ST-Umbau: Tips, Tricks & Troubleshooting

Im Oktober '91 stellten wir ein Umbauprojekt vor, in dem wir einem ST zu einer neuen Heimat verhalfen. Zahlreiche Leser haben Anfragen oder Vorschläge eingereicht. Hier eine Auswahl.

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Und wenn er seinen Computer auseinanderreißt, um was eigenes draus zu machen, dann erst recht — wenn die Mühle Streifen auf den Bildschirm zaubert, kein Floppy mehr erkennt oder frisch gegrillte ICs im Sockel brutzeln. Solange der Besitzer nicht im 50-Hz-Wechselstromtakt mitbrät, gibt es aber keinen Grund zur Panik: Ist doch immer noch jemand da, der aus dem wertlosen Haufen Quarzsand wieder einen funktionstüchtigen Computer machen kann.

Grundwissen Voraussetzung

Gerhard Dittmaier aus Himmelstadt setzte ein Conrad-Elektronik-Gehäuse für seinen Umbau ein und verwendete das Atari-Original-Netzteil weiter. Er schnitt einfach die Gehäuseböden von Festplatte und Computer aus und verwendet sie weiter.

Daß man ganz ohne Elektronikgrundwissen lieber nicht an der Hardware herumfummelt, haben wir bereits erwähnt — es sei denn, Sie verwenden vorgefertigte und lötfreie Umbausätze wie z. B. einen Lighthouse-Tower (s. Testbericht auf Seite 14). Und daß man defekte Chips beim Tauschen gleich sockelt, um sie nicht ein zweites Mal mühsam auslöten zu müssen, dürfte ebenso klar sein.

Zur Fehlersuche brauchen Sie in jedem Fall ein gutes Meßgerät (die 15-Mark-Billigangebote taugen bestenfalls als Durchgangsprüfer), im Idealfall ein Oszilloskop und natürlich Unterlagen über Ihren Computer. Wer bereits Schwierigkeiten hat, die MMU vom Blitter und den Sound- vom DMA-Chip zu unterscheiden, der besorgt sich das »Atari ST Hardware-Handbuch« von Bernhard Reimann, erschienen bei Markt & Technik. Es erklärt die Grundlagen der Hardware in leicht verständlicher Weise, geht aber nicht in die Tiefe. Als umfassendes Nachschlagewerk, z. B. für die Belegung einzelner Bausteine und fundiertes Wissen rund um den ST, gehört das »Atari ST Profibuch« von Jankowski/Reschke/Rabich auf den Arbeitstisch. Das rund 1500 Seiten starke Werk wurde gerade neu überarbeitet und geht jetzt auch ausführlicher auf die Hardware sowie auf STE und TT ein. Es erscheint beim Sybex-Verlag.

Wer die Schalt- und Stromlaufpläne seines ST inkl. aller Motherboard-Revisionsversionen braucht, dem hilft eine Berliner Firma: Unterlagen besorgt man sich nicht über Atari, sondern zehnmal schneller beim Schaltungsdienst Lange, Mohriner Allee 30, 1000 Berlin 47, Tel. 030/7036060. Lange verwaltet über 165000 (!) Schaltpläne aus der gesamten Unterhaltungselektronik. Unterlagen zum 520 ST z. B. kosten rund 35 Mark.

Einschübe für Harddisk und Floppy konnten glücklicherweise direkt genutzt werden. Herr Dittmeier baute den RAM-Port senkrecht ein, er nutzt ihn jedoch kaum.

Typische Problemgruppen

Genug geblubbert: Der ST besitzt einige typische Problemgruppen, die meist ziemlich eindeutige Symptome zeigen: RAM-Fehler, Fehler bei der Bildausgabe, Schreib-Lese-Probleme und Defekte an den Schnittstellen. Die Suche nach Bugs läßt sich also gezielt auf beteiligte Baugruppen einschränken. Die berühmten Haarrisse auf der Platine, abgehobene oder versehentlich durchgekratze Leiterbahnen und andere mechanische Kinkerlitzchen lassen wir links liegen, man kommt ihnen mit Meßgerät, Lupe und Kältespray relativ schnell auf die Schliche. Geschickte Bastler verbinden durchtrennte Leiterbahnen nicht etwa durch möglichst fette Lötbatzen, sondern mit einem dünnen maßgeschneiderten und isolierten Überbrückungskabel von Lötpunkt zu Lötpunkt, idealerweise auf der geschützten Platinenunterseite.

