Harlekin: Ein Multitalent setzt neue Maßstäbe

Im täglichen Computereinsatz benutzt man viele Tools und Hilfsprogramme, sei es die RAM-Disk, der Druckerspooler, das Formatier- oder Kopierprogramm, den Wecker, das Kontrollfeld, einen Editor und Diskmonitor oder auch nur den Mausspeeder oder der Bildschirmschoner. »Harlekin« ist ein Programm, das all diese Tools in sich vereint.

Das Programm verfügt über fast unzählige Features. Einen Editor, Speicher-, Disketten- und Filemonitor, Tastaturmakros, Formatier-, und Kopierprogramm, Datei-Utility, Taschenrechner, Druckerspooler- und Filter, ein Terminal, Wecker, Fonteditor, eine RAM-Disk, ein erweitertes Kontrollfeld, Mausspeeder, Bildschirmschoner, Fileselektor und zu guter Letzt eine icongesteuerte Datenbank bzw. einen Terminplan.

Das Interessante daran ist, daß alle Teile jederzeit per Tastenkombination bzw. über das Menü erreichbar sind. Ein laufendes Programm muß nicht mehr verlassen werden, um mal eben eine Diskette zu kopieren, eine Adresse zu suchen oder einen ganzen Text auszudrucken.

Die einzelnen Module laufen auch gleichzeitig nebeneinander

Der Editor

Das erste Icon in der übersichtlich gestalteten Auswahlbox ist der Editor. Er arbeitet in einem eigenen Fenster und läuft somit, wie die anderen Harlekin-Teile auch, parallel zu anderen Programmen: z.B. im Desktop, in Wordplus, in Calamus oder in Adimens, was bislang nicht dagewesene Einsatzmöglichkeiten schafft. Die Bedienung des Editors funktioniert über eine eigene GEM-Menü-leiste; eine feine Sache, die den Benutzer, der sich nicht wilde Tastenkombinationen merken will, sicher freut.

Der Editor verfügt über die üblichen Block- und Suchfunktionen, und glänzt vor allem durch seine Fähigkeit, Texte umzuformatieren, was ebenfalls in Windeseile vonstatten geht. Auch während des Schreibens, Löschens und Einfügens wird der Text in kaum merkbarer Zeit neu formatiert. Natürlich ist das auch abschaltbar, denn der Editor dient schließlich auch zum Schreiben von Programmen, bei denen Textfunktionen unerwünscht sind.

Als nächstes fällt die Scrollgeschwindigkeit ins Auge, auf die ST-Besitzer bekanntlich schon immer viel Wert legten. Zum Vergleich mußte »Tempus« her, der bislang ungeschlagene Sieger in Sachen Scrollgeschwindigkeit. Das Rennen war überraschend, denn Harlekin ging zeitgleich ins Ziel. Der Editor ist im übrigen resetfest, selbst grobe Abstürze, und die soll es beim ST ja ab und zu geben, können ihm nichts anhaben.

Beim Drucker treten zwei weitere Bestandteile Harlekins in Aktion, der Spooler und der Druckkonverter. Ersterer spoolt brav die Texte in einen Puffer, bevor er zum Drucker geht. Dies schafft freie Arbeitszeit, denn weshalb soll man auf einen langsamen Drucker, und das sind im Prinzip alle, warten? Der Druckkonverter besorgt die Zeichenanpassung, die ähnlich wie in »Ist Word plus« in einer HEX-Datei angegeben wird. Das Besondere daran ist nun, daß der Konverter und der Spooler im System eingebunden sind und somit auch bei allen anderen Programmen funktionieren. Ein Ende der Druckprobleme bahnt sich an.

