Porthos 1.25: PDF auf dem Atari

Das PDF-Format setzt sich im Druckbereich immer weiter durch. Auch Online-Dokumente liegen immer häufiger in dem abgespeckten PostScript-Format vor. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich PDF-Dateien auch auf dem Atari durchsetzen konnten. Mittlerweile sind aber einige Brücken geschlagen: Calamus ermöglicht das Schreiben von PDF-Da-ten, und in Ausgabe 07/08-2001 konnten wir mit gemgs bzw. GhostScript eine Programmkombination vorstellen, die es bereits einigermaßen unkompliziert möglich machte, PDF-Files auch auf dem Atari darzustellen. Der Nachteil dieser Lösung ist jedoch, dass GhostScript ein aus der Unix-Welt portiertes Programm ist, das also weder auf dem Atari entstanden noch sonderlich sorgfältig an diesen angepasst wurde. Das Ergebnis ist eine etwas komplizierte Installation sowie eine langsame Geschwindigkeit bei der Darstellung, gemgs stellt dabei "nur" die grafische Oberfläche dar, damit GhostScript nicht kryptisch über Kommandozeilen bedient werden muss.

Hilfe aus dem Hause invers

Wie bereits erwähnt, vermag auch das professionelle Publishing-Programm Cala-mus SL mittlerweile über den Druckertreiber "PDF-Print" PDF-Dateien herzustellen. Es dauerte nicht lange, und ein eigenes Calamus-Magazin entstand komplett als PDF-Dokument. Etwas grotesk war hingegen, dass "Die Feder" auf dem Atari nur mit einigen Problemen darstellbar war. Und so kündigte invers Software einen PDF-Reader an, der die Misere beenden sollten. Mittlerweile liegt Porthos in der Version 1.25 vor.

Voraussetzungen

Porthos ist für die Benutzung unter MagiC programmiert worden, läuft in der aktuellen Version jedoch-auch unter dem MiNT-Betriebssy-stem N.AES. Grundsätzlich sollte das Programm auf jedem TOS-Rechner laufen, um jedoch eine akzeptable Geschwindigkeit zu erreichen, sollte mindestens die 68030-CPU des Falcon für Geschwindigkeit sorgen. Wir testeten Porthos auf einem Power Macintosh G4 mit 400 MHz, einem iBook mit 600 Mhz und einem Falcon 030 mit 32 MHz. Auf einem Atari TT bekamen wir das Programm nicht zum Laufen, invers Software ist dieses Problem jedoch bekannt. Zwar waren die Ursachen zum Zeitpunkt dieses Tests noch nicht gefunden, jedoch arbeitet man an einer Lösung.

Softwareseitig wird zum Ausdruck NVDI ab der Version 5.0 vorausgesetzt. Wer nicht MagiC ab der Version 3.0 nutzt, muss außerdem die Systemerweiterung WDialog bzw. NDialog installieren. Zum Export von Grafiken wird aus-serdem Papillon vorausgesetzt.

Im Gegensatz zu gemgs/Ghost-Script wird Porthos nicht als Freeware herausgegeben. Das Programm wird vielmehr kommerziell vertrieben und kostet 69 DM. Eine Demoversion kann von der Webseite von invers geladen werden, diese kann jedoch immer nur die Startseite eines Dokuments darstellen.

Etwas enttäuschend ist, dass Porthos ohne ein gedrucktes Handbuch ausgeliefert wird, was bei diesem Anschaffungspreis vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr steht eine Online-Hilfe im PDF-Format bereit, die sich ebenfalls bei invers Software findet. Eine kontextsensitive Online-Hilfe im ST-Guide-Format - immer noch Standard gerade auf Classic Ataris - sucht der Anwender aber vergeblich. Immerhin nutzt die Oberfläche des Programms jedoch die BubbleGEM-Hilfe. Verbleibt der Anwender also mit der Maus über einem Button, so erscheint eine Sprechblase mit einer kurzen Erläuterung der zugrunde liegenden Funktion. Als weiterer Standard wird GEMScript unterstützt. Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass das PDF-Handbuch (geschrieben von Calamus-Guru Ulf Dunkel persönlich) sehr genau in das Programm einführt, reich bebildert und verständlich ist.

Die Installation ist erfreulich einfach. Das Porthos-Verzeichnis kann an jeden beliebigen Platz der Festplatte kopiert werden, die Beschäftigung mit Konfigurationsdateien wie bei gemgs entfällt völlig. Auch der Programmstart erfolgt zügig: während gemgs bzw. GhostScript auf einem Falcon ca. zwei Minuten braucht, um den Interpreter zu initialisieren, fährt Porthos ohne Verzögerung direkt hoch.

Voreinstellungen

Nach dem ersten Programmstart sollte der Anwender wie gewohnt den Voreinstellungen etwas Aufmerksamkeit schenken. Besonders Augenmerk ist hier auf die Cache-Funktion zu legen, erhöht dieser Zwischenspeicher die Arbeitsgeschwindigkeit doch teilweise erheblich. Im günstigsten Fall sollten Bildschirm- und Seitenbeschreibungs-Cache eingeschaltet sein. Der Bildschirm-Cache stellt sicher, dass die Fensterbewegungen so schnell wie möglich vonstatten gehen. Der Seitenbe-schreibungs-Cache wirkt sich hingegen dann aus, wenn Veränderungen der Darstellungsgröße vorgenommen werden.