RAM-Fehler sind läufig

RAM-Fehler tauchen relativ häufig auf, da die meisten Computer irgendwann nachgerüstet wurden oder werden. Besonders steckbare Erweiterungen sind anfällig: Hier liegt’s meist an verbogenen MMU-Kontakten, Wackelkontakt am Shifter oder oxidierten Kontaktpins. RAM-Fehler zeigen sich auf dem Bildschirm: senkrechte oder horizontale Streifen, einzelne fehlende Bildpunkte, flackernde Pixel auf dem Desktop oder die Meldung »Speicher reicht für diese Anwendung nicht aus«, obwohl zwei oder mehr MByte on Board sind. Übel wirken Wackelkontakte, wenn der Rechner beim Booten den vollen Speicher erkennt und die Erweiterung dann im Betrieb ausfällt: Der Computer versucht Speicherbereiche zu adressieren, die gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Hier hilft nur ein RAM-Test.

Haben Sie nicht am Speicher herumgefummelt und der Bug kommt quasi »aus heiterem Himmel«, ist er meist recht einfach zu finden: Entfernen Sie zunächst die MMU aus dem Sockel. Das geht z. B. prima mit einer stabilen gekröpften Pinzette. Ein abgewinkeltes Nägelchen ist schlecht, da es zu weich ist und außerdem beim Heraushebeln die Eckpins der MMU verbiegt. Ein fachgerechtes Ausziehwerkzeug kostet im Fachhandel keine 2 Mark. Überprüfen Sie die Pins der MMU und des Sockels, biegen Sie allzu platt anliegende Sockelkontakte (passiert z.B. durch Einschieben einer Meßspitze oder steckbare Erweiterung) wieder etwas aus der Innenfassung. Kontaktspray wirkt oft Wunder. Falsches Einsetzen ist teuer, achten Sie also auf die stumpfe Ecke an MMU und PLCC-Sockel! Anschließend überprüfen Sie den Shifter. Treten plötzlich Fehler auf, wenn Sie bei eingeschaltetem Rechner auf MMU oder Shifter drücken? Falls Punkte oder Streifen auf dem Bildschirm erscheinen und Sie sicher sind, daß das keine defekten RAMs sind, kann nur die MMU hinüber sein oder der Videochip (Shifter). Chipdefekte lassen sich leider kaum anders als mit dem Oszi bestätigen.

In einigen Fällen kann es während des Betriebs zu thermischen Problemen oder Kontaktschwierigkeiten an RAMs oder Bustreibern (IC 74LS244 und 74LS373) kommen. Symptome: Punkte oder Streifen auf dem Bildschirm, nach Anklicken eines Menüpunkts wird der Bildschirm nicht neu aufgebaut. Lassen Sie den Computer abkühlen oder helfen mit Kältespray nach. Fehler beseitigt? Dann sollten Sie für bessere Kühlung sorgen. Ansonsten prüfen Sie beide Treiberbausteine, löten im Zweifelsfall die Kontakte der Unterseite nach und messen die Entstörkondensatoren der RAMs auf Kapazität und Kurzschluß nach.

Auch ein Desktop ohne Icons oder eine fehlende Schublade beim Diskstations-Icon deutet das auf RAM-Fehler hin. Meist ist Bit 5 von Bank 0 defekt und muß ausgetauscht werden. Der Defekt läßt sich mit Kältespray nachweisen.

Bei selbstgebastelten RAM-Lösungen hängen die Probleme oft mit mangelhafter Leitungsdicke der Masse-und 5-V-Leitungen her: Es kommt nicht nur darauf an, die Speichererweiterung mit möglichst dicken Versorgungskabeln mit dem Board zu verbinden, sondern auch mehrere möglichst kurze Masse- und 5-V-Phasen einzusetzen, um Störspitzen ausreichend abzufangen. Oft befinden sich in den 5-V-Versorgungsleitungen der Atari-Boards Spulen, die einen ganz beachtlichen Widerstand haben. Hier kann das Überbrücken der Spulen im RAM-Bereich Störungen beheben. Beim 260/520ST z. B. befindet sich der Übeltäter am rechten Board-Rand neben den RAMs.

Obere RAM-Bank abschalten

Falls Sie mehrere RAM-Bänke betreiben, legen Sie bei Defekten zunächst die obere still und starten die Suche mit Minimalkonfiguration. Läuft der Computer dann korrekt, liegt der Fehler wahrscheinlich bei den Daten- bzw. Adreß- und Steuerleitungen für das dritte bzw. vierte MByte. Überprüfen Sie zuerst die entsprechenden RAS- und CAS-Leitungen. Um defekte RAMs zu identifizieren, verwenden Sie Testsoftware (gibt’s als PD) oder das RAM-Testmodul von Atari.

