Eineiige Drillinge: Drei Flachbett-Scanner mit integriertem Thermodrucker

Äußerlich unterscheiden sich unsere Testkandidaten nur durch die Aufkleber

In der Computerwelt scheinen die Produzenten das sprichwörtliche Rad nicht nur zweimal, sondern gleich dreimal, viermal oder noch häufiger erfinden zu wollen. Wie sonst ließe sich die Unzahl an Programmen für dieselbe Anwendung erklären. Bei einem Vergleich dieser vermeintlich gleichen Produkte stellt man aber immer wieder fest, daß das eine Rad ein wenig eiförmig geraten ist, dort besitzt die Lauffläche dicke Reifen, sogar die alte Idee der Gleitkufen mit Widerhaken feiert unfröhliche Urstände. Nur das perfekt runde Rad ist nirgends zu haben.

Was den Softwareleuten billig ist, sollte der Hardwareriege nicht zu teuer sein. Als Folgeerscheinung der DTP-Welle ist Bedarf an Computer-Eingabegeräten für gedruckte Text- und Bildinformationen entstanden. Die sogenannten Scanner tasten solche Druckvorlagen ab und wandeln die papiergebundenen Daten in Digitalinformationen um. Gescannte Texte setzt man mit Hilfe von Texterkennungsprogrammen in ASCII-Codes um und bearbeitet sie anschließend in Textverarbeitungen weiter.

Inzwischen bieten drei Anbieter preiswerte Flachbett-Scanner für ST-Computer an, die sich, von den Typenschildern abgesehen, gleichen wie ein Rad dem anderen. Offensichtlich haben wir es mit dem klassischen Fall eines dreifach auftretenden Genieblitzes zu tun. Gelegentlich aufkeimende Vorwürfe, hier seien Ideen »geklaut« worden oder man hätte gar »abgekupfert«, gehören ins Reich der Computermärchen.

Dabei liegt die Erklärung im angesprochenen Falle auf der Hand: Die drei Bildlesegeräte »Hawk«, »Universal Scanner« und »SPAT« haben denselben Vater. Als Basisgerät benutzen die Firmen Marvin, Print-Technik und Silver-Reed nämlich den preiswerten DIN-A4-Tischkopierer »Silver-Reed CP 11«. Dieser Kopierer schiebt die Vorlagen über einen CCD-Sensor in DIN-A4-Breite, tastet (»scannt«) die Hell-Dunkel-Informationen zeilenweise ab und druckt sie über ein zeilenbreites Thermodruckwerk wieder aus. Welchem Hardware-Freak würde bei einer derartigen Konfiguration nicht gleich der Seitenschneider heißlaufen, um in die kurze Leitung zwischen Eingabesensor und Ausgabeeinheit einen Computer einzuschleifen?

Die Grunddaten der drei Flachbett-Scanner sind nahezu identisch. Alle lösen die Vorlagen mit 200 dpi (dots per inch = Punkte pro Zoll) auf und benötigen für das Scannen einer DIN-A4-Vorlage zirka 10 Sekunden. Auch die Interfaces zum Anschluß der Scanner an den ST arbeiten nach ähnlichen Prinzipien und speisen die Daten über die Parallelschnittstelle ein. Print-Technik liefert auf Wunsch für 198 Mark ein Zusatz-Interface zum Anschluß des Scanners an den ROM-Port. Dadurch bleibt die Parallelschnittstelle frei für einen Matrixdrucker. Die Thermodruckwerke der drei Scanner lassen sich als schnelle Ganzseitendrucker verwenden.

Selbst die anfänglich unterschiedlichen Kaufpreise haben sich auf einen Betrag knapp unter 2000 Mark eingependelt, der Print-Technik-Scanner kostet sogar nur noch 1498 Mark und im Kaufpreis ist das DTP-Programm »Timeworks DTP« oder wahlweise ein Video-Digitizer eingeschlossen.

Erst bei der Software scheiden sich die Geister. Universal Scanner und Hawk sind softwarekompatibel und lassen sich daher wechselweise auch mit der »gegnerischen« Software betreiben. Die Qualität der erzeugten Computergrafiken unterscheidet sich nur unwesentlich. Die Grautonauflösung läßt sich in 16 Stufen von reiner Schwarzweiß-Darstellung (für Textvorlagen) bis zu 16 Grauwerten einstellen. Die Grautöne der Vorlage setzt die Interface-Hardware in entsprechend große Pixelmuster um. Dabei sinkt allerdings prinzipbedingt die Bildauflösung von 200 dpi (Schwarzweiß) bis auf 50 dpi bei 16 Graustufen.

