Vom 8.3. bis zum 10.3. fand in Dresden statt. Diskutiert wurde nichts geringeres als die Zukunft der Atari-Welt. Matthias Jaap und Thomas Raukamp im Treffen teil.
Das Thema des Treffens war dabei klar: Es ging um den geplanten Coldfire-Rechner xTOS. Kurz zuvor war in diversen Newsmeldungen der Name AtlanTOS verkündet worden, der jedoch nur ein Projektname ist. Wichtiger als der Name war jedoch die Liste der anwesenden Hard- und Softwareentwickler: Neben Lokalmatador Norman Feske (a.k.a. No/Escape) machten u.a. Markus Fichtenberg, Oliver Kotschi, Frank Naumann, Fredi Aschwanden, Matthias Jaap und Richard Gordon Faika dem Treffen ihre Aufwartung. Hauptthema war die Hardware des Coldfire-Rechners sowie dessen Betriebssystem. Mit der TOS-group hatte das Treffen übrigens trotz einiger thematischer Überschneidungen nichts zu tun.
Neben der schon vorher festgelegten Prozessorplatine, die es ermöglicht, den zuerst verwendeten Coldfire gegen das Modell CF4e auszutauschen, wurden weitere Schnittstellen fest eingeplant. Mancher wird sich beim Anblick des im Internet veröffentlichten Board-Designs gewundert haben, dass dort sowohl USB 1.0 als auch USB 2.0 zu finden waren. Der Grund liegt darin, das der MCF5407 nur USB 1.0 unterstützt, aber der MCF5417 USB 2.0. Im Board wird nun bereits USB 2.0 vorgesehen. USB ist abwärtskompatibel, d.h. USB 1.0-Geräte können problemlos weiterverwendet werden. USB 2.0 ist erheblich schneller als die 1.0 und soll USB z.B. für die Video-Bearbeitung interessant machen.
Maus und Tastatur werden über den gewohnten PS/2-Anschluss mit dem xTOS verbunden. Auch wenn einige das baldige Ende von PS/2 prophezeien, wird es diesen Standard noch lange geben. USB-Tastaturen und -Mäuse sind zudem teurer und würden einen grösseren Anpassungsaufwand bedeuten -immerhin müsste der USB-Treiber schon vor dem eigentlichen Bootprozess eingebunden werden, damit z.B. Konfigurationsarbeiten auf unterer Systemebene durchgeführt werden können.
Kein Thema ist auch das LS-120-Laufwerk. Da das LS-120 schon vor einiger Zeit gefloppt ist, ist das Laufwerk für den xTOS natürlich auch kein Thema. Ebensowenig ein Thema sind ED-Laufwerke oder ähnliche Exoten. Es wurde sowieso lange darüber diskutiert, ob ein Diskettenlaufwerk heute noch Sinn macht. Damit der Rechner aber notfalls von Diskette booten kann und auch ältere Programme, die sich bei vielen Anwendern noch auf Diskette befinden, eine Chance auf ihr Weiterleben haben, hat man sich doch dafür entschieden.
Als Soundkarte dient - wie schon angekündigt - die Deesse-Karte, die auf dem Treffen schon einen serienreifen Eindruck vermittelte und auch vorgeführt werden konnte. Damit ist der xTOS-Rechner ein waschechter Falcon-Nachfolger, da er serienmäßig mit einem DSP ausgeliefert wird.
In Sachen Grafik wird voraussichtlich ein moderner ATl-Chip verwendet.
Höchstwahrscheinlich wird es sich dabei um den Radeon-Chip handeln, womit der neue "Atari" auch in dieser Hinsicht auf dem neuesten Stand wäre. Die Grafikhardware wird dabei höchstwahrscheinlich direkt auf dem Board untergebracht, was den Vorteil hat, dass Entwickler und Democoder sich von Anfang an auf ein Standard-System einstimmen können und es hier zu keinen Verwirrungen kommt. Der Grafikkartentreiber wird anfangs die 2D-Funktionen des Chipsatzes unterstützen, 3D-Funktionen (z.B. für die Spieleentwicklung) werden nachgeschoben.
Außerdem kann durch die Integration des ATl-Chips auf dem Board die Entwicklung einer waschechten AGP-Schnittstelle umgangen werden. Ob AGP mit dem ColdFire-Prozessor realisiert werden kann, ist bisher eher unklar.
Die Software nahm eine etwas untergeordnete Rolle ein. Milan Computersysteme erklärte sich auf dem Treffen bereit, das weiterentwickelte TOS, das auch im Milan II Verwendung finden sollte, dem xTOS-Projekt zur Verfügung zu stellen. Der Vorteil dabei ist, dass die Anpassungsarbeiten erheblich leichter als bei vorherigen Projekten sind, da in erster Linie nur noch der TOS-Kernel angepasst werden muss. Darauf setzt für das Multitasking ein MiNT-Kernel auf, auf dem wiederum ein beliebiges AES laufen kann, woller systeme gab bereits grünes Licht für eine N.AES-Anpassung, jedoch ist das vorgestellte Konzept flexibel genug, damit auch das beliebte MagiC-System praktisch als AES aufsetzen kann. Ein weitere Möglichkeit für die Oberfläche wäre die Weiterentwicklung des AES 4.x des von Atari. Damit würden weitere Standards gesetzt.