Von Fonts, Tasten und Makros

Harlekin besitzt einen Editor für den Screenfont. Hiermit lassen sich eigene Fonts entwerfen und als Systemfont installieren. Der ST meldet sich sodann nach jedem neuen Start mit neuer Optik, etwa im Macintosh- oder IBM-Look. Letzterer, der übrigens wie der MAC-Font mitgeliefert wird, bietet die Möglichkeit, die IBM-Tabellenzeichen in seinen Texten zu benutzen. Durch die Druckeranpassung werden diese Zeichen auch korrekt zu Papier gebracht. Um es noch ein wenig weiter zu treiben, habe ich mir diese Zeichen zunächst auf den Zehnerblock gelegt. Dies ermöglicht das zugehörige Programm »Config«. Zusammen mit Shift erreicht man somit alle Zeichen sofort und ohne, wie z. B. in Ist Word plus, ständig in der Auswahlbox herumzuklicken. Noch besser geht es aber, wenn man sich ein Makro definiert, das selbständig einen Kasten generiert. Aber gehen wir nicht zu weit. Eine weitaus häufigere Anwendung für Makros sind oft benötigte Floskeln wie »Mit freundlichen Grüßen« oder »Wie bereits telefonisch besprochen«, doch auch ein kompletter Briefkopf läßt sich problemlos anlegen.

File-Utility

Wie oft kam es bei Ihnen schon vor, daß Sie ein Programm verlassen mußten, um eine Diskette zu formatieren, ein paar Texte zu kopieren, um etwas zu löschen oder etwa einen Ordner anzulegen? Harlekin bietet hierfür ein luxuriöses Tool, das dies alles und noch einiges mehr kann.

So lassen sich z.B. Dateien aus verschiedenen Ordnern und Laufwerken gleichzeitig anwählen und komplett kopieren. Besonders nützlich ist das Verschieben von Dateien, das hier auch ohne TOS 1.4 funktioniert.

An dieser Stelle sei erwähnt, daß Harlekin auch eine eigene Fileselektorbox bietet, die ins System eingebunden wird, also die normale ersetzt und mit vielen Features ergänzt: so z.B. die anwählbaren Laufwerke (auch über Tastatur), acht frei definierbare Extentions, die mit gespeichert werden, sowie verschiedene Sortierkriterien. Diese Box bietet also mehr Komfort, als die des TOS 1.4.

Systemnah

Für erfahrene Anwender bietet Harlekin einen Disketten-, Datei- und Speichermonitor. Hiermit lassen sich Dateien anschauen, suchen und ändern, FAT und Directories manipulieren und auch direkt im Speicher experimentieren, Vektoren verbiegen oder etwa die original ST-Meldungen ändern. Ein Tool, das Programmiererherzen sicher höher schlagen läßt. Zwar ersetzt es keinen »Diskus« oder »Sed«, doch ist es immer verfügbar und bietet so Möglichkeiten, die sich mit eigenständigen Programmen nie erreichen lassen. Der reine Anwender hingegen findet dafür sicherlich keine Verwendung.

Personal Planner

Hinter diesem Icon versteckt sich eine komplette Datenbank, die nach einem völlig neuartigen Prinzip arbeitet. Ein Eintrag ist nicht an eine Maske gebunden, sondern völlig flexibel. Hierdurch entstehen Einsatzmöglichkeiten, mit denen jede herkömmliche Datenbank überfordert wäre. So könnte man beispielsweise ein Lexikon aufbauen, Zitate verwalten oder sämtliche Briefe der Apostel vereinen. Sozusagen als Krönung lassen sich auch all diese Datenbanken in einer einzigen verwalten.

Zum Zuordnen verschiedener Einträge zu einer Gruppe dienen Icons, welche man der Anwendung entsprechend gestalten kann, ein Iconeditor ist ebenfalls vorhanden. Ein Klick auf ein Icon und schon werden nur noch die Einträge angezeigt, die diesem Icon zugeordnet sind. Auch Kombinationen lassen sich bilden, dazu stehen logische Verknüpfungen zur Verfügung. Eine interessante Anwendung der Datenbank ist das Suchen von ^ Bruchstücken in verschiedenen Einträgen. So erhält man schnell einen Überblick über alle Einträge, in denen der Suchbegriff vorkommt. Jedem Eintrag kann weiterhin eine Bezugszeit zugeordnet werden, wodurch der Personal Planner zu einer leistungsstarken Terminverwaltung wird.

