1st Address: Revolution im Aktenschrank

Ein Adreßprogramm hat Chancen, zum »Hit« der Saison zu werden: 1st Address

Jeder kennt sie, die unzähligen Programme, mit denen der Atari Adressen verwaltet. Für den privaten Bedarf, den Fußballverein oder das Geschäft. Einige dieser Programme sind gut gemacht, aber zu langsam. Andere sind schnell, aber nicht flexibel genug. Läßt sich etwa die Datenmaske dem eigenen Bedarf anpassen oder ein exotischer Drucker ansteuern? Viele Programme müssen hier passen. Nicht so »1st Address«.

Das Programm ist »mehr« als ein sehr guter Adreßverwalter. Es ist ein richtiges Dateiverwaltungsprogramm mit außergewöhnlicher Flexibilität, vielen pfiffigen Details, vollständig abgefaßt in schneller Maschinensprache und in Sachen Geschwindigkeit absolut rekordverdächtig.

Starten wir einen ersten Probelauf. Daß es sich bei 1st Address um ein außergewöhnliches Paket handelt, merkt man schon beim Auspacken. Geliefert wird es auf einer ROM-Cartridge, die man an der linken Seite in den ausgeschalteten Rechner steckt.

Die nächste Überraschung: 1st Address ist ein Accessory. Wenn keine anderen Accessories vorhanden sind, gestattet es die parallele Bearbeitung von bis zu sechs Dateien. Jede Datei wird mit ihrem Namen unter dem Atari-Symbol aufgerufen und kann sofort bearbeitet werden, weil das System schon beim Start den Datenbestand von der Diskette in den Arbeitsspeicher lädt. Anders ausgedrückt: Es handelt sich nicht um eine relationale Datenbank, die jeden Datensatz direkt auf die Diskette schreibt, sondern um eine sequentielle Dateiverwaltung, die mit eindimensonalen Feldern arbeitet. Daß dies kein Nachteil sein muß, verdeutlicht ein kleines Beispiel.

Sie sind beispielsweise Hersteller von Tennisbällen und haben die Anschriften aller Tennisclubs in Deutschland (ungefähr 6000) in einer Datenbank erfaßt. Während Sie mit »1st Word Plus« eine Pressemitteilung tippen, ruft Ihr Vertreter aus Baden-Württemberg an und bittet Sie um den Namen des Ansprechpartners des Tennisvereins in Mannheim. Ohne 1st Word Plus zu verlassen, rufen Sie die Datei »Tennis« als Accessory auf. Mit der Funktionstaste F1 geben Sie als Suchstring »Mannheim« ein und in weniger als einer Sekunde gibt 1st Address eine Selektionsliste der 36 Mannheimer Vereine aus. Diese Liste können Sie natürlich weiterverwenden. Etwa zum Ausdrucken eines Serienbriefes mit

»1st Mail« (das Datenformat paßt) oder zum Drucken von Etiketten. Sie entscheiden sich schließlich, alle Ansprechpartner direkt anzurufen. Sofern Ihr Atari mit einem Modem verbunden ist, klicken Sie auf den Button »Modem« und 1st Address wählt automatisch die Telefonnummer. Praktisch, nicht wahr?

Schließlich wollen Sie Ihre Tennisdatei für die verschiedenen Gebietsvertreter nach der Postleitzahl sortieren. Für 6000 Datensätze benötigt ein gutes Programm mindestens fünf Minuten, wenn nicht mehr. Anders bei 1st Address. Es ordnet die gesamte Datei in sensationellen sieben Sekunden (!) neu. Diese hohe Arbeitsgeschwindigkeit erreicht ein optimierter Maschinencode, der auch bei den anderen Programmteilen zum Zuge kommt. Der gesamte Datenbestand erscheint in einem GEM-Fenster. Die horizontalen und vertikalen Rollbalken sind Ihnen vertraut. Sobald Sie allerdings in gewohnter GEM-Manier durch die Datei scrollen, werden Sie ein kleines Wunder erleben. Die Scroll-Rate beträgt 52 Zeilen pro Sekunde, das ist sage und schreibe dreimal schneller als beim Texteditor »Tempus«! Die einzelnen Zeilen scheinen geradezu über den Bildschirm zu »fliegen«. Man blättert durch immense Datenbestände mit einer Geschwindigkeit, die auf dem Atari ST noch nie zu sehen war.

Aber die Geschwindigkeit allein ist noch kein Kriterium für die Qualität einer Dateiverwaltung. Wie schaut es zum Beispiel mit der Flexibilität aus? Zu diesem Zweck richten wir eine ganz neue Datei ein, nämlich eine Buchverwaltung. Mit einem Texteditor geben Sie die Feldnamen untereinander ein. Nach dem Namen folgt die Zeilen-und Spaltenposition in der Bildschirmmaske und die angezeigte Länge des Eingabefeldes. Wie gesagt, die angezeigte Länge, denn im Prinzip darf jedes Feld beliebig lang sein! Zum Schluß geben Sie eine Vorbelegung für das Feld an, die sehr sinnvoll ist, wenn viele ähnliche Daten zu erfassen sind. Es gibt übrigens nur einen Feldtyp, nämlich »Text«. Zwar werden auch Zahlen korrekt sortiert, aber man muß sich selbst um das korrekte Format kümmern.

