Big Boss: Divide et impera?

Mit »Big Boss« erscheint auf dem PD-Markt ein neues Spiel mit Monopoly-Charakter.

Neben Spielen mit Knobelhintergrund läßt man auch Unterhaltungsprogramme aus der Abteilung »Raff & Gier« immer wieder gerne über den Bildschirm flimmern. »Big Boss« gehört zu dieser Kategorie und kann Parallelen zum Evergreen Monopoly nicht verleugnen.

Mit einem Startkapital von lächerlichen 5000 Mark haben Sie die Aufgabe zu bewältigen, in möglichst kurzer Zeit — auf jeden Fall vor Ihren Mitspielern — die astronomisch anmutende Summe von 200 Millionen zusammenzutragen. Gespielt wird auf einem Brett, dessen zwölf Felder dem Spieler unterschiedliche Aktionsmöglichkeiten bieten. Auf welche man ziehen darf, bestimmen drei Würfel.

Um Geld zu verdienen, gibt es in Big Boss vier Möglichkeiten. Die erste besteht aus etwas Glück beim Kartenziehen auf den beiden Ereignisfeldern. Hier sind schon einmal 20 000 Mark in Form von diversen Waren drin. Allerdings ist dies eine vergleichsweise unsichere Methode des Geldscheffelns, denn es gibt nämlich auch Ereigniskarten mit negativen Faktoren, die das sauer verdiente Geld wegschmelzen lassen. Viel sicherer ist dann schon der Handel mit diversen Produkten. Um überhaupt einmal solche Waren einkaufen zu können, müssen sie auf das Feld »Einkäufen« kommen. Je nach finanzieller Ausstattung kann hier von ordinärem Schrott über berauschendes Marihuana bis hin zu moralisch bedenklichen Atomwaffen alles eingekauft werden. Manche Güter können aus zwei anderen auch selbst hergestellt werden. Für diesen Zweck gibt es das Feld »Produktion«: aus Stahl und Computern beispielsweise lassen sich Flugzeuge fabrizieren, aus Schrott und Öl läßt sich Stahl gewinnen. Das Kaufen von Gütern mit schlechtem Ruf wirkt sich allerdings negativ auf Ihr Ansehen aus, steigert aber teilweise den politischen Einfluß (mit Atomwaffen im Garten überzeugen Sie auch den letzten Hinterbänkler von Ihrer Meinung).

Neben den Indikatoren Ruhm und Macht gibt es noch die Meßlatte Glück und Zufriedenheit. Geraten diese Werte in den negativen Bereich, so können Sie sich auf eine Regenerationsphase vorbereiten, will sagen: einige Runden aussetzen. Eingelagerte Waren gewinnen in jeder Runde an Wert, so daß sie eine Kapitalanlage darstellen, die mit Sicherheit zum Erreichen der 200 Millionen führen. Aber man muß ja auch als erster diese Marke erreicht haben, um als Sieger des Spiels hervorzugehen. Ratsam also, die Produkte auf dem Feld »Verkaufen« abzustoßen, um wieder flüssig zu werden. Bei der Herstellung von neuen Produkten fallt nämlich auch immer Bares ab.

Gehören Sie zu Fortunas bevorzugter Klientel, können Sie sich auf dem Feld »Glücksspiel« in der Kunst des Geldverdienens ohne Arbeit versuchen. Je nach finanziellen Mitteln stehen Lotto, Glücksrad und Russisches Roulette zur Auswahl. Lotto ist simpel und birgt nur ein minimales Risiko. Mit dem Einsatz von 20 oder 200 Mark dürfen Sie in einem Kästchen nach 6-aus-49-Manier Ihrem Gespür freien Lauf lassen. Damit es nicht ganz so frustrierend wie in der sonnabendlichen Realität ist, gibt es auch schon für einen Richtigen einen Gewinn. Haben sie nicht einmal den, wirkt sich dies negativ auf Ihren Zufriedenheitsindikator aus, Sie sind schlicht gefrustet.

Das Glücksrad ist schon riskanter. Ihren Einsatz dürfen Sie selbst bestimmen, wobei 10 Millionen das Limit darstellen. Die Regeln sind ebenso einfach wie nervenaufreibend: nur ein Viertel des Glücksrades ist Gewinnzone. Bleibt das Rad außerhalb dieser Fläche stehen, können Sie Ihren Einsatz abschreiben. Das Gewinnpotential beträgt das Doppelte bis 20fache der eingesetzten Summe.

