California Games II: Exotische Sportschau

Je dunkler die Wolken und je dichter der Regen, desto mehr wünscht man sich an einen sonnigen Strand — Surfen, Schwimmen, Skateboard fahren.

Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als das amerikanische Softwarehaus Epyx ein Gigant seiner Branche war? Spiele wie »Summer Games« oder »California Games« rissen die Kritiker zu verzückten Kommentaren hin und die Spiele brachen Verkaufsrekorde. Heute sieht das alles etwas anders aus. Anscheinend gehen die Geschäfte aber so mies, daß mittlerweile jede Mark recht ist und so kommt jetzt auch noch die eigentlich nicht geplante ST-Version auf den Markt.

Die neue Mischung aus verschiedenen Geschicklichkeitstests bietet fünf Disziplinen. Drachenfliegen an den Steilklippen beispielsweise ist sehr beliebt. Im Wettbewerb sieht das dann so aus: Mit dem Drachen günstigen Wind abwarten, hinausschweben, Höhe gewinnen, vier Zielpunkte auf dem Wasser zielgerecht mit Wasserbomben bewerfen, so lang wie möglich im Aufwind kreisen, den einen oder anderen Looping drehen und wieder am Startpunkt landen. Gesteuert wird mit dem Joystick, der im richtigen Moment die gewünschte Steuerbewegung auslöst.

Eher rasant geht’s beim Snowboarding zu. Da Kalifornien so wenig schneebedeckte Hänge bietet, hat Epyx kurzerhand einen Berg erfunden, der mit dem Hubschrauber angeflogen wird. In passender Höhe steigt der Sportler mit dem Fallschirm aus und setzt die rasante Reise per Snowboard den Hang hinunter fort. Eine Halfpipe lädt zu Kunststückchen ein, die bei Erfolg Zeitgewinn versprechen. Zeit ist knapp: Wer trödelt, hat ebenso schlechte Karten wie ein Fahrer, der ständig mit dem Gesicht bremst.

Beim Skateboarding wagt sich der Spieler unerlaubterweise in einen vorläufig stillgelegten Abwasserkanal, um in dem herrlichen Fullpipe-Labyrinth Kunststückchen zu üben. Auch hier drängt die Zeit, denn die Wasserpolizei möchte den frechen Boardern natürlich das Handwerk legen.

Sehr geruhsam geht es dagegen beim Surfen zu, sieht man einmal davon ab, daß der Wellenreiter zufällig im Weg herumgammelnden Meerjungfrauen oder Balken ausweichen sollte. Ein paar Drehungen auf den Wellen und die Sache ist geritzt. Den sensationellen Ritt im »Tunnel« haben die Entwickler von Epyx leider vergessen. Ziemlich rasant aber wenig sensationell gibt sich das Jetski-Rennen: In einem mit dicken Bojen markierten Parcours flitzt der Spieler über das Wasser, die großen Maschinen sind zwar schnell, aber schwer zu beherrschen, die kleineren wendig, aber ziemlich lahm. Auch hier tickt der Countdown.

Jede Disziplin kann einzeln geübt werden, bis alle Handgriffe sitzen. Alternativ erlaubt das Spiel Turniere für bis zu acht Spieler, bei denen es Punkte für die Einzelwertungen gibt. Je nach Typ läßt sich jede Disziplin mit viel Risiko und Einsatz oder eher auf Sicherheit bewältigen.

Jaja, damit wären wir wieder bei alten Tagen: Früher haben wir immer gespannt auf neue Spiele gewartet, heute sind wir viel zu verwöhnt. Jedenfalls ist der Lack ziemlich abgeblättert.

Fullpipe-Skating
Jetski-Fahren
Skateboarding hat immer irgendwie mit Subkultur zu tun...
Drachenfliegen im Aufwind der Klippen
Die Welle
Sportliches Menü mit Möwe als Cursor
Snowboarding

Zwar verschönern die netten Zusatzgrafiken und Sequenzen den optischen Eindruck, der Spiel- und Spannungswert läßt sich aber nicht allzu hoch einstufen. Möglicherweise wäre beim Drachenfliegen oder Skateboardings eine 3-D-Vektorgrafik-Landschaft wie bei Flug- oder Rennsimulatoren gut angekommen. Skateboard-Rennen gab es jedenfalls schon massenhaft.

Die Sonnenschein-Beach-boy-Atmosphäre sorgt zwar für gute Stimmung, aber an Ideenreichtum, Spielbarkeit und Spielspaß vergangener Zeiten kommt der Aufguß leider nicht mehr heran. Das goldene Zeitalter des Atari ST ist vorbei. Oh tempore, oh mores! (hu)

WERTUNG

California Games II

Harddisk: nein
Mono: nein
Hersteller: Epyx/U.S. Gold
Preis: ca. 90 Mark
Grafik: 5 von 6
Sound: 3 von 6
Motivation: 4 von 6 Wertung: 4 von 6

Leisuresoft, Robert-Bosch-Str. 1, 4703 Bönen


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Magazin 01 / 1993, Seite 122

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