Stateside-Report

Kolumne von Bengy Collins. In unregelmäßigen Abständen berichtet Bengy Collins, Betreiber des beliebten Online-Angebots MagiC Online von Entwicklungen, Meinungen und Gedanken rund um den amerikanischen Atari-Markt.

Die Annäherung der Technologie

Sie mögen in der letzten Zeit bemerkt haben, dass Technologie ein Freund der Annäherung ist. Videospielkonsolen, die DVD-Filme abspielen, Handys mit vorinstallierter Internet-Software und Uhren, die MP3-Musikstücke abspielen können, sind Beispiele der neuen Convergence-Bewegung. Gleichzeitig stellen sie Verbindungen dar, die die Nützlichkeit der Atari-Plattform verlängern.

Nebeneffekt für den Atari

Mit der geradezu epidemisch um sich greifenden Verbreitung von Handys nimmt auch die Popularität des kabellosen Empfangs und Versands von eMails und Webseiten zu. Die Tatsache, dass für die nahe Zukunft vorausgesagt wird, dass nahezu jedes Handy und fast jeder PDA auf dem Markt bereit sein wird für das Internet, zwingt Homepage-Designer dazu, abgespeckte Versionen ihrer Seiten online zu stellen - und diese sollten auch von Atari-Browsern problemlos dargestellt werden können. Da der heiß ersehnte Paradise Browser nun erst einmal auf Eis liegt, zählt die Mehrheit der Atari-Anwender entweder auf Draconis, um eventuell einmal ihre Bedürfnisse zu erfüllen, oder träumt davon, was möglich wäre, wenn der Quellcode von CAB öffentlich gemacht würde. Aber bis dies geschieht, ist die Angst, dass man schon bald auf die Mehrzahl der im Internet verfügbaren Webseiten aufgrund fehlender Flash- und Java-Fähigkeiten nicht mehr zugreifen können, etwas gesunken. Interessanterweise haben also die steigenden Nutzerzahlen von PDAs als Pocket-Computer, die mehr können als nur Telefonnummern zu speichern, einen Nischenmarkt geschaffen, der der Atari-Welt gar nicht so unähnlich ist.

Atari-isten mögen Palm

Tatsächlich ziehen die PDAs von Palm immer mehr Atari-Programmierer an. Das hoch gelobte Palm Operating System hat viele Gemeinsamkeiten mit denen des Atari, da es zugleich schlank sowie hoch optimiert ist und gleichzeitig aufgrund von Hard- und Software-Limitierungen im Vergleich zu anderen PDA-Betriebssyste-men relativ wenige Multimedia-Fähigkeiten besitzt. Eine der prominenten Atari-Gruppen, die zurzeit im Palm-Markt hohe Wellen schlagen, ist Astraware [1], Viele kennen diese Gruppe vielleicht noch unter dem Namen ASTRAsoft.

ASTRAsoft zeichnete sich in den 90er Jahren für viele beliebte Programme verantwortlich, darunter der DeskTracker (ein Musik-Abspielprogramm für den ProTracker) und später der tormTracker (ein sehr populärer grafischer Editor für den jroTracker). Nun arbeitet die Gruppe daran, die Grenzen der lm- und Visor-Hardware mit einer Reihe von qualitativ hochwertigen farbigen Spielen auszureizen. Astraware unterhält auch nach wie vor eine eigene Atari-Sektion auf ihrer ,gut besuchten Webseite und sind - was viele von Ihnen gern hören werden - nach wie vor eingefleischte Atari-Fans und -Besitzer. David Oakley, der die Programme StormTracker und DeskTracker entwickelt hat, ist nun der CTO von Astraware Inc. und hat sich gern bereit erklärt zu einem Interview, das hier schon bald veröffentlicht werden wird.

Der Name Atari war hier in Amerika aber kürzlich aus noch einem anderen Grund in den Schlagzeilen: Infogrames.

Infogrames goes Atari

Das im Jahre 1983 gegründete Unternehmen Infogrames ist einer der weltweit größten Produzenten für Software. In der Vergangenheit war die Nutzung ihrer mehr als beeindruckenden Liste an Nutzungsrechten an Namen (darunter Warner Bros. Looney Tunes™, Harley-Davidson®, Major League Baseball und National Football League) ein Schlüssel zum Verkauf ihrer Spiele. Nun gehen Gerüchte um, die besagen, dass Infogrames diese Methode auf ein neues Level führen will. Viele Quellen bestätigen, dass Infogrames sich in Kürze in Atari umbenennen wird - ein Gerücht, dass für einige Bedenken und einige (falsche?) Hoffnungen sorgte.

Die Mehrzahl der verbliebenen amerikanischen Atari-Anwender denkt dabei (aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen), dass die Nutzung des Namens und des Logos von Atari große Vorteile mit sich bringt. So wird angenommen, dass die Existenz eines neuen Pseudo-Atari schon ausreichen würde, um die Atari-Computerplattform irgendwie aus dem Loch heraus zu heben, in dem sie derzeit gefangen ist. Selbst diejenigen, die glauben, dass die Namensänderung rein gar nichts für die Systeme älterer Jahrgänge bedeuten wird, reagierten enthusiastisch auf die Neuigkeiten. Vielleicht ist dieser Überschwang ja aus der Vorfreude darauf erwachsen, das alt bekannte Atari-Logo endlich wieder in der Fernsehwerbung zu sehen. Vielleicht ist es auch der einladende Traum, für die Atari Corporation zu arbeiten, die die Leute motiviert - auch wenn es wieder einmal nur um den guten Namen geht. Oder vielleicht denkt man auch, dass jede Aufmerksamkeit gute Aufmerksamkeit bedeutet. Aber niemand sollte glauben, dass die Produkte von Infogrames nur deshalb besser werden, weil Atari darauf steht! Würde denn auch der Fraß von McDonald's anders schmecken, wenn auf einmal „Porter House" oder „Fiedler" draufstehen würde?

Die Moral von der Geschieht'. Annäherungen sind, wie Sie vielleicht bemerkt haben, ein unleugbarer Teil des Lebens: Paare verheiraten sich, Unternehmen fusionieren und Technologie bettet sich selbst in andere Technologie ein. Unsere Kraft als Plattform liegt dagegen in ihrer Einzigartigkeit: wir sind anders als die Mainstream-Plattformen, und wir sind in der Minderheit. Unglücklicherweise ist in diesen Tagen und in diesem Zeitalter die neueste Technologie der König, und solange Versorgung und Nachfrage den Preis bestimmen ist unserer größte Stärke gleichzeitig auch unser größtes Hindernis.


Bengy Collins
Aus: ST-Computer 07 / 2001, Seite 40

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