Midi-Songs: Der Entertainer

Das Geschäft mit digitalen Noten blüht. Tanzbands, Top-40-Gruppen und Alleinunterhalter bestreiten mit Songs aus der Konserve mit Minimal-Aufwand einträgliche, bunte Abende.

Das Geschäft mit Midi-Song blüht

Längst hat die Diskette das Notenblatt abgelöst. Die Zeiten, als Musikverleger mit den Arrangements ihrer Musiker bewaffnet, Big Bands und Show-Orchestern aufsuchten, sind längst vorbei. Das moderne Verlagsgeschäft ist heute an Tantiemen und Gema-Abrechnungen interessiert. Daß jetzt in verstärktem Maße-auf einem grauen Markt findige Softwarehäuser per Midi-Songs mit den Hits ihrer Schutzbefohlenen Kasse machen, wurmt die Musikverleger. Und das Geschäft geht nicht schlecht. Auf der Frankfurter Musikmesse prügelten sich Besucher förmlich um die Disketten im Midi-Standard-Format. Die sind für Cover-Musikanten tatsächlich eine feine Sache, war es doch reichlich mühsam, ständig die letzten Hits Akkord für Akkord und Solo für Solo auszutüfteln. Seit sich der General Midi Standard etabliert hat, klingen die Songs auf jeder Midi-Anlage ohne weitere Anpassung fast »wie auf Platte«. Viele Keyboarder bestreiten mit einer gut bestückten Song-Bibliothek und geringem Aufwand einen ganzen Abend - bei Gagen bis zu 2000 Mark. Während der Atari im Hintergrund einen beachtlichen Sounds produziert, steuert der Entertainer Gesang und ein paar Solos bei. Mit dem On Stage-Midi File Player arbeitet der ST ganz unauffällig - sogar ohne Monitor. Canned Songs dienen einer neuen Generation von Computer-Musikern als Ausgangsbasis für eigene Arrangements. Tekkno-Freaks zerlegen vorproduzierte Midi-Arrangements und basteln aus diesem Material eigene Kompositionen. In der Kombination mit bespielten Audio-CDs und Samplern sind Midi-Songs der Stoff, aus dem sich Tekkno-Träume produzieren lassen.

Die Anbieter

Gut sortiert ist das Song-Lager von Geerdes. Die Arrangements im Midi-File-Format werden auf Atari-, Amiga- und MS-DOS-Disketten geliefert.

Einige tausend Kompositionen - jeden Monat erweitern 50 Neuerscheinungen den Katalog - sind in Geerdes Midimusic-Collection enthalten. Von Abba sind alle großen Hits von »Fernando«, über »S.O.S«, bis hin zu »Waterloo« und »Thank You for the Music« zu haben. Mit den rund 40 Beatles-Titel läßt sich alleine schon ein ganzer Oldie-Abend bestreiten. Selbst vor klassischen Genesis-Kompositionen schreckt das Geerdes-Team nicht zurück. Für Tanzbands kommen zwei Dutzend Michael Jackson-Songs und etwa ebenso viele Madonna-Hits wie gerufen. Neben »Internationaler Hits« gibt es eine Jazz & Swing-Ecke mit Glenn Miller, Miles Davis, Chick Corea und Duke Ellington-Klassikern. Die Midimusic-Collection ist auf Grenzfälle vorbereitet: das Naabtal Duo ist ebenso wie Nikki, Udo Jürgens und Howard Carpendale mit im Programm. Bei ernsten Anlässen können Sie Smetanas Moldau durchs Midikabel jagen oder zu einer frühklassischen Einlage wie Bachs »Brandenburgerisches Konzert« greifen. Die Songs können einzeln in jeder beliebigen Kombination bestellt werden. Ein Song kostet bei Geerdes 22.50 Mark. Wer 100 Songs kauft, zahlt pro Titel rund 10 Mark. Besonderer Service: 24 Stunden Lieferzeit.

Spezialist für Technics KN-Keyboard-Serie (KN770/ KN800/KN1000) ist das Stuttgarter Musikhaus Techni-Soft. Al Wonder programmiert das Enterainter-Keyboard so, daß die Sounds am KN 1000 neu kreiert werden. Damit können alle Möglichkeiten des KN 1000 genutzt werden. Der Speicherplatz für Composerplätze wurde restlos ausgereizt - der Sequenzer wird deshalb lediglich für die Melodie benötigt. Neben kompletten Songs bietet TechniSoft diverse Rhythmus-Arrangements. Alle Dateien sind auch als GS-Standard-Midi-File zu haben. Hier ein Auszug aus dem Angebot Technisoft 1: »Black or White« von Michael Jackson, »Let’s Talk About Sex« mit Salt’n Pepa, »Smoke On The Water« von Deep Purple, Led Zeppelin mit »Stairway to Heaven«. Oder Party 1-3 mit jeweils 30 Medleys aus 300 Songs speziell für Live-Gigs. Katalog und Demodisketten sind bei Techni Soft vorerst noch kostenlos.

