Die Reservoir Gods haben ihre längere Pause beendet und melden sich mit einem Denkspiel für STE/Falcon zurück.
Chu Chu Rocket ist eine Umsetzung des gleichnamigen Dreamcast-Spiels. Der Titel war in mehrerer Hinsicht einmalig. Zum einen gilt CCR als erstes Konsolen-Onlinespiel und zum anderen ist es das einzige Dreamcast-Spiel für das in Deutschland massiv Werbung betrieben wurde. Leider hörte die breite Masse lieber auf die Versprechungen von Sony und so wurde die Produktion der Dreamcast trotz exzellenter Spiele in diesem Jahr eingestellt. CCR war zurückblickend sicherlich das falsche Spiel für eine Werbekampagne, denn diese verschlang soviel Geld, das für das Bewerben von Hits wie MSR oder Virtua Tennis kein Geld mehr übrig war. Schließlich gab Sega seinen Rückzug aus dem Konsolenhardwaregeschäft bekannt und entwickelt seitdem fleißig an Spielen für andere Plattformen. Besagtes Chu Chu Rocket erschien in Japan zum Start des Game Boy Advance und soll im Winter auch in Deutschland über THQ erscheinen. Im Gegensatz zur Dreamcast-Version, die eine Zeitlang kostenlos verteilt wurde, wird die GBA-Version allerdings „übliche“ 119 DM kosten.
Programmiert wurde CCR von Sonic Team, die - nomen est omen - hinter den Sonic-Spielen stecken. Die Atari-Version ist natürlich nicht von ihnen, sondern von den Reservoir Gods.
In einer weit entfernten Zeit leben die Chu Chus auf einem Raumhafen in einer fremden Galaxie. Die Chu Chus sind friedliche Weltraummäuse und bewohnen diesen Raumhafen zu tausenden. Dort wähnten sie sich sicher vor ihren natürlichen Feinden, den KapuKapus. Diese Weltraumkatzen haben nichts lieber auf ihren Speisenkarten als einen Chu Chu. Eines Tages dockte ein Raumschiff der KapuKapus an den Raumhafen an und die Weltraumkatzen übernahmen den Hafen. Die Mäuse gerieten in Panik angesichts dieser Invasion. Chu Chus sind zwar friedlich aber auch ausgesprochen dumm und so liefen sie nicht geordnet in die Fluchtraketen.
Dies ist der Punkt, wo der Spieler einsetzt.
Das Spiel könnte man als eine Kombination aus Lemmings und Tom & Jerry beschreiben. Im Mittelpunkt stehen die Chu Chus, die nach festgelegten Bahnen über das Spielfeld. Ihre Bewegungen sind dabei sehr einfach: wenn die Maus gegen eine Wand rennt, dreht sie sich nach rechts. Mit der Platzierung eines Pfeils lassen sich die Mäuse in die gewünschten Bahnen lenken. Da immer nur eine begrenzte Anzahl an Pfeilen zur Verfügung steht, müssen die vorhandenen Wände benutzt werden. Die meisten Wandteile wurden nicht ohne Grund von den Leveldesignern plaziert.
Die Weltraumkatzen gehorchen den selben Regeln und reagieren ebenfalls auf die Pfeile. Wenn ein KapuKapu gegen einen Pfeil rennt, wird der Pfeil kleiner und zerbricht nach zwei Kollisionen.
Auf dem Bildschirm ist eine oder mehrere Raketen. Dort müssen die Mäuse hingelenkt werden, wobei es bei mehreren Raketen nicht wichtig ist, in welcher Rakete die Mäuse landen. Vorsicht ist bei den KapuKapus geboten, denn diese dürfen auf keinen Fall mit einer Rakete kollidieren.
Normalerweise darf ein KapuKapu nicht mit einer Maus kollidieren. Die Mäuse sind schneller als die Weltraumkatzen und rennen auch freiwillig in ihr Verderben.
Als letztes Spielelement gibt es ein schwarzes Loch, das sowohl für Chu Chus als auch für KapuKapus tödlich ist.
Chu Chu Rocket ist ein Multiplayerspiel. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, das die Mehrzahl der Modi sich an mehrere Spieler richtet. Der „4 Player Battle“ läßt vier Spieler gegeneinander antreten.
