Schon einige Zeit existieren auch für ATARI-Rechner Lösungen, die die Nutzung von Internet-Diensten erlauben. Meist ist die Software zeichenbasiert und damit nicht sehr benutzerfreundlich. Nun schicken sich einige GEM-Applikationen an, den Zugang zum Internet für den Anwender bequemer zu öffnen.
Für jede Nutzung der Internet-Dienste ist zunächst einmal eine TCP/IP-Verbindung (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) notwendig. Für den normalen Anwendergenügt eine temporäre Verbindung zu einem Provider über ein Modem mit einem entsprechendem Verfahren: PPP (Point-to-Points-Protocol) und SLIP (Serial Line Internet Protocol). Mit solchen Verbindungen können dann die zahlreichen Internet-Dienste wie E-Mail, ftp, IRC und Telnet genutzt werden. Ein geeigneter Browser kann natürlich auch auf das WWW (World Wide Web) zugreifen. In [1] finden Sie eine detaillierte Beschreibung geläufiger Dienste im Internet.
Voraussetzung für jede Internet-Anwendung ist also zunächst eine Software, die die Verbindung zum Internet über ein Modem mit PPP oder SLIP aufbaut und entsprechende Routinen fürTCP/ IP zur Verfügung stellt. Anwender, die auf ihrem ATARI MiNTNet installiert haben, können schon längere Zeit das Internet nutzen [2]. Für TOS gibt es, neben einigen älteren Programmen wie KA9Q, seit Mitte letzten Jahres STiK von Steve Adam, dessen Weiterentwicklung von Dan Ackerman übernommen wurde. STiK ist eine frei erhältliche Implementation von SLIP und stellt TCP/IP-Routinen unter TOS zur Verfügung. Da STiK nur mit SLIP arbeitet, ist der Anwender auf einen Provider angewiesen, der dieses Verfahren auch anbietet. Eine Verbindung zu T-Online ist derzeit also ausgeschlossen, weil hier eine Weiterentwicklung von SLIP-CSLIP-zum Einsatz kommt.
STiK wird als Accessory installiert und läuft unter TOS und MagiC. Die Konfiguration erfolgt über zwei ASCII-Dateien. Die eine umfaßt Angaben zur eigenen Hardware (z.B. Schnittstelle, Modem) und die Login-Prozedur. Die andere beinhaltet diverse Parameter, die für die Nutzung der Internet-Dienste notwendig sind, z.B. die IP-Adresse des eigenen Rechners und die des Name-Servers. Die Konfiguration kann auch komfortabler durch ein Set-up-Programm mit deutschsprachiger Benutzerführung erledigt werden. Es kopiert gleichzeitig auch alle notwendigen Dateien an die richtige Stelle. Leider ist die Konfiguration nicht ganz vollständig. So wird die Adresse eines Proxy für den WWW-Browser überhaupt nicht abgefragt, obwohl er in einer der beiden Dateien angegeben werden kann. Wie bei allen DFÜ-Anwendungen auf ATARI-Rechnern ist die Installation von HSMODEM empfehlenswert.
Ist die Installation und Konfiguration bewältigt - die Dokumentation ist leider nicht sehr hilfreich - baut STiK eine TCP/IP-Verbindungen auf, die von anderen Programmen benutzt werden kann.
Nachdem STiK den eigenen Rechner über TCP/IP in das Internet eingebunden hat, braucht der Anwender natürlich noch komfortable Software, um dessen Dienste auch nutzen zu können. Parallel zu STiK sind einige Internet-Applikationen in der Entwicklung, die im weiteren vorgestellt werden:
CAB - WWW-Browser
IRC - IRC-Client
MG-FTP - ftp-Client
Telnet - Telnet-Client
Außerdem gibt es noch einen EMail-Client namens Antmail. Leider gelang es nicht, Antmail zur Zusammenarbeit zu überreden, weshalb hier auf den Client nicht weiter eingegangen wird.
Für die meisten Internet-Nutzer ist das WWW die Anwendung schlechthin. WWW ist ein multimedialer Dienst, der verschiedene Dokumente mit beliebigem Inhalt (Texte, Bilder, Videos, Sounds usw.) durch sogenannte Links -Verweis auf andere Dokumente-mit einander verbindet. Für die Nutzung dieses Dienstes wird ein Browser benötigt, der die Dokumente von den zahlreichen, mittlerweile nicht mehr überschaubaren, Servern abruft und auf dem lokalen Rechner darstellt. Für andere Plattformen und Betriebssysteme gibt es WWW-Browser schon mehrere Jahre, und sie mausern sich zu Programmen, die neben ihrem eigentlichen Zweck auch andere Internet-Dienste wie selbstverständlich einbinden. So ist es durchaus möglich, mit solch einem Browser E-Mails und News zu lesen oder mittels ftp Dateien von einem anderen Rechner zu holen. Der Browser entscheidet anhand der Adresse, der URL (Uniform Resource Locator), welcher Internet-Dienst für den Zugriff angewendet wird.
