeed-Modems sind ohne Postzulassung bereits unter 600 Mark zu bekommen.

Soweit der Rückblick in die Geschichte der DFÜ. Als Leser des ST-Magazins haben Sie schon häufiger Verweise auf Mailboxen gelesen oder sich bei DFÜ-spezifischen Soft- oder Hardwaretests gefragt, was für einen Einstieg in die DFÜ notwendig sei. In diesem Beitrag möchten wir versuchen, Ihnen die Antworten auf diese Fragen zu geben. Außerdem werden wir Ihnen einige Grundlagen der DFÜ näherbringen.

Um DFÜ betreiben zu können, benötigen Sie neben dem Computer auch ein Modem. Das ist ein Gerät, das - vereinfacht ausgedrückt - Daten in Töne und umgekehrt wandelt. Das Modem wird an der seriellen Schnittstelle Ihres Ataris angeschlossen, ein Kabel zwischen Telefondose und Modem sorgt für den Kontakt nach draußen.

Zutaten

Wie Sie dem kurzen historischen Rückblick entnehmen konnten, gibt es Modems mit verschiedenen Übertragungsgeschwindigkeiten. Die Übertragungsgeschwindigkeit wird in »bps« (bits per second/Bit pro Sekunde) angegeben. Fälschlicherweise wird auch häufig der Begriff »Baud« verwandt, der jedoch die übertragenen Signale pro Sekunde ausdrückt (Schrittgeschwindigkeit). Sollte Ihnen also jemanden erzählen, sein Modem habe 14 400 Baud, können Sie sicher sein, daß Sie es mit einem Opfer der Begriffsverwirrung zu tun haben. Die Übertragungsrate wird mit »eps« angegeben (character per second/Zeichen pro Sekunde), also übertragenen Buchstaben oder Ziffern. Modems mit 2400 bps haben einen Datendurchsatz von etwa 250 cps, was jedoch maßgeblich von Qualität der Telefonleitung, Art der übertragenen Daten und Einsatz von Fehlerkorrektur und Datenkomprimierung abhängt. Mit einem 2400-bps-Modem benötigen Sie für die Übertragung von 100 kByte etwa sieben Minuten.

Freie Fahrt

Damit sind wir dann auch schon bei der Frage, welche Übertragungsgeschwindigkeit empfehlenswert ist. Zum einen hängt dies davon ab, was Sie mit dem Modem machen möchten. Für gelegentliche Anrufe in einer lokalen Mailbox reicht ein Modem mit 2400 bps aus, zur Teilnahme an einem Mailboxnetz, beispielsweise dem MausNet, ist ein Modem mit einer Geschwindigkeit von mindestens 9600 bps empfehlenswert, 14 400 bps sind zur Zeit Standard. Modems der Firmen ZyXel, USR und Telebit erreichen durch spezielle, firmenspezifische Modi Übertragungsraten von teilweise mehr als 21000 bps, jedoch müssen dann die miteinander korrespondierenden Modems vom gleichen Hersteller sein. Der ZyXel-Mode mit 16 800 bzw. 19 200 bps ist recht weit verbreitet. Standard jedoch ist v.32bis mit 14 400 bps. In Anbetracht der Tatsache, daß ein 14 400-bps-Modem bereits ab 600 Mark (die Qualität steigt mit dem Preis) zu haben ist, ein Gerät mit 2400 bps um 300 Mark kostet, ist die Anschaffung eines 14 400er Modems zu überlegen. Diese Modems haben in aller Regel auch eine Fax-Option, das heißt, sie können Faxe mit Ihrem Atari empfangen und verschicken. Für den Versand bzw. Empfang von Faxen benötigen Sie eine entsprechende Software. Im kommerziellen Markt dominieren die Programme »QFax« und »Tele Office«.

Für den ganz normalen DFÜ-Betrieb, das heißt dem Anrufen in einer Mailbox, brauchen Sie ebenfalls entsprechende Software. Das Zauberwort heißt Terminalprogramm. Vereinfacht ausgedrückt ist es ein Dolmetscher zwischen Ihnen und dem Modem. Terminalprogramme gibt es sowohl auf dem kommerziellen als auch auf dem PD- bzw. Sharewaremarkt. Bei dieser Softwarespezies haben es kommerzielle Anbieter bis heute nicht geschafft, ein Terminalprogramm auf den Markt zu bringen, welches leistungsfähiger als eines der Sharewareprodukte ist.

