Ogg Vorbis auf dem Atari: Aniplayer 2.21

Ohren auf!!

Aniplayer stellt schon seit Jahren sicher, dass die Atari-Gemeinde den Anschluss an heutige Medienstandards nicht verliert. Wir haben einen Blick auf die neueste Version geworfen.

Was dem Macintosh sein QuickTime-Player, ist dem Atari sein Aniplayer. Wohl kaum eine Applikation wurde in den letzten Jahren so kontinuierlich gepflegt und stets auf dem neuesten Stand gehalten, wohl kaum ein Programm, dass sich deshalb als so wichtig für die Atari-Anwender erwiesen hat. Didier Mequignon hat den Aniplayer vom simplen Bildbetrachter mittlerweile zum kompletten Multimedia-Viewer ausgebaut, der eine Vielzahl von aktuellen Formaten unterstützt. In den letzten Monaten haben wir Aniplayer daher immer mal wieder betrachtet, und nach einigen Updates ist ein Test der neuen Funktionen wieder einmal notwendig geworden.

Wegfall

Die aktuelle Version 2.2 vom Oktober 2002 enthält jedoch nicht nur zusätzliche Features, ein für viele Anwender wichtiges Kriterium ist weggefallen: Aniplayer spielt ab sofort keinen Audiodateien mehr ab, die im MP3-Format kodiert sind. Der Grund dafür ist einfach: Die Lizenzinhaber (unter anderem das Fraunhofer Institut) verlangen seit Neuesten horrende Gebühren von allen Entwicklern, die das beliebte MP3-Format in Playern oder Decodern verwenden. Diese Regelung schließt dummerweise auch Share-und Freewareautoren mit ein, sodass es für diese praktisch unmöglich ist, ihre Programme weiterzuentwickeln, ohne an den Gebühren bankrott zu gehen. Didier Mequignon hat sich daher entschieden, MP3 komplett aus der Liste der unterstützten Formate seines Aniplayer zu streichen. Es hat sich allerdings bereits ein Ersatz gefunden: Aniplayer unterstützt ab sofort das Ogg Vorbis Soundformat. Ogg Vorbis liefert eine bessere Qualität als MP3 und ist darüber hinaus komplett lizenzfrei. Alle Entwickler können das Format also ohne Restriktionen in ihren Programmen verwenden - gerade für private Programmierer ein entscheidender Punkt. Weitere Informationen über Ogg Vorbis entnehmen Sie bite unserem ausführlichen FAQ, das wir für Sie zusammengestellt haben. Übrigens heißt der Wegfall des MP3-Formats in Aniplayer nun nicht, dass MP3-Dateien auf dem Atari nicht mehr abgespielt werden können.

Wer eine ältere Version von Aniplayer besitzt, kann diese selbstverständlich weiterhin zum Abspielen des beliebten Audioformats verwenden. Falcon-Besitzer können alternativ nach wie vor auf FalcAMP zurückgreifen. Dieser Player unterstützt derzeit weiterhin das MP3-Format und nützt zum Abspielen den DSP des Raubvogels.

Ogg Vorbis

Wichtigste Neuerung ist die erwähnte Unterstützung des freien Audioformats Ogg Vorbis. Aniplayer bindet das Ogg-Format dabei durch Shared Libraries ein. Damit umgeht der Didier Mequignon lizenzrechtliche Einschränkungen. Da der Ogg-Code unter der General Public Licence steht, müsste er Aniplayer ebenfalls unter der GPL freigeben, wenn er die Ogg-Unterstützung direkt ins Programm integrieren würde. So schlau dieser Schachzug auch ist, so macht er doch Single-TOS-Anwendern das Leben etwas schwerer. Diese müssen nämlich MetaDOS ab der Version 2.74 installieren, um Shared Libraries zu nutzen. Direkt unterstützt wird das Konzept von MagiC ab der Version 6 und MiNT ab der Version 1.15.3. Die Installation der Bibliotheken wird auf Wunsch automatisch von GEM-Setup übernommen, der Aniplayer wie immer komplett lokalisiert auf die Festplatte kopiert. Nach der Installation muss der Rechner allerdings neu gestartet werden, damit die Shared Libraries eingebunden werden.

Das Ogg Vorbis-Format wird von Aniplayer abgespielt und auch geschrieben. Sowohl De- und Enkodierer basieren auf den derzeit neuesten Versionen von Vorbis. Das Schreiben einer Ogg-Datei ist dabei nicht auf jedem Atari möglich: Zwingende Voraussetzung ist eine FPU. Damit sind auch Betreiber einer Atari-Emulation zumeist außen vor. Unter MagiCMac wird zum Beispiel eine Software-Emulation wie PowerFPU notwendig. Kompatible besitzen dank 68040- bzw. 68060-CPU ebenfalls eine integrierte FPU.

