Samstag abend 18 Uhr auf der Atari-Messe: Das ST-Magazin legt erste Hand an den nagelneuen Atari »TT030/2«. 6500 Mark soll er kosten — der Aufstieg in die Workstation-Klasse, einschließlich Tastatur, 30-MByte-Festplatte und monochromem VGA-Monitor.
Wie immer haben die Atari-Designer ungewöhnliche, vielleicht diesmal gewöhnungsbedürftige Wege beschritten.
Der »Brotkasten« links beherbergt ein kräftiges Netzteil, das »Butterfach« auf der rechten Seite entpuppt sich als abnehmbarer Deckel, in den eine 3,5-Zoll-Festplatte eingeschraubt ist. Die Chips auf der Platine drängen sich dicht an dicht. Direkt unter der Festplatte befindet sich der 2 MByte große Zentralspeicher, der mit Hilfe von Speichermodulen auf der Basis von SIMM-RAMs bis zu 8 MByte (1 MBit DRAMs) oder mit den hoffentlich bald erhältlichen 4-MBit-DRAMS auf stolze 26 MByte anwachsen kann.
Atari-üblich ist die umfangreiche Ausstattung mit Schnittstellen. Der MIDI-Port fehlt genauso wenig wie der unvermeidliche ROM-Modulport.
Drei separate DMA-Kanäle versorgen den ACSI-Anschluß, den SCSI-Port, die zwei seriellen Schnittstellen sowie eine Appletalk-kompatible Netzwerk-Buchse.
Selbst in seinem Inneren hält der TT gute Beziehungen zur Außenwelt. Der VME-Anschluß ist als 16 Bit breiter VME A24/D16-Bus ausgeführt. Das TT-Gehäuse bietet Platz für eine »kleine«, also halbhohe VME-Karte.
Soviel in aller Kürze zur Hardware des neuen TT. Wie kommt er mit der ST-Software klar?
Trotz leichter Probleme mit der Wechselplatten-Station Megafile 44 läßt sich Ataris jüngstes »Design-Meisterwerk« zur Mitarbeit überreden. Erwartungsvoll starten wir Calamus. Wie selbstverständlich erscheint der bekannte Desktop auf dem Bildschirm.
Was folgt, ist eine echte DTP-Offenbarung! Der TT baut die Calamus-Seiten in geradezu atemberaubenden Tempo auf. Wo der ST die Textspalten gemächlich in das Arbeitsfenster hineinrollt, läßt der TT dem Layouter nur Zeit für ein kurzes Augenzwinkern. Kleine Buchstaben im Fließtext oder Riesenlettern für die Überschrift, konturiert oder unterstrichen, aufwendige Vektorgrafiken oder speicherfressende Rasterbilder, was immer wir versuchen: Die 68030-Power des TT lockt Calamus gründlich aus der Reserve.
Beim zweiten Testpartner Adimens 2.3 legt sich der Frischling aus Sunnyvale augenscheinlich nicht ganz so vehement ins Zeug. Das bekanntlich sehr sauber programmierte Adimens ST macht regen Gebrauch von den GEM-Funktionen des Betriebssystems. Und diese nutzen in der Messeversion des TT-TOS laut Leonard Tramiel noch nicht die ganze Kraft des 68030-Prozessors. Doch keine Frage, auch Adimens arbeitet auf dem TT deutlich schneller.
Test | 1040STE (320 x 200) | TT (320 x 200) | TT (640 x 400) |
---|---|---|---|
CPU Memory | 100 | 394 | 393 |
CPU Register | 100 | 405 | 406 |
CPU Division | 100 | 503 | 504 |
CPU Shifts | 100 | 1734 | 1737 |
BIOS Text | 107 | 216 | 189 |
BIOS String | 102 | 209 | 190 |
BIOS scroll | 131 | 288 | 293 |
GEM Draw | 142 | 238 | 226 |
Arbeitstempo von TT und STE in Prozent der ST-Geschwindigkeit
Mit unserem dritten »Softwarepröbchen« rücken wir dem langerwarteten Neuzugang in Ataris Computerfamilie dichter auf den »Hardware-Pelz«. Das CAD-Programm Dynacad verlangt nämlich einen Dongle (Hardwarekopierschutz) im ROM-Port. Offensichtlich keine unlösbare Aufgabe für den TT! Mit raschen Vektorstrichen zaubert der softe CAD-Kanadier seine Konstruktionszeichnungen in 16 Farben und 640 x 480 Pixeln auf den Monitor.
Die erwarteten Abstürze mit Programmen, die dem ST förmlich in den Leib geschrieben sind, können unsere Begeisterung kaum dämpfen. Wenn sich auch die subjektiven Eindrücke von der Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeit nur schwer vermitteln lassen: Der TT versetzt den ST-gewohnten Software-Anwender in eine neue Computerwelt. Wir alle werden unsere Programme bald richtig kennenlernen.
Natürlich können wir diesen ersten Kürztest von Ataris Wundermaschine nicht ohne objektive Leistungsdaten beschließen. In der Tabelle sehen Sie Meßwerte, die wir mit dem Benchmarkprogramm »QIndex« von Ignac Kolenko und Darek Mihocka ermittelt haben. Die Prozentwerte von QIndex beziehen sich auf einen ST ohne Blitter.
Die rein Hardware-abhängigen Werte zeigen eine Geschwindigkeitssteigerung um den Faktor 4. Auf die Meßwerte in den unteren vier Zeilen der Tabelle nimmt das noch nicht optimierte TT-Betriebssystem starken Einfluß. Bis zur Auslieferung der ersten Serien-TTs ist nach Auskunft von Leonard Tramiel eine erhebliche Verbesserung zu erwarten.
Die wachsende Unruhe hinter dem Rücken unserer Tester kündigt das Ende des ersten »Hautkontaktes« mit Ataris kompaktem Leistungsprotz an. Design hin, »Brotkasten« her: Wir haben »TT-Blut geleckt«. Wie pflegen es doch die Programmierfreaks in ihrer computertauglich abgemagerten Sprache so treffend auszudrücken: »Haben wollen!« (W. Fastenrath/hb)