Im Fahrwasser der xTOS-Überlegungen erhielt auch der Plan, das TOS als Standard-Betriebssystem des Atari-Markts weiterzuentwickeln, neue Impulse. So wurden die Projekte TOS 5 und TOS 6 angedacht. TOS 5 würde in erster Linie bestehende Systemerweiterungen integrieren, um nach 10 Jahren des Wildwuchses endlich wieder Standards im Markt festzusetzen. Dies würde bedeuten, dass in erster Linie inoffizielle Standards wie BubbleGEM und OLGA fester Bestandteil des TOS würden. Hinzu kämen außerdem ein erweitertes AES, Treibersoftware (Grafikkarten, USB, usw.), ein fester Internet-Stack und z.B. ein revolutionäres neues Konzept für die Vereinfachung von Programm- und Systemeinstellungen. Auch Software zum Abspielen und Darstellen von Videos, Grafiken und Sounds (hier könnte z.B. der Aniplayer zum Standard werden) könnte integriert werden. Gemutmaßt wird auch über einen brandneuen, schon in der Entwicklung befindlichen Desktop, der viele Vorzüge von jinnee und Thing! in sich vereinigen und neue Konzepte mitbringen würde.
Ein TOS 6 wäre dann bei Erfolg des TOS 5 ein weiterer Schritt, der das TOS endgültig zu einem topaktuellen System machen würde. Die beste Nachricht ist aber sicherlich die, dass man sich bemühen will, TOS 5 und evtl. 6 auch für alle Atari-Systeme ab dem Atari TT (also 68030) verfügbar zu machen.
Lange diskutiert wurde auch das Problem der Abwärtskompatibilität des neuen Rechners. Generell sollen wie bei allen Clones die „sauber“ programmierten Programme lauffähig sein. Wenn ein Programm saubere GEM-Ausgaben macht und daher auf Grafikkarten läuft, sollte es auch auf dem ColdFire-Rechner seinen Dienst verrichten. Ältere Programme und Spiele können natürlich nur unzureichend berücksichtigt werden, zumal es nicht das Ziel eines brandneuen Systems sein kann, altmodische Ansätze am Leben zu erhalten. Damit aber trotzdem einige ältere Programme und auch einige Spiele betrieben werden können, wird der xTOS-Rechner wahrscheinlich mit einem ST-Emulator ausgerüstet werden, als praktisch mit einem „ST im xTOS“. Dieser Kompromiss dürfte viele Anwender zufrieden stellen.
Auch ein paar Software-Projekte wurden auf dem Treffen besprochen, diese sind allerdings noch streng geheim. Von großer Wichtigkeit wird bei der Finanzierung neuer Software aber die Atari/TOS Software Foundation sein (wir berichteten). Hier können Anwender für neue Projekte wie einen aktuellen Webbrowser einzahlen, um sie zu ermöglichen und beim späteren Kauf mit Rabatten belohnt zu werden. Schon in den nächsten Wochen soll hier der Startschuss fallen.
Bei der Gestaltung des Endpreises muss sich der Atari-Fan an die Realität binden. Dies heißt konkret: ein neuer Rechner unter EUR 1000.- ist nicht machbar, weil die zu erwartenden Stückzahlen derzeit keine günstigere Produktion zulassen. Natürlich kann somit nicht direkt mit dem PC-Markt konkurriert werden, da aber jedenfalls anfangs in erster Linie Atari-Kreise angesprochen werden sollen, baut man keine Luftschlösser. Je mehr Rechner vorbestellt und verkauft werden, umso günstiger könnte der Preis werden, Wunder sollten hier allerdings nicht erwartet werden. Schon jetzt arbeiten die beteiligten Entwickler und Helfer ehrenamtlich, verdienen wird (zumindest auf absehbare Zeit) keiner der Beteiligten. Trotzdem ist es notwendig, dass die Entwicklungs- und Material kosten auf den Anwender umgelegt werden - und insofern ist der Preis von ca. EUR 1000.- für eine Platine schon sehr gut. Immerhin sollten Atari-Fans bedenken, dass sie zum Teil seit Jahren keinen neuen Rechner mehr gekauft haben und ihre vorhandene Software größtenteils weiterverwenden können. Also sparen Sie eigentlich Geld, indem Sie beim Atari-System bleiben...
Ob auch ein Komplettsystem (also mit CD-ROM, Festplatten etc.) auf den Markt kommen wird, oder ob es den Händlern bzw. Anwendern überlassen bleiben wird, die Maschine zu bestücken, wird mit weiteren Umfragen ermittelt.
Natürlich fehlen immer ein paar Entwickler, die „unbedingt“ dabei sein müssten, aber in der versammelten Runde wurden dennoch Fortschritte erzielt. In der Natur von Entwicklertreffen liegt es allerdings auch, dass ein Großteil der Beschlüsse erst einmal unter Verschluss bleiben.
Fest steht, das der xTOS-Rechner gebaut wird und sich mit Frontier Systems als verantwortliche Firma und Fredi Aschwanden als Hardware-Designer ein gutes Team zusammengefunden hat. Die Veranstaltung eines Entwicklertreffens war - nach dem etwas kurzem „Geheim-Treffen“ auf dem Atari-Park -ein wichtiges Signal für den neuen Rechner und eine Veranstaltung, die man gerne wiederholen möchte und wird.
Ideen in Papier festgehalten: Über Hardware-Details wurde Einigkeit erzielt.
acp.atari.org xtos.de
Auf der neuen offiziellen Coldfire-Webseite können Sie sich stets über den Stand der Dinge informieren. Außerdem werden hier die Mitarbeiter vorgestellt.
Fotos: Oliver Kotschi, Thomas Raukamp