Das Russische Roulette sollte nur dann bemüht werden, wenn man sowieso schon hoffnungslos im Spiel zurückliegt. Verliert man nämlich, darf man wieder mit dem ursprünglichen Startkapital beginnen. Gewinnt man aber, reicht die Gewinnspanne bis zur Verdoppelung des gesamten Kapitals. Dies beinhaltet nicht nur das Bargeld, sondern auch alle Aktien und Waren. Wahrlich lukrativ, aber eben mit einem großen Risiko verbunden.

Apropos Aktien: Spekulieren an der Börse ist die vierte Möglichkeit, in kurzer Zeit möglichst viel Geld einzusacken. Insgesamt zehn Papiere locken. Sie können bis zu 10 Millionen Mark investieren, wobei der steuerliche Faktor nicht außer acht gelassen werden darf. Wie im richtigen Leben greift der Fiskus mit bis zu 20 Prozent bei Umsatz bei Käufen und Verkäufen zu (ganz so extrem ist das Mitkassieren in der Realität noch nicht). Da jede Aktie in Big Boss einen Mindestkurs hat, kann man an dieser Börse recht schnell gutes Geld verdienen.

Das elektronische Spielbrett von Big Boss

Was nützen finanzielle Erfolge, wenn die Liebe auf der Strecke bleibt? Auf dem Feld »Privatleben« bekommen Sie die Möglichkeit, aus einer Palette von fünf Männlein oder Weiblein, Ihren Wunschpartner auszuwählen. Hat es gefunkt, geht’s zwei Wochen zum Kennenlernen in den Urlaub. Ihr Zufriedenheitsbarometer steigt in nicht unerheblichem Maß. Werden Sie verschmäht, tendiert Ihre Stimmung Richtung Nullpunkt. Nach dem Urlaub kann auch ans Heiraten gedacht werden. Dazu sind jedoch 100000 Emmchen nötig, die sie beim späteren Hausbau (200000 Mark) auch dringend benötigen, wollen Sie nicht in den Konkurs wandern (geteiltes Leid ist zwar halbes Leid, aber so stellt man sich seine Karriere ja auch nicht vor). Partner und Haus wirken sich günstig auf Ihre Steuerklasse aus. Beim Ziehen über das Feld »Bilanzen« meldet sich der nette Mann vom Finanzamt mit der offenen Hand.

Überraschungen

Kommen Sie auf das Feld »Krankenhaus«, machen Sie entweder einen Besuch bei Bekannten, Familie oder Vorgesetzten, oder man diagnostiziert Ihnen ein Leiden, was Sie zum Aussetzen für einige Runden nötigt. Zu viele negative Erlebnisse wie Pech im Spiel, Verschmähung der Angebeteten und auch sonstige Mißerfolge wirken sich negativ auf den Zufriedenheitsindikator aus. Um einer Depression (und damit einige Runden des Aussetzens) vorzubeugen, empfiehlt sich ein Ausspannen auf dem Feld »Urlaub«. Je nach Kapitalaufwand ist hier vom Klettern in den Alpen bis hin zur Weltreise alles möglich.

Mitspielen beim Run auf die 200 Millionen können bis zu vier Yuppies. Drei davon lassen sich auch durch Computerspieler ersetzen, was auch ein »Ich alleine gegen die Chips« ermöglicht. Anfangs empfiehlt es sich übrigens, nur gegen einen Computerspieler anzutreten, da diese doch sehr rational spielen und die Börsenkurse schon vorher zu kennen scheinen. Mit etwas Übung schlagen Sie aber auch den maschinellen Gegner. Sofern Sie sich gegen alle drei Computerspieler behaupten können, sollten Sie sich ernsthaft einen Wechsel in die Managmentabteilung großer Firmen überlegen (spontan würde uns da eine ganz bestimmte einfallen, die Sie dringend nötig hätte...).

Big Boss gehört zur Gruppe der unterhaltenden Gesellschaftspiele, mit denen lange Winterabende gut überstanden werden können. Der Monopoly-Charakter und die amüsanten Ereignisse machen das Programm zum Spielspaßgaranten. Big Boss läuft auf allen ST/STE-Modellen ab 1 MByte Speicher und monochromen Bildschirm, (thl)

Markus H. Giebeler, Behringweg 16, 7430 Metzingen

Disk 2397, PD-Pool, IDL-Software, Lagerstraße 11, 6100 Darmstadt


Michael Vondung
Aus: ST-Magazin 01 / 1993, Seite 46

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