Die weiteren Einstellungen beziehen sich in erster Linie auf das Aussehen der Benutzeroberfläche und die Navigation im Fenster aus. Besonders gelungen ist auch die Spachauswahl: anstatt, dass der Anwender selbst die für ihn zutreffende Ressource-Datei in das Programm-Hauptverzeichnis kopieren muss, braucht er im Programm nur eine Landesflagge auswählen, um seine Sprache zu installieren.

Darstellung

Grundsätzlich gibt es mehrere Wege, um auf einem modernen Atari-System ein PDF-Dokument durch Porthos darstellen zu lassen. Der praktischste Weg ist sicherlich, Porthos unter einem modernen Desktop wie jinnee als Standardapplikation zur Darstellung von PDF-Dateien anzumelden. Jedesmal, wenn Sie nun eine solche Datei doppelklicken, wird Porthos gestartet, um sie automatisch darzustellen.

Da PDF-Dokumente auch immer häufiger online anzutreffen sind, empfiehlt es sich außerdem, Porthos als Standardapplikation für die Darstellung z.B. im Webbrowser CAB oder dem ASH EMailer anzumelden. Soll eine PDF-Datei von diesen Programmen angezeigt werden, öffnet sich automatisch Porthos. Generell kann hier jedes Programm als Quelle dienen, das das AV-Protokoll unterstützt.

Wird ein Dokument geöffnet, so zeigt Porthos in seinem Arbeitsfenster einen kleinen Fortschrittsbalken an, der über den Verlauf der Ladefunktion informiert.

Die Darstellungsgeschwindigkeit ist erfreulich hoch. Vorbei die Zeiten, als der leidgeplagte Atari-Anwender lange Minuten warten musste, die selbst das simpelste Dokument für seine Darstellung benötigte. Natürlich hängt die Darstellungsgeschwindigkeit in erster Linie von der Leistung der Hardware ab. Zwar kann selbst auf einem Power Mac nicht von einer unmittelbaren Darstellung geredet werden, flüssig läuft der Aufbau eines Dokuments aber ab. Die Startseite von "Die Feder" wurde z.B. in weniger als 2 Sekunden auf den Bildschirm gebracht.

Navigation

Im Darstellungsfenster wird zu jedem PDF-Dokument eine Werkzeugleiste angezeigt. Die enthaltenen Piktogramme stellen die wichtigsten Funktionen zur Arbeit in dem Dokument dar. So kann eine Dokument-lnfo abgerufen werden, die z.B. das Erstellungsdatum und -programm wiedergibt. Pfeilsymbole lassen das Blättern im Dokument zu, alternativ kann mit den Cursortasten geblättert werden. Allerdings können Seiten auch direkt angesprungen werden.

Hilfreich sind auch die voreingestellten Vergrößerungsstufen. So kann ein Dokument an die Höhe bzw. Breite des Bildschirms angepasst werden. Leider ist eine stufenlose Vergrößerung bisher nicht möglich, auch das Verändern der Größe mit den Tasten [+] bzw. [-] wie beim Acrobat Reader ist zurzeit nicht möglich.

Ist ein PDF-Dokument mit Index oder Thumbnail-Dateien versehen, wird außerdem ein Navigations-Fenster eingeblendet, das die Seiten einzeln aufführt und aufrufbar macht. Besitzer langsamerer Maschinen sollten jedoch bedenken, dass gerade Thumbnails einiges an Rechenleistung für die Darstellung verlangen. Im Zweifelsfall sollte diese Option also in den Voreinstellungen deaktiviert werden.

Schwer zu verschmerzen ist das Fehlen eines Resize-Buttons im GEM-Fen-ster zum Ändern der Größe des Arbeitsfensters. Stattdessen muss der Anwender mit gedrückter [Steuerungs]-Taste rechts unten in das Fenster klicken, um die Größe zu ändern - merkwürdig und nicht Atari-typisch.

Qualität

Die zum Teil miserable Darstellungsqualität von GhostScript auf dem Atari führte zur Abwertung der Programmkombination mit gemgs. Teilweise waren Schriftarten so verpixelt dargestellt, dass ein Lesen gar nicht mehr möglich war. Die Darstellungsqualität von Dokumenten in Porthos ist allgemein als befriedigend anzusehen, erreicht aber nie die Qualität eines Acrobat Reader. Dies ist aber nicht unbedingt Porthos anzukreiden, denn wahrscheinlich nutzt das Programm bereits alle Möglichkeiten, die das Atari-System in dieser Hinsicht bietet. Immerhin stellt bisher kein Atari-Betriebssystem integrierte Funktionen zum Glätten von Schriften oder gar ein eigenes Colorsync-Verfahren zur Darstellung von Grafiken auf dem Bildschirm bereit. Acrobat kann von diesen Funktionen z.B. unter dem Mac OS reichlich Gebrauch machen. Hinzu kommen diverse Systemerweiterungen wie "Smooth Type", die die Darstellung von Fonts auf dem Mac nochmals verbessern. Außerdem besitzt Acrobat eigene Funktionen zum Glätten von Kanten. Diese auf dem Atari umzusetzen, würde wohl besonders Classic-Rechner an den Rande ihrer Rechenleistung führen. Einzig MagiC auf schnellen Macs oder PCs könnten wohl eine Kan-tenglättung vertragen, ohne die Darstellungsqualität in den Keller rauschen zu lassen.