Alle Styles halten sich an den General-Midi-Standard

Auch das MCS-Team aus Dortmund beschäftigt ein fleißiges Programmiererteam. Spezialisiert ist das Softwarehaus auf die Technics KN-Keyboard-Serie (KN770/KN800/KN1000). Für den internen Sequenzer werden Songs mit den entsprechenden Sounds geliefert. Außerdem gibt es Begleitrhythmen und Styles. Kostprobe MCS-Sonderdisk 4 »Volksmusik«: Trompetenecho, Schutzengel, Hallo, Frau Nachbarin etc. Die Songs sind auch als Midi-Files erhältlich.

Unter dem Dance-Line-Label produziert der Editor-Designer (u.a. Universal Drum Converter) »EMC« monatlich neue Songs und Rhythmen für verschiedene Tanzmusik-Keyboards und Midi-Player. Neben einer Spielanleitung liegt auch der Text bei. Die Song Collection ist zwar erst im Aufbau, doch was uns bisher zu Ohren kam, hat angenehm überrascht. Die Oldie-Ecke bietet Evergreens wie Scott McKenzies »San Francisco«, den Beatles-Heuler »Lady Madonna« oder Procol Harums »A Whiter Shade Of Pale«. Zur Optimierung der Songs wurde das VCMS (Voice Correlated Midi Sending) verwendet, das die zur Verfügung stehenden Synthesizerstimmen bestmöglich ausnützt.

Für 99 Mark pro 25-Song-Paket gibt’s bei 4U (For You) vorsortierte Programme. Das Angebot ist bunt gemischt. Nach Phil Collins tönen die Original Oberkrainer - eine etwas herbe Mischung. Wer Roy Black, Johann Strauß und die Dire Straights bei einem Auftritt unterbringt, darf sich zurecht als »Entertainer mit abwechslungsreichem Musikstil« bezeichnen. Für 7 Mark sind die Songs bei einer Mindestabnahme von sechs Titeln allerdings auch einzeln zu haben. Für viele Sänger dürften die drei Pakete mit je 320 englischen Songtexte, die pro Paket 39 Mark kosten, ein willkommenes Angebot sein.

Das Angebot an Styles für den Freestyle-Arranger von SoundPool ist tüchtig gewachsen. Chartbreakers, Rhythm & Blues, Orient Grooves, Dancehall und Tekkno - alle Styles halten sich bei der Midikanalbelegung an den General-Midi-Standard. Songs lassen sich in Freestyle leicht selbst erstellen. Eine Leadsheet mit der Angabe der Grundakkorde genügen dem Programm.

Die ProfiStar-Serie vom Sound-Laboratory »Hit Factory« ist auf Percussions- und Drums-Rhythmen - für alle Sequenzermodelle -spezialisiert. Die neu im Programm aufgenommenen »House«- und »African«-Grooves beinhalten jeweils 50 verschiedene Rhythmen aus der aktuellen Dancefloor-Szene. Die Grooves sind jeweils mit Intros und Fill-Ins programmiert und normalerweise bis zu 16 Takte lang. Interessant klingen vor allem die neuen Polyrhythmen und die traditionellen Beats aus Afrika wie der Djigbo aus Ghana oder der klassische Kpanlogo. Die Preise liegen pro Set bei rund 100 Mark. (ua)

Vertrieb:

Geerdes Midisystem, Bismarkstr. 84,1000 Berlin 12
Techni Soft, Markus-Schleicher-Str. 25a, 7000 Stuttgart 80
4U-Händler: Com Putt, Buchenweg 7, 7935 Rottenacker
SoundPool Brunsbüttler Damm 5, 1000 Berlin 20
Hit Factory Music Group, Postfach 670543, 2000 Hamburg
EMC, Furtherweg 31, 5653 Leichlingen
MCS Musikhaus, Baroper Bahnhofstr. 51, 4600 Dortmund 50


Manfred Neumayer
Aus: ST-Magazin 06 / 1993, Seite 12

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