Das Zurückgreifen auf das Originalmaterial von Vorbis ist natürlich für den Entwickler von Vorteil, da er keine eigenen Routinen programmieren muss und das Format so relativ schnell von seinem Programm aus nutzbar machen kann. Auf der anderen Seite handelt es sich natürlich nicht um eine spezielle Entwicklung für den Atari, weshalb jegliche Optimierung fehlt. Kein Wunder also, dass der Rechner beim Abspielen schnell in die Knie geht: Auf einem 160 MHz schnellen Macintosh Performa 5400 benutzt ein mit 115 kbps kodiertes Ogg-File laut Anzeige in Aniplayer bis zu 400 Prozent Rechenleistung. Trotzdem ließ sich nebenbei noch in relativ normaler Geschwindigkeit mit dem Texteditor Luna arbeiten. Die Werte der Auslastungsanzeige dürfen wohl zumindest in Zweifel gezogen werden. Weniger überzeugend war die Qualität des Stücks selbst: Zumindest auf dem Performa lief es schlichtweg zu langsam ab und verschluckte sich regelmäßig. Ein 400 MHz schneller G4-Mac wurde unter MagiCMac dagegen nur zu knapp 50 Prozent gefordert. Insofern ist also sehr viel Rechenpower nötig, um eine Ogg-Datei mit dem Aniplayer abzuspielen. Hier erweist sich, dass Ogg zwar kleinere und qualitativ hochwertigere Dateien erschafft, aber gleichzeitig mehr Leistung verbraucht und deshalb eigentlich nur mit heutigen Prozessoren genutzt werden kann. Sie sollten also einen Emulator auf einem sehr schnellen Mac- oder PC-System nutzen. Interessant dürfte auch der Versuch unter einer kompletten ARAnyM-Umgebung sein. Einmal mehr zeigt Aniplayer den Bedarf nach moderner Hardware auf.

Video auf dem Atari: Eine schnelle Hardware unter ARAnyM macht ungebremstes Filmvergnügen mit Aniplayer erst möglich.

Dolby Digital

Ogg Vorbis ist jedoch nicht das einzige neue Audio-Format, das dank Aniplayer auch auf Atari-Systemen genutzt werden kann. Auch das AC3-Format wird direkt zum Abspielen und Schreiben geboten. Dabei werden auch AVI-Videodateien mit AC3-Audiotrack unterstützt. Wer im AVI-Format speichert, kann den AC3-Soundtrack gleich mitschreiben.

Aber auch sonst wurde die Unterstützung von Audioformaten weiter verbessert. Ab sofort kann auch im MP2-Format gespeichert werden.

Video

Auch digitale Videofreunde kommen noch mehr auf ihre Kosten. Besonders die Unterstützung von AVI- und MOV-Dateien wurde weiter verbessert. So können ab sofort auch Videofiles abgespielt werden, die im Sorensen-Format vorliegen. Noch wichtiger für viele Anwender ist sicherlich die noch komplettere Unterstützung des DivX-Videoformats, denn im Internet finden sich bekanntlich ganze Kinofilme, die in diesem Format gespeichert sind. Neu hinzugekommen ist die Unterstützung von MS DivX 1 und 2, sowie DivX 5. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Film abgespielt werden kann, ist also nochmals gestiegen, obwohl wir in unserem Test besonders Probleme mit QuickTime-Kompressionen hatten. Außerdem gilt auch hier: Originale Atari-Hardware scheidet beim Abspielen praktisch aus, eine sehr schnelle Emulation oder ein schnelles ARAnyM-System sind zwingende Voraussetzung.

Ebenfalls neu ist das Abspielen von Videos im Real Media-Format. Bisher wird der Real Video-Typ 1 unterstützt. Wer Aniplayer als Plugin im Webbrowser CAB verwendet, wird hier seine Freude haben.

Bedienung

Ein dicker Minuspunkt von Aniplayer ist nach wie vor die etwas umständliche und altertümlich wirkende Programmbedienung. So muss der Anwender vor der Auswahl einer Sound- oder Videodatei selbst die Dateityp auswählen. Eleganter wäre es hier allemal, wenn Aniplayer diesen automatisch erkennen würde. Außerdem ist die Anzahl der verfügbaren Optionen mittlerweile so groß, dass wohl endlich ein eigenes Konfigurationsfenster angebracht wäre.

Fazit

Aniplayer bringt den Atari in der Unterstützung von Sound- und Videodateien wieder näher an den neuesten Stand. Besonders die Unterstützung von Ogg Vorbis- und DivX-Formaten ist natürlich vorbildlich. Gleichzeitig führt wohl kaum ein Programm klassische Ataris derart an ihre Leistungsgrenzen, dass man wohl bei vielen Formaten von einer theoretischen Möglichkeit des Abspielens sprechen darf.

Trotzdem: Aniplayer ist und bleibt eines der wichtigsten Stücke Software auf dem Atari, stc

http://aniplay.atari.org/, Preis: EUR 10.--

Thomas Raukamp

Info: Das Musikformat Ogg Vorbis wird von vielen Experten als Nachfolger von MP3 gehandelt. Mehr über Ogg Vorbis erfahren Sie in unserem Grundlagenartikel ab Seite 54. Die aktuelle Version von Aniplayer unterstützt Ogg Vorbis beim Kodieren und Dekodieren. Der Atari hinkt also wieder einmal nicht hinterher.



Aus: ST-Computer 03 / 2003, Seite 51

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