Insofern stellt Porthos wohl den derzeitigen Status Quo dar. Damit soll keinesfalls gesagt werden, dass die Darstellungsqualität schlecht wäre. Die Grafiken werden zufriedenstellend dargestellt, Texte sind ohne Probleme lesbar, was bei gemgs nicht unbedingt behauptet werden konnte.

Drucken

Zum Ausdruck der Dokumente setzt Porthos ein installiertes NVDI ab der Version 5 voraus. Neben den Standardfunktionen ermöglicht Porthos ausserdem die Einpassung eines Dokuments, falls es für die gewünschte Seitengröße zu groß geraten ist. Außerdem kann die angezeigte Datei in Teilen gedruckt werden.

Export

Klickt der Anwender bei gehaltener Alternate-Taste in das Arbeitsfenster, so offeriert Porthos in einem Popup-Menü einige Exportfunktionen. Vektorgrafiken können ins Adobe Illustrator-Format (*.ai), Rastergrafiken direkt an Papillon übergeben werden. Sollte Papil-lon noch nicht laufen, startet es automatisch nach. Illustrator-Dateien können auf dem Atari z.B. von ArtWorx bearbeitet oder in Calamus importiert werden. Direkt startbar ist ArtWorx im Gegensatz zu Papillon allerdings nicht. Etwas nervend ist auf Dauer, dass der Programmpfad zu Papillon in den Voreinstellungen nicht festlegbar ist. Nach jedem Programmstart muss dieser neu beschrieben werden.

Für eine spätere Version ist auch der Export von Text ins ASCII-Format geplant.

Probleme

Probleme und Fehldarstellungen gab es in erster Linie auf dem Power Mac G4 unter MagiCMac. So scheint Porthos in der TrueColour-Auflösung Probleme mit Text in Kästen zu haben.

Auf dem Atari gab es hier keine Probleme. Auch wurden einige sehr große PDF-Dateien (z.B. das hochauflösende Cover der st-computer) nicht dargestellt, Porthos stürzte beim Öffnen kurzerhand ab.

Erstes Fazit

Die Entwickler von Porthos weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese ersten Versionen von Porthos ein Anfang darstellen und noch viele weitere Funktionen eingesetzt werden sollen. Alle Updates bis zur Version 2.0 sollen daher auch kostenlos nachgereicht werden, und wer die Webseite des Programms regelmäßig besucht, findet auch erfreulich oft Aktualisierungen. Trotzdem handelt es sich hier nicht um ein Preview, da der Preis von immerhin 70 DMeinen recht realen Griff in die Brieftasche erfordert. Nun kann darüber gestritten werden, ob ein Werkzeug, das auf anderen Plattformen in höherer Qualität kostenlos verteilt wird, tatsächlich 70 DMwert ist. Zwar erscheint der Preis für einen "simplen" PDF-Reader auf den ersten Blick etwas happig, um in dem immer kleiner werdenden Markt überhaupt noch Weiterentwicklungen sicherzustellen, muss ihn der Atari-Anwender aber wohl oder übel schlucken. Immerhin müssen auch Vertrieb und Entwickler bei einer relativ kleinen Streuung auf ihre Kosten kommen. Trotzdem wünscht man sich zu dem Preis mindestens eine Ausstattung, wie sie ASH bei gleich teuren Produkten bietet: ein gedrucktes Handbuch und mindestens eine Schutzhülle sind hier Standard.

Porthos schließt jedoch ohne Zweifel eine trotz gemgs und Ghost-Script klaffende Lücke auf dem Atari und bietet die Darstellung bzw. den Ausdruck von PDF-Dateien in maximaler Geschwindigkeit und akzeptabler Qualität. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das Programm entwickelt und welche Optimierungen noch möglich sind.

Übrigens findet sich die Demoversion von Porthos auf der Leser-CD vom November 2001.

http://dsd.net

Warum eigentlich Porthos?

Porthos war einer der drei Musketiere. Und da sich diese so unverdrossen füreinander einsetzten und an der Seite der Entrechteten standen, bot sich der Name geradezu an. Vielleicht würden die Musketiere heute ja an der Seite der Atarianer stehen, um deren Betriebssystem gegen Andersgläubige zu verteidigen, Darüber hinaus steht Porthos auch für "Portables Dokument-Format unter TOS" - na ja... Man muss eben etwas Phantasie besitzen.


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 12 / 2001, Seite 44

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