„Challenge“ ist eine Art Missions-Modus mit unterschiedlichen Aufgaben. „Puzzle“ ist Denkspiel pur ohne die sonst übliche Hektik. „Team Battle“ entspricht dem „4 Player Battle“ nur treten hier zwei Teams à zwei Spieler an.
Ohne Zweifel sind die Duelle gegen vier andere Spieler die hektischsten. Generatoren produzieren laufend Katzen und Mäuse und jeder Spieler hat seine eigene Rakete. Die Katzen und Mäuse lassen sich durch Pfeile aller Spieler beeinflussen. Natürlich ist das Ziel, möglichst viele Chu Chus in die eigene Rakete zu befördern. Besonders gemein ist es, die Weltraumkatzen in gegnerische Raketen zu lenken. Dem betroffenen Spieler gehen daraufhin ein Drittel seiner bereits eingesammelten Chu Chus verloren.
Jeder Spieler kann maximal drei Pfeil plazieren, was bei vier Spielern insgesamt zwölf Pfeile gleichzeitig macht. In diesem Modus tauchen zwei spezielle Chu Chus auf. Die dunkle Weltraummaus setzt das Glücksrad in Gang, das Ereignisse wie „Slowdown“ oder „Katzen-Invasion“ auslöst. Die seltene 50-Chu Chu Maus repräsentiert gleich fünfzig Chu Chus auf einen Schlag.
Wer keine drei Mitspieler parat hat, kann auch gegen drei Computergegner spielen.
Sehr abwechslungsreich ist Challenge. Vor jedem Level wird eine Aufgabe gestellt: Get Mice: Alle Mäuse müssen sicher in die Rakete gelenkt werden. Feed the Cat: Alle Mäuse müssen von der Katze gefressen werden.
50 Mice: Fünfzig Mäuse müssen gerettet werden. Meistens läuft in diesen Levels auch eine Katze herum.
Cat Soccer: Es müssen so viele Katzen wie möglich in die Rakete des Gegners gelenkt werden.
In allen Mission herrscht ein dreißig Sekunden Limit. Etwas einfacher ist dieser Modus, wenn zwei Spieler ihn spielen.
Auf dem Auswahlbildschirm lässt sich eine Mission frei auswählen, es muss also keine Reihenfolge eingehalten werden. Für jede Mission merkt sich das Spiel die schnellste Zeit. Gelöste Level verlieren so nicht ihren Reiz.
Während bei allen Spielvarianten die Pfeile während des Spiels plaziert werden, ist bei dem Puzzle-Modus Ruhe angesagt. Die Pfeile werden wie gehabt plaziert, um die Chu Chus in die Rakete zu lotsen. Wird eine Weltraummaus von einer Katze gefressen oder von einem Loch verschlungen, gilt der Level als verloren. Gleiches gilt, wenn die Katze auf die Rakete trifft. Im Gegensatz zu den anderen Modi, wo drei Pfeile gleichzeitig plaziert werden, die in alle vier Richtungen zeigen können, gibt es hier eine vorgegebene Zahl an Pfeilen, die in eine feste Richtung zeigen. In der Regel werden alle vorgegebenen Pfeile auch wirklich benötigt, um das Level zu lösen.
Im Puzzle-Modus gibt es kein Zeitlimit. Mäuse und Katzen setzen sich erst dann in Bewegung, wenn der Spieler „Go“ bzw. „FFwd“ auswählt. Dann ist die Entscheidung aber unumkehrbar. Mit „Redo“ wird der Level neu gestartet.
Zum Team Battle gibt es eigentlich wenig zu sagen, da es nur eine Variante des „4 Player Battle“ ist.
Gut bestückt präsentiert sich das Optionsmenü. Der interne Lautsprecher kann ein- und ausgeschaltet, Sound und Musik getestet werden. Wem das Spiel zu lahm ist, der stellt die Spielgeschwindigkeit auf „Fast“. Für die Varianten gegen andere Spieler ist die Zeit und die Anzahl der benötigten Einzelsiege einstellbar. Ebenso kann die Häufigkeit der „Super-Mäuse“ geregelt werden. Wem der Trackersound nicht gefällt, der kann diesen abstellen.
Die Grafik von Chu Chu Rocket ist erwartungsgemäß schlicht, aber übersichtlich. Es tummeln sich mitunter sehr viele Mäuse gleichzeitig auf dem Bildschirm, so das die klaren Kontraste der Spielgrafik sehr gut zur Geltung kommen. Dafür muss aber auf den für RG-Spiele so typischen True Colour-Look verzichtet werden.
