Editorial: Elefantenhochzeiten

Unternehmenszusammenschlüsse, sogenannte "Elefantenhochzeiten", gibt es scheinbar besonders in der Computerbranche häufiger als es Elefanten gibt, und nur selten ist die Liaison fruchtbar.

ATARI fusionierte z.B. vor einigen Jahren mit dem Festplattenhersteller JTS, liess sich nach unglücklicher Ehe dann aber scheiden und fand jetzt ein Heim bei dem milliardenschweren, ehrwürdigen Amerikaner Hasbro, der ebenfalls eher verspielter Natur ist.

Dem Amiga ging es ähnlich. Jahrelang ungeliebte Mätresse vom gestrengen Biedermann Commodore, kam es vor 3 Jahren zu einer überraschenden Blitzhochzeit mit dem deutschen Industriellen EsCom. Obwohl angeblich Liebe auf den ersten Blick, hielt die Verbindung nur einige wenige Monate, da der einstmals so teure Gatte genau wie sein Vorgänger (ein Schelm, wer da Böses denkt) einen qualvollen, aber immerhin schnellen Tod starb, ohne seine neue Partnerin mit der versprochenen Mitgift zu beglücken. Das geplante Wunschkind "Walker" drohte dann auch eher als Totgeburt zu enden, weshalb man es kurzerhand in letzter Minute wieder abtrieb. Amiga zog es danach ins Dollar-Paradies, wo man bis heute eher unbemerkt ein etwas farbloses Dasein führt, was dem eigenen Naturell eigentlich herzlich wenig entspricht. Hin und wieder kommen immer noch Treueschwüre für die verstoßene Familie daheim über den großen Teich, deren Wahrheitsgehalt jedoch eher den Aussagen einheimischer Politiker gleichen.

Sogar der ehemalige Branchenprimus Apple hat zumindest ein "Techtelmechtel" mit dem bösen Nachbarskind Microsoft, auch wenn dieses natürlich von beiden Seiten heftig dementiert wird. Eine Traumhochzeit wäre es ja auch bei weitem nicht, und besonders Apple will das lang gehegte Image des ewigen Junggesellen um nichts in der Welt einbüßen. Trotzdem gibt es bereits gemeinsame Kinder, die nur schwerlich verleugnet werden können. Aus Sympathie und Liebe zum neuen Freund aus Redmond hat man bei Apple das eigene Betriebssystem kurzerhand so umfangreich und unbeweglich gestaltet, dass es Microsoft alle Ehre machen würde. Wollen wir hoffen, dass die zu Recht entsetzte Apple-Familie weitere Liebeserklärungen von Apple zu dem ungeliebten Emporkömmlung verhindern kann.

Und der Milan? Er mag sich so gar nicht mit faulen Äpfeln und Birnen anfreunden und geht lieber seine eigenen Wege. Zum Heiraten ist er auch noch viel zu jung. Er sucht sich lieber seine eigenen Freunde, um mit ihnen zukunftsträchtige Gemeinsamkeiten - wie z.B. das PCI-BIOS - bei einem lockeren Beisammensein zu pflegen. Eindringlingen aus der PC-Welt steht er zwar mit offenen Schnittstellen gegenüber, die Regeln diktiert er jedoch weiterhin mit seinem TOS-Querkopf selbst.

Ein Eigenbrötler für Eigenbrötler eben.

Thomas Raukamp (Redakteur der ST-Computer & ATARI Inside)



Aus: ST-Computer 07 / 1998, Seite 3

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