Der Personal Planner stellt ein neuartiges Datenbanksystem dar

Als kleinen Kritikpunkt muß man anmerken, daß sämtliche Daten im Speicher gehalten werden. Zwar resetfest und blitzschnell, doch könnte der Speicherbedarf bei obiger Bibelverwaltung doch recht groß werden. Harlekin bietet in einem solchen Fall als Alternative das Laden verschiedener Datenbankmodule, samt zugehörenden Icons versteht sich.

DFÜ-Freaks bietet Harlekin ein Terminalprogramm, das sich vor anderen nicht zu verstecken braucht. Es stehen neben der Direktübertragung die Übertragung von Dateien und Daten im ASCII- oder XMODEM-Verfahren zur Verfügung unter den Protokollen XON/XOFF und KTS/CTS. Für Besitzer eines Modems bietet Harlekin sogar die Möglichkeit, direkt per Programm zu wählen. Die Nummern werden bei jedem Start automatisch wieder geladen, und auch die speziellen Parameter (z.B. 9600 Baud, 8 Bit, 1 Stop-Bit, Protokoll) bleiben erhalten. Wie alle Harlekin-Teile ist auch das Terminal ständig anwesend. Ein gerade geschriebener Text läßt sich also, während er noch zum Drucker spoolt, per DFÜ um die Welt schicken.

Die Programmierer von Harlekin haben es sich anscheinend in den Kopf gesetzt, alle anderen Utilities überflüssig zu machen. Da wäre die RAM-Disk, die sich, neben ihrer Reset-Festigkeit, durch die Möglichkeit auszeichnet, ihren kompletten Inhalt als eine Datei zu laden oder zu speichern, was gerade bei vielen Dateien um ein Vielfaches schneller geht. Eine 500-K-RAM-Disk ist beispielsweise in weniger als 5 Sekunden mit über 100 Dateien gefüllt. Oder etwa der Maus-speeder, der den Mauszeiger, ähnlich dem Macintosh, auch exponentiell bewegt, wodurch die Maus bei schneller Bewegung über den ganzen Schirm flitzt, aber bei langsamer Bewegung nicht um mehrere Pixel hüpft. Ebenso der obligatorische Bildschirmschoner, der den Bildschirm dunkel schaltet, sollte der Anwender sich erdreisten, sich einige Minuten von seinem Computer abzuwenden.

Der Taschenrechner (HEX, binär und dezimal), die ASCII-Tabelle, die per Doppelklick das jeweilige Zeichen in den Text übernimmt, und die eingeblendete Uhrzeit bzw. der Wecker, der an wichtige Termine erinnert, sind weitere Beispiele.

Harlekin ist ein Programm, wie es der ST bislang nicht gesehen hat. Er verfügt über extrem leistungsstarke Module, die fast alle Utilities, die man als ST-Anwender nutzt, überflüssig machen. Doch Harlekin als reines Utility zu bezeichnen, wäre falsch. Harlekin ist mehr, fast schon einzigartig, denn ein vergleichbares Programm gibt es selbst im Macintosh- oder PC-Bereich nicht. Der Preis von 129 Mark ist in Anbetracht der Leistung als sehr günstig zu werten, alleine der Personal Planner ist diesen Preis wert. Harlekin kann man, bis auf die Tatsache, daß ein 512-KByte-Rechner für ihn zu klein ist, uneingeschränkt empfehlen. Ein Platz unter den besten ST-Programmen ist ihm sicher. (uw)

Wertung

Name: Harlekin

Preis: 129 Mark

Hersteller: Maxon Computer

Stärken: □ extrem bedienungsfreundlich □ große Leistungsvielfalt □ ständig verfügbar □ schnell und ausgereift □ günstiger Preis

Schwächen: □ hoher Speicherbedarf

Fazit: Harlekin ist ein professionelles Multitool, das man nicht mehr missen möchte.

Maxon Computer, Schwalbacherstr. 52, 6236 Eschborn

Im Config-Programm werden die einzelnen Module konfiguriert und Voreinstellungen getroffen

Rüdiger Blenskens
Aus: ST-Magazin 04 / 1990, Seite 56

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