Jahrelang war »Rufus« von Michael Bernards der Standard schlechthin. Zu Beginn vergangenen Jahres erschien eine erste Version von Wolfgang Wanders »Connect«, das die Anwenderherzen höher schlagen ließ. Connect hat binnen kurzer Zeit einen neuen Maßstab gesetzt, mit dem sich bisher kein Terminalprogramm messen kann. Connect finden Sie in jeder Box des MausNets sowie in vielen anderen Mailboxen.

Briefkasten

Mailbox: Was ist das eigentlich? Zuerst einmal besteht eine Mailbox aus einem Computer, einer speziellen Software und einem Modem. Die Software, einfach als Mailboxprogramm bezeichnet, wartet, bis das Modem einen Anruf signalisiert. Dann läßt die Software das Modem »abheben« und seinen »Carrier« senden. Den Carrier stellen Sie sich am besten als Begrüßung vor, bei der sich die beiden Modems auf eine gemeinsame Übertragungsgeschwindigkeit einigen. Das schnellere Modem paßt sich dem langsameren an. Sind sich die beiden Geräte einig, wird wieder das Programm aktiv. Stellen Sie sich eine Mailbox wie eine Datenbank vor, nur, daß sämtliche Ausgaben, die normalerweise auf den eigenen Computer ausgegeben werden, über das Modem an Ihren Rechner gesendet werden. Sie können den Computer auf der Gegenseite über Eingaben auf Ihrer Tastatur bedienen. Ihre Eingaben werden via Modem übermittelt. Die Bedienung einer Mailbox kann verschieden sein: Einige Programme haben DOS- oder UNIX-ähnliche Befehle, andere werden ebenfalls mit Befehlseingaben gesteuert (aber in Deutsch und in Klartext) und wieder andere Systeme sind Menüorientiert. Bei solchen Mailboxen brauchen Sie lediglich einen Buchstaben oder eine Zahl einzugeben um eine Funktion auszulösen. So arbeiten beispielsweise die Boxen des MausNets und sind so auch für Neueinsteiger problemlos zu bedienen.

Bretter und Gruppen

In der Mailbox stehen Nachrichten und meistens auch Programme zum Abruf bereit. Stellen Sie sich eine Mailbox wie einen Verbund vieler Ablageschalen vor. In jeder dieser Schalen liegen Nachrichten zu einem bestimmten Thema, die von Benutzern der Mailbox geschrieben und von anderen »Usern« abgerufen werden können. Diese Ablageschalen werden als Bretter, Areas oder Gruppen bezeichnet. Gemeint ist damit immer dasselbe. Zusätzlich haben Sie ein persönliches Ablagefach, in das Ihnen andere Benutzer Nachrichten legen können, die nur Sie lesen können. In jeder Mailbox müssen Sie sich nämlich mit einem Namen (je nach Mailbox mit einem Pseudonym oder Ihrem echten Namen) und einem Paßwort eintragen. So ist gewährleistet, daß nur Sie an Ihre persönliche Post kommen. Neben den Nachrichten-Fächern gibt es in fast jeder Mailbox auch einen Programmteil. Entweder ist dieser ähnlich wie eine Nachrichten-Fach aufgebaut, nur daß dort eben keine Texte sondern Programme liegen oder er besteht aus einem großen »Pool«. Jedes Programm hat seinen eigenen Namen und in der Regel auch eine Kurzbeschreibung. Es handelt sich in der Regel um Shareware, Listings oder auch Informationstexte.

Netze

So verlockend es ist, via Telefonleitung Programme geschickt zu bekommen, sollte die Kommunikation mit anderen Benutzern im Vordergrund stehen. Sie können an öffentlichen Diskussionen teilnehmen, anderen Usern Briefe schreiben, Fragen stellen und vieles mehr. Richtig interessant wird das ganze erst, wenn mehrere Mailboxen miteinander verbunden sind. Dann ist es möglich, einem Benutzer einer anderen Mailbox zu schreiben oder an mailboxübergreifenden Diskussionen teilzunehmen. Solche Mailboxverbunde werden als »Netze« bezeichnet. Die Boxen eines Netzes tauschen einmal oder mehrmals täglich untereinander nach einem ausgeklügelten System alle öffentlichen und privaten Nachrichten aus.