Die Hawk-Software scheint am weitesten ausgereift zu sein. Die Bedienungsoberfläche besteht aus einer Menüleiste, einigen Dialogboxen und drei GEM-Fenstern für die verkleinerte Übersichtsdarstellung des Gesamtbildes, für die 1:1-Darstellung und für vergrößerte Ausschnitte. Das Hawk-Scann-Programm gehört zu den wenigen ST-Programmen, die den 19-Zoll-Monitor der Firma Matrix (Test) uneingeschränkt unterstützen.

Gescannte Vorlagen lassen sich über das Druckwerk des Scanners auf dünnes Thermopapier oder über angeschlossene Matrix- und Laserdrucker aus-drucken. Druckertreiber für die verbreiteten Drucker liegen bei. Der Atari-Laserdrucker läßt sich direkt ansteuern, bei Druckern an der Parallelschnittstelle muß man das Kabel umstecken.

Von Scannern erzeugte Bilder belegen sehr viel Speicherplatz. Eine mit 200 dpi aufgelöste DIN-A4-Seite (etwa 2340 x 1660 Punkte) verbraucht über 480 KByte Speicher. Auf STs mit 1 MByte RAM geht es da schon recht eng zu. Daher haben die Marvin-Programmierer die Programmteile zur grafischen Bearbeitung der Bilder in ein separates Programm ausgelagert, das alle Standardfunktionen ähnlicher ST-Programme zur Verfügung stellt.

Die Scanner-Software zum Universal Scanner von Print-Technik arbeitet mit Menüleiste und Dialogboxen, verzichtet jedoch auf GEM-Fenster. Gescannte Vorlagen erscheinen grundsätzlich in 1:1-Darstellung, die linke Bildschirmhälfte zeigt in einem ausblendbaren Fenster eine komplette Übersichtsdarstellung. Die Benutzeroberfläche wirkt nicht so elegant wie beim Hawk-Scanner-Programm, ist aber dennoch sehr ergonomisch gestaltet und bietet alle oben beschriebenen Funktionen. Dank kompakter Programmierung (Dateigröße einschließlich Ressource knapp 110 KByte) ließ sich das Malprogramm integrieren.

Als sehr nützlich erwies sich während unseres Tests der »Scan Window«-Befehl. Nach Markieren eines bestimmten Bereiches im Übersichtsfenster scannt der Universal Scanner nur den markierten Bereich. Auf diese Weise kann man eine Textseite mit Bildern zunächst ohne Graustufen scannen (für optimale Textauflösung) und anschließend die Bildbereiche einzeln mit der geeigneten Grauwerteinstellung nachscannen.

Gegenüber den beiden Konkurrenten fällt die Software zum SPAT-Scanner deutlich ab. Das SPAT-Programm scheint ursprünglich aus einem pixelorientierten Malprogramm hervorgegangen zu sein. Es vermeidet bewußt die meisten ST-üblichen GEM-Elemente. Eine nicht in allen Punkten einsehbare Unterteilung in fünf Funktionsbereiche (symbolisiert als Arbeitsräume mit Ein- und Ausgangstüren) erfordert beim Bereichswechsel mindestens zwei Mausklicks, entsprechend mehr, wenn man sich »verläuft«.

Könnte man über die ungeschickte und umständliche Benutzerführung noch hinwegsehen, so treten im »Scanner-Raum« und in der »Druckerei« gravierende Mängel zutage. SPAT steuert weder den Atari-Laserdrucker noch den NEC-P6 an. Die softwaremäßige Grauwertumrechnung läßt zwar ein Laden verschiedener Grauschattierungen zu, die vorgesehenen Pixelmuster scheinen jedoch willkürlich ausgewählt zu sein und berücksichtigen kaum die wohlbekannten Theorien über die Graustufenemulation auf Schwarzweiß-Ausgabegeräten. Die Qualität der gescannten Graustufenbilder erreicht nicht das hohe Niveau der beiden Mitbewerber.

Als echtes Ärgernis stellt sich das Handbuch heraus. Neben eklatanten Verstößen gegen alle Regeln der deutschen Schriftsprache vermißt man die inhaltliche Klarheit: Die Erläuterungen der einzelnen Funktionen haben meist den Informationsgehalt der berüchtigten 1:1-Übersetzungen japanischer Haartrockner-Handbücher.

Nach Auskunft der deutschen Vertriebsfirma Ludwig in München wird augenblicklich an einer vollständig neuen Software gearbeitet. Erst mit einem komfortablen und funktionsgerechten Steuerprogramm entwickelt sich der SPAT-Scanner zum ebenbürtigen Konkurrenten.

(uh)

Firma Ludwig Bürotechnik, Ingolstädterstr. 62 L, 8000 München 45
Marvin AG, H. Richter, Hagener Straße 65, 5820 Gevelsberg Print Technik, Nikolaistr. 2, 8000 München 40

Dieses Farbfoto wurde gescannt und mit dem Atari-Laserdrucker zu Papier gebracht

Wolfgang Fastenrath
Aus: ST-Magazin 08 / 1988, Seite 136

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