Ein GEM-Fenster präsentiert sich nach dem Aufruf von 1st Adress
Für Suchvorgänge stehen alte Standardabfragen zur Verfügung
Mit dem Zitatbutton kann man in andere Programme schreiben...

Nach dem Entwerfen der Datenmaske können Sie eine individuelle Druckeranpassung schreiben, die der von 1st Word Plus sehr ähnlich ist. Schließlich gestattet 1st Address das Definieren von Etiketten und Listen mit einer eigenen Programmiersprache. Auch die schon erwähnte Modemsteuerung gestaltet sich mit Hilfe einiger Standardbefehle zum Kinderspiel. Einen reibungslosen Datentransport von und zu anderen Computern führt die serielle Schnittstelle mit eigenen, fehlerfreien Handshake-Routinen durch. Besonders durchdacht erscheint die Datenübertragung über die Parallelschnittstelle. Sie ist sehr schnell (100 kBaud) und unkompliziert zu handhaben, weil man sich nicht mit den Übertragungsparametern beschäftigen muß. Für diese Zwecke ist ein Spezialkabel vom Hersteller erhältlich.

Die fertige Maske wird zum Schluß mit der Extension ».MSK« auf der Startdiskette gespeichert. Aus dem ROM-Modul ruft man anschließend 1st Address auf und erhält nach kurzer Zeit das fertige Accessory mit dem Anhängsel ».ACC«. Die Daten findet der Anwender in dem File »*DAT«. Praktischerweise entspricht es in seinem Aufbau genau dem Format, das »1st Mail« für Serienbriefe benötigt. Von nun an steht der Eingabe von Datensätzen nichts mehr im Wege. Nach einem Druck auf die Funktionstaste F2 erscheint die selbst entworfene Eingabemaske. Die Übersichtsdarstellung erfolgt in Listenform, wobei man in den Anzeigemodus durch einen Doppelklick auf die gewünschte Zeile kommt. Da sich ein Accessory jederzeit aufrufen läßt, ist es nun ein leichtes, während der Arbeit mit 1st Word Plus neue Buchtitel zu erfassen oder nach einem geeigneten Titel für die Fußnote zu suchen. Dies wäre nichts Ungewöhnliches, wenn nicht ein besonderes »Schmankerl« den Datentransfer direkt in eine laufende Applikation hinein erlauben würde. In unserem Beispiel handelt es sich um eine vom Anwender programmierte Ausgabedefinition, die nach dem Anwählen automatisch Autor und Titel des selektierten Buches in das laufende Textprogramm schreibt. Bei 1st Word Plus kann sogar ein bibliographischer Nachweis sofort in die Fußnote geschrieben werden. Wie von Geisterhand schreibt 1st Address seinen Text ab der aktuellen Cursorposition. Wie das funktioniert? Ganz einfach, das Accessory übergibt den Text in den Tastaturpuffer. Das laufende Hauptprogramm ahnt natürlich nichts von diesem Trick und »denkt«, es handele sich um eine normale Texteingabe. Für umfangreichere Recherchen stehen Suchfähigkeiten bereit, die dem Standard von Dateiverwaltungen entsprechen. Die logischen Operatoren ENTHÄLT, KLEINER, GLEICH, GRÖSSER lassen sich in vielfältigen Verknüpfungen (UND, ODER, OHNE) nutzen. Treffen mehrere Sätze auf das Suchkriterium zu, wird automatisch eine Untermenge gebildet. Die gesamten Ausgabeoperationen laufen wahlweise über den Drucker, das Modem oder eine Datei auf Diskette ab. Es erscheint im letzten Fall eine neugestaltete Auswahlbox und nach Eingabe des Namens wird eine formatierte Exportliste auf den Datenträger geschrieben.

Sie sehen selbst: Der Name »1st Address« ist eigentlich eine Untertreibung. Man kann das Programm als ausgereifte Dateiverwaltung bezeichnen, die in punkto Geschwindigkeit und Flexibilität allen Anforderungen zur Verwaltung auch großer Datenbestände genügt. Sicherlich gibt es auch Aufgaben, für die nur eine relationale Datenbank wie »Adimens ST« in Frage kommt — aber im Bereich der sequentiellen Dateiverwaltungen bestätigen wir dem hier vorgestellten Paket, daß es die »Referenz« ist, an der sich andere Programme zukünftig messen lassen müssen.

(Michael Spehr/Ulrich Hofner)

Vertrieb: victorsoft, Halbmond 30d, 2058 Lauenburg/Elbe

...und hier das Ergebnis mit 1st Word Pius

Steckbrief

Produktname: 1st Address

Preis: 148 Mark

Hersteller: victorsoft

Stärken:

das schnellste Programm auf dem Atari ST □ als Accessory jederzeit aufrufbar □ äußerst flexibel □ an jeden Bedarf anpaßbar □ Daten-Schnittstelle zu 1st Mail und WordPerfect □ viele Ein- und Ausgabewege

Schwächen:

Komma darf im Datenfeld nicht Vorkommen □ Kein numerischer Feldtyp vorgesehen



Aus: ST-Magazin 05 / 1988, Seite 62

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