Wurde die RAM-Bank on Board zugunsten einer Erweiterung ganz stillgelegt, genügt es u. U. nicht, die alten RAS- bzw. CAS-Leitungen zu trennen. Fehlersymptome: Senkrechte Streifen auf dem Schirm, Computer bootet nicht oder stürzt nach ca. 10 bis 15 Sekunden ohne Bomben ab und restauriert z. T. den Bildschirm nach einiger Zeit streifenweise wieder, Mauszeiger läßt sich aber nicht bewegen. Legen Sie dann die sorgfältig getrennten RAS- bzw. CAS-Leitungen zusätzlich auf Masse. Ist der Fehler immer noch da, liegt er mit großer Wahrscheinlichkeit im Bereich der Datenleitungen.

Auch Harald Härtl aus Karlsruhe verwendete ein XT-Gehäuse von Conrad Elektronik, um seinem 1040er eine neue Heimat zu verpassen

Finden Sie auch dort keine Defekte, könnte die Ansteuerung der oberen Bank fehlerhaft sein. Läuft der Rechner nach entsprechendem Wegschalten, überprüfen Sie die CAS-Leitungen. Stimmen alle High- bzw. Low-Zuordnungen von MMU bis RAM? Bei etwa acht Pixel breiten Streifen auf dem Monitor könnte die neunte Adreßleitung fehlerhaft sein. Auch bei waagerechten Streifen auf dem Bildschirm oder wilden Mustern ohne besondere Ordnung liegt der Fehler sehr wahrscheinlich im Bereich der Adreß- bzw. CAS-Leitungen. Schenken Sie der neunten Adreßleitung wieder besondere Aufmerksamkeit. Überprüfen Sie auch die Platinenunterseite am MMU-Sockel. Führt das nicht zur Lösung, ist vermutlich eine der Steuer- oder Datenleitungen beschädigt bzw. falsch angeschlossen.

Steuerleitungen überprüfen

Arbeitet der Computer zwar, es erscheinen jedoch Streifen im Bild, prüfen Sie wiederum die CAS-Leitungen. Teilweise gedrehte oder zerstörte Zeichen auf dem Desktop deuten auf vertauschte CASxH- und CASxL-Leitungen hin. Messen Sie im Zweifel von der MMU aus. Dieser Fehler kann auch bei zu langen Adreßbuskabeln und schlechten Lötstellen auftreten. Arbeitet der Computer und es erscheinen einzelne Pixel, die zufällig ihren Inhalt ändern, messen Sie die Steuerleitungen. Speziell der RAS1-Widerstand sollte kleiner bzw. gleich 33 sein. Ist er größer, löten Sie einfach parallel einen 33-Widerstand auf. Bei 260er/520er Boards hilft es manchmal, die Verbindungen der alten RAM-Reihen auf RAS1 an mehreren Bausteinen auszuführen. Faustformel: RASx-Pins an jedem dritten RAM brücken. Stellt sich immer noch keine Verbesserung ein, prüfen Sie die Verdrahtung der CAS-Leitungen (high/low?).

Thomas Wilhelmi aus Recklinghausen setzt ebenfalls auf Conrad Elektronik, da sich Laufwerkseinschübe ohne große Änderungen nutzen lassen. Den Turbo-Schalter hat er zur Monitorumschaltung umfunktioniert.

Bildausgabeprobleme

Defekte, die sich auf dem Bildschirm bemerkbar machen, müssen nicht unbedingt direkt mit der Bildausgabe oder der Monitorhardware Zusammenhängen, das haben schon die RAM-Fehler gezeigt. Bleibt der ST nach dem Einschalten z. B. völlig schwarz, können GLUE und/ oder Shifter defekt sein — natürlich nur, wenn das Netzteil auch Strom liefert, die Tastatur-LED leuchtet und/ oder das Floppy anläuft. Messen Sie am Clock-Pin der CPU (Pin 15), ob ca. 3 V vorhanden sind: Wenn nein, ist es wohl ein Versorgungsproblem, wenn ja, arbeitet der Prozessor, und ein Baustein ist defekt.