Die Laufzeiten der Nachrichten sind je nach Netz sehr unterschiedlich. Im MausNetz beispielsweise sind Nachrichten nur einen Tag unterwegs, im FidoNet sind es im Inland schon einmal drei Tage, bei Auslandsnachrichten können Sie im FidoNet auch Wochen einkalkulieren. Sie merken, in einem schnellen Netz sind elektronische Briefe in aller Regel schneller als die gelbe Post - und billiger. Der Austausch von Nachrichten ist nicht auf ein Mailboxnetz beschränkt, sondern Sie können auch Post an Teilnehmer anderer Netze schicken. Sogenannte Gateways sorgen für den Transport der Nachrichten. Die Laufzeiten können sich hierbei etwas verzögern, aber dies hängt maßgeblich vom Netz ab. Beispielsweise benötigt eine persönliche Nachricht aus dem Maus-Net an einen Teilnehmer des InterNets (an das nahezu alle Universitäten angeschlossen sind) innerhalb Europas selten länger als 24 Stunden.

Wie teuer?

Das Hobby DFÜ hat den Ruf, Unmengen an Geld zu verschlingen. Letztlich hängt das von Ihrer Disziplin ab. Wenn Sie beginnen, mit Ihrem Modem Programme aus weit entfernten Mailboxen auf Ihren Rechner zu holen, dann haben Sie auch eine dementsprechende Telefonrechnung. An Kosten fallen zunächst nur die normalen Telefoneinheiten an. Einige Mailboxen verlangen einen jährlichen Mitgliedsbeitrag, damit Sie alle angebotenen Dienste im vollen Umfang nutzen können. Im Maus-Net beträgt der Jahresbeitrag 30 bis 50 Mark, das entspricht 2,50 bis 4,20 Mark pro Monat. Dafür können Sie dann beispielsweise beliebige Mengen an persönlichen Nachrichten verschicken und haben Zugriff auf nahezu alle Gruppen (themenbezogene »Ablagefächer« für Nachrichten).

Hacker

Viele Normalverbraucher hegen den Verdacht, daß DFÜ-Freaks ständig damit beschäftigt seien, illegalerweise in Computer von Banken, Regierungseinrichtungen und Rüstungsfirmen einzudringen. Das ist natürlich Unsinn. Solche Vorkommnisse sind so selten, daß eine Verallgemeinerung schlicht eine Erfindung von Fernsehen und Telekom ist. Schließlich ist auch nicht jeder Autofahrer ein Bankräuber, nur weil Bankräuber meistens zur Flucht ein Auto benutzen.

Ein etwas heikler Punkt dagegen sind die nicht postzugelassenen Modems. Der Betrieb von Modems, die keine Zulassung durch die Prüfstelle der Post haben, dürfen nicht am Telefonnetz der Telekom betrieben werden. Durch diese Regelung entsteht das Kuriosum, daß ein Modem mit Postzulassung locker das doppelte wie das gleiche Gerät ohne die Zulassung kostet. In Zeiten, in denen mannigfaltige Geräte an die Telefondose gehängt werden dürfen (Telefone und Anrufbeantworter von Fremdanbietern), kann die Post nicht feststellen, ob Sie ein postzugelassenes oder ein Importmodem - die übrigens frei verkauft, aber nicht benutzt werden dürfen - betreiben. Ein klarer Fall für neue Richtlinien der EG, auf die die DFÜ-Benutzer sehnlichst warten.

Wir empfehlen Ihnen aber die Anschaffung eines Modems mit einer Postzulassung. Sie können dann mit gutem Gewissen Ihr neues Hobby betreiben, wenn dieses gute Gewissen auch durch einen hohen Anschaffungspreis und weniger Komfort bezahlt werden muß (Postzulassung ist z. T. mit Einschränkungen verbunden).

Soweit unsere kurze Einführung in die faszinierende Welt der DFÜ. In dieser Ausgabe des ST-Magazins finden Sie weitere Artikel zu diesem Thema. Sollten Sie weitergehende Fragen haben, können Sie uns gerne schreiben. Auf dem normalen Wege per Brief an die Redaktion oder - ganz im Zeichen der Zeit - als elektronische Nachricht. thl

Redaktion ST-Magazin, Stichwort »DFÜ«, Bretonischer Ring 13, 8011 Grasbrunn oder Michael Vondung @ LU im MausNet (von anderen Netzen mit Gateway ins InterNet an mv@lu.maus.de). Die Maus Ludwigshafen ist rund um die Uhr erreichbar. In den Abendstunden steht außerdem Sysop Olaf Boos zur Verfügung, der Ihnen praktische Hilfe »vor Ort« bieten kann.


Michael Vondung
Aus: ST-Magazin 07 / 1993, Seite 30

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