Die Mäuse und Katzen sind wie auf dem GB-Advance als normale Bitmaps dargestellt, im Gegensatz zur Dreamcast-Version, die Vektorgrafik verwendete. Auch die anderen Objekte haben eher eine Ähnlichkeit zur GBA-Version, z.B. sind die Raketen deutlich flacher und starten nicht eindrucksvoll nach oben. Zumindest den Raketenstart hätte der Falcon hinbekommen, statt dessen erscheint ein Sternenfeld.
In Leveln mit vielen Katzen und Mäusen merkt man mitunter deutlich, daß der Falcon mit der Sprite-Masse überfordert ist. Die Bewegungen werden jedoch nur etwas abgebremst, das Spiel ist weiter problemlos spielbar.
Etwas schade ist, das nur der Low-Res-Modus des Falcon benutzt wurde, denn es wäre sehr angenehm, wenn die Falcon-Spiele einmal unter 640*400/480 laufen würden. Die Grafikauflösung entspricht in etwa der des GBA, nur wirken auf den größeren Computerbildschirmen die Grafiken pixeliger.
Die sonstige Präsentation des Spiels ist sehr professionell. Nach dem Spielstart hüpft ein kleiner Ball auf den Bildschirm und erzeugt das Wort „Atari“ samt Logo. Auch das Sonic Team wird im Vorspann genannt.
Wird eine Zeitlang nichts ausgewählt, wechselt das Spiel in den Demonstrations-Modus und spielt gegen sich selbst.
Gut gelungen sind die Soundeffekte. Diese stammen direkt von der Original-Version und reichen von Katzengefauche bis zu einem gesprochenen Raketencountdown. Hörenswert ist auch die Musik, die aus neuen Stücken und Remixen der Original-Musik besteht. Von der musikalischen Qualität sind beide in etwa gleich, auch wenn weder die Dreamcast- noch die Falcon-Musik ein Meisterwerk darstellen.
Eine Sache, die bei Chu Chu fehlt ist eine Einstellmöglichkeit für die Lautstärke der Musik.
Die Kontrolle des Spiels ist das große Handicap der Falcon-Version. Zwar kann mit Jagpad (sogar mit Team-Tap-Unterstützung), Tastatur, Joystick und Maus alles benutzt werden, aber Chu Chu Rocket ist eigentlich auf ein Joypad mit vier Feuerknöpfen optimiert. Beim Dreamcast sind diese Feuerknöpfe so angeordnet, das Pfeile in die entsprechenden Richtungen schnell gesetzt werden können. Beim Falcon muss der Feuerknopf und schnell die entsprechende Richtung gedrückt werden. Gerade im Duell gegen den Computer ist die etwas hakelige Steuerung ein klarer Nachteil. Oft erscheint in der Hektik einfach ein Pfeil nach links.
Dies ist übrigens auch ein häufig geäußerter Kritikpunkt an der GBA-Version: der GameBoy Advance hat zwar vier Feuerknöpfe, aber zwei davon sind als „Schultertasten“ an der Oberseite des Geräts angebracht.
Etwas unverständlich ist die nicht durchgängige Kontrolle des Spiels. Zwar kann im Spiel selber die Maus eingesetzt werden, aber in den Spielmenüs muss weiterhin mit der Tastatur navigiert werden.
Die Atari-Version verfügt über keinen Spielfeldeditor. Das ist nicht weiter tragisch, denn nur die wenigsten haben Geduld und Können, um anspruchsvolle Level zu entwerfen. Auf dem Dreamcast hatte der Editor einen zusätzlichen Reiz, weil selbstentworfene Level auf die CCR-Webseite hochgeladen werden konnten.
Schmerzlicher ist da schon das fehlen des Online-Modus, denn der Atari-Spiele-Welt täte sicher ein richtiger „Online-Kracher“ gut.
Klar ist: die Falcon-Version kann nicht mit der Dreamcast-Version mithalten und ist vom Umfang kleiner als die GBA-Version. Trotzdem ist „Chu Chu Rocket“ ein echter Denkspielknaller der schnell verstanden, aber schwer zu meistern ist. Die gelegentlich geäußerte Hoffnung in einigen Online-Foren, das jetzt weitere Dreamcast-Spiele umgesetzt werden könnten, muss aber widersprochen werden.
Quelle: http://rg.atari.org