Editorial - Mehr Realität, verehrte Softwarehäuser

Ein Anrufer: »Wir sind das Softwarehaus XY. Unser brandneues Programm ist überragend schnell, arbeitet nach einem völlig neuen Konzept und ist unglaublich preiswert. Unser Malprogramm begeistert sie garantiert!« Doch nach der Präsentation unterbleiben frenetische Beifallstürme und donnernde Hochrufe. Die Vertreter des Softwarehauses sind konsterniert: »Schließlich handelt es sich ja um das Malprogramm schlechthin.«

Nur, brauchen wir das 189ste Malprogramm wirklich? Auch wenn es noch mehr Funktionen hat und einen gefüllten Kreis um 3 Millisekunden schneller zeichnet als alle anderen?

Man benötigt keine revolutionäre Ideen oder einen Next-Emulator (neuer Computer von Steven Jobs), sondern Verständnis für die Realität und den täglichen Einsatz. Die Spielefirmen begreifen das allmählich. Der Atari ST gilt in Deutschland nicht als der ultimative Spielecomputer. Sie beginnen Spiele speziell für den Monitor mit monochromer Darstellung zu entwickeln - für die Entspannung nach der Textverarbeitung.

Wer weiß besser, was der Markt braucht, als die mehr als 350000 ST-Besitzer? Messen, Meinungsumfragen und Zeitschriften sind die Kontaktwege zum Anwender.

Hier kleine Denkanstöße: Welches ST-Programm bringt so beeindruckende Businessgrafiken wie Boeing-Graph, oder verwaltet Kalkulationsblätter so hervorragend wie Microsoft Excel, oder bietet einen so perfekten Outliner wie 4th Dimension oder bietet für die Festplatte soviele Funktionen wie PC-Tools oder...

Ihr
Horst Brandl
Chefredakteur
ST-Magazin



Aus: ST-Magazin 08 / 1989, Seite 3

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