Ständige Resets nach dem Start (auch mit abgezogenem Floppykabel) können ebenfalls vom GLUE kommen. Wie immer: Erst mal aus der Fassung nehmen, Kontaktspray verwenden und Kontaktfedern checken. Ist der Bildschirm nach dem Einschalten weiß, können GLUE, Shifter, DMA-Chip oder auch der 68000er hinüber sein. Hier hilft nur Nachmessen oder Tausch. Auch durchlaufende Streifen auf dem Bildschirm deuten auf einen defekten GLUE hin. Falls vorhanden, können es allerdings auch kaputte TTL-Treiber sein.

Bleibt der Schirm schwarz und am Pin 21 des MFP liegen 0 V, sollte man entweder den Pin probehalber von der Platine abzwicken (bzw. auslöten, ist aber schwer) und an der Basis messen, ob 5 V anliegen. Wenn ja, ist der MFP hinüber, wenn nein, Pin wieder zusammenlöten. Dieser Fehler tritt auch auf, wenn der Computer den SM 124 nicht mehr erkennt. Apropos: GLUE, MMU, DMA- oder Soundchip sind einzeln zusammengekauft relativ teuer (bis 120 Mark). Da ist es geschickter, ein komplettes Motherboard zum gleichen Preis zu organisieren und die übrigen Komponenten als Ersatzteillager zu verwenden.

Dieter Ross verpflanzte seinen 1040er in einen geräumigen Tower. Die Platine ist leicht zugänglich und läßt sich an Möbelscharnieren herunterklappen. Als Stromaggregat dient ein 200-W-Baby-AT-Netzteil. Tower und Netzteil kosteten 300 Mark.

Ganzes Board organisieren

Fehlerhafter Bildschirmaufbau bzw. Absturz beim Anfahren der Menüzeile deutet auf einen Blitterdefekt hin (sofern vorhanden). Ansonsten haben wahrscheinlich die ROMs eine Macke. Am besten gleich durch neues TOS 2.06 austauschen. Der Fehler kann auch vom Piggypack kommen, einer kleinen Platine, die bei den ersten Mega-ST-Baureihen auf der CPU (!) saß. Leiterbahnen prüfen! Typische Blitterfehler: Der Rechner bombt grundlos beim Berühren der Menüzeile oder baut Streifen auf. Abhilfe: Zuerst einen RAM-Test machen. Falls der Speicher in Ordnung ist, den Blitter raushebeln und die entsprechenden Lötaugen auf der Platine schließen bzw. brücken. Arbeitet der Computer ohne Blitter sauber, ist der Baustein defekt.

Manchmal zeigen sich nach dem Einschalten des SM124 Rücklaufstreifen auf dem Bildschirm. Der Widerstand R727 (s. SM124-Schaltplan) ist zu hochohmig. Das gilt, wenn am Poti VR702 (Sub-right) die Grundhelligkeit nachgeregelt wird und keine Verbesserung eintritt. Monitorumschalter sollten abgeklemmt werden, möglicherweise liegt da der Fehler. Noch ein Wort zum SM124: Wer bei offenem Monitorgehäuse auf der Platine fummelt, sollte wissen, was er da tut. Anders als bei der ST-Platine können falsche Aktionen schnell lebensgefährlich werden — für Monitor und Besitzer.

Erreicht das Bild auf dem SM 124 nur noch die halbe Höhe, wird dafür aber breiter und läßt keine Einstellung durch Regler mehr zu, hat möglicherweise die 12-V-Stromversorgung einen Defekt. Dazu IC901 und Q901 überprüfen. Läßt sich dagegen die Helligkeit nicht mehr voll aufdrehen, sollte man den Transistor Q303 austauschen. Falls der Monitor nach einiger Zeit kein korrektes Bild mehr liefert oder schwarz bleibt, obwohl er in Ordnung ist (an anderen ST prüfen), kann der Treiber-IC 74LS04 defekt sein. Mit Kältespray läßt sich dieser Fehler lokalisieren. Übrigens: Wie wär’s mit einem neuen SM144?

Über Schreib-Lese-Fehler und Schnittstellenprobleme werden wir uns demnächst kümmern. Falls Sie damit spezielle Erfahrungen haben oder schon immer mal neue Ideen vorstellen wollen, schreiben Sie uns! (hu)

Jürgen Fiedler aus Neuss setzt auf Design und Durchblick und verfrachtete seinen 520 ST+ in ein Acrylglasgehäuse. Die Konstruktion war schon auf diversen Messen als Blickfang vorgesehen.

Hartmut Ulrich
Aus: ST-Magazin 04 / 1992, Seite 10

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