Für TOS gibt es immerhin seit einiger Zeit von Alexander Clauss CAB, einen WWW-Browser im klassischen Sinn, d.h., er kann nur sehr wenig mehr, als HTML-Dokument darstellen. Der kostenlose WWW-Browser setzt einen Rechner mit TOS, Geneva, MultiTOS oder MagiC(Mac), 1MB RAM und eine Bildschirmauflösung ab 640x400 mit beliebiger Farbtiefe voraus. Für eine optimale Darstellung von Texten empfiehlt der Autor ein GDOS, das Vektor-Fonts zur Verfügung stellt (NVDI > 3.0 oder SpeedoGDOS).
Mit dieser Ausstattung kann CAB zunächst nur Dokumente im HTML-Format darstellen, die auf dem lokalen Rechner verfügbar sind. Der Anwender kommt so schon in den Genuß der zahlreichen Publikationen im HTML-Format. Eine besondere Unterstützung istfürdie Datenbankderc’t-ROM(eine CD, die den Inhalt eines Jahrganges der c’t enthält) vorgesehen. Über den Zugriffsmechanismus File kann CAB, wie es sich für einen WWW-Browser gehört, das File-System des lokalen Rechners darstellen und auf dessen Datei en zugreifen.
Mit zusätzlichen Modulen greift CAB über TCP/IP auf andere WWW-Server zu. Es sind zur Zeit zwei Module verfügbar: Das eine setzt auf die TCP/IP-Routinen von MiNTNet auf, das andere auf die von STiK. Um die TCP/IP-Funktionalität von MiNTNet nutzen zu können, muß natürlich zuerst eine entsprechende Distribution, beispielsweise die KGMD, installiert sein. Will man mit CAB unter TOS oder MagiC auf das WWW zugreifen, bleibt nur das Modul für STiK.
Welche der beiden Möglichkeiten auch zum Einsatz kommt, dem Surfen im WWW steht nichts mehr im Wege -außer der, im Vergleich zu Browsern auf anderen Plattformen, ausgesprochen langsamen Datenübertragung, vor allem wenn man ein Dokument mit sehr vielen Bildern lädt. Der Grund dafür ist wohl, daß CAB die Bilder der Reihe nach holt. Die großen Brüder à la Netscape und Mosaic machen es besser vor: Sie holen die Bilder parallel, indem sie mehrere Verbindungen zum Server gleichzeitig offen haben. Schaltet man in CAB die Darstellung von Bildern ab, kann man sich mit einer angenehmen Geschwindigkeit durch das WWW bewegen.
Mit den eigentlichen Funktionen eines WWW-Browsers braucht sich CAB vor den Vorbildern nicht zu verstecken. CAB kann beliebig viele Fenster für die Darstellung verwenden. Links werden wie gewohnt optional farblich abgesetzt, unterstrichen oder mit fetter Schrift dargestellt. Die übliche History-Funktion merkt sich die URLs der bisher geholten WWW-Dokumente. Eine Stichwortsuche gestattet die Suche eines Begriffes auf der aktuellen Seite, auf lokalen HTML-Dokumenten oder in der Datenbank der c’t-ROM. Sehr praktisch ist auch die sogenannte Hotlist, von anderen Browsern auch Bookmark getauft. Darin kann der Anwender URLs beliebiger HTML-Dokumente plazieren, mit einem Kommentar versehen und nach Rubriken ordnen. Auf diese kann dann direkt zugegriffen werden, d.h., es entfällt die langwierige Navigation durch andere Dokumente oder das Tippen der teilweise sehr langen URLs. Selbstverständlich verfügt CAB auch über einen Cache, der bereits geladene Seiten aus dem Internet auf der Festplatte speichert, um sie bei einem erneuten Zugriff schneller darstellen zu können.
Neben der Darstellung von Dokumenten im HTML-Format und von ASCII-Texten, muß ein Browser auch diverse Formate für Bilder beherrschen. CAB kann Dateien im img-, gif-, jpeg- und xbm-Format verarbeiten und entsprechend der Farbtiefe des lokalen Rechners dithern. Für andere Formate, beispielsweise MPEG, können externe Programme angegeben werden, die bei Bedarf nachgeladen werden.
Wie von einer modernen Applikation heutzutage erwartet werden kann, ist CAB sauber in GEM eingebunden und verfügt über Fensterdialoge, die leider für CAB selbst modal sind. CAB ist in weiten Grenzen konfigurierbar. So kann beispielsweise eingestellt werden, mit welcher Klick-/Tasten-Kombination das History-Pop-up aufgerufen wird, ob und wie Bilder dargestellt werden, welche Fonts zur Darstellung von HTML-Dokumenten benutzt werden, wieviel Platz der Cache beanspruchen darf usw.
CAB hinterläßt als WWW-Browser einen sehr guten Eindruck. Einzig die Module für den Zugriff auf WWW-Server über das Internet bedürfen einer Verbesserung, damit das Laden von Bildern zügiger wird.
Für diejenigen unter uns, die sich auch noch über das Internet schreibender-weise unterhalten möchten, gibt es das Internet Relay Chat, kurz IRC. IRC-Server, die über die ganze Welt verteilt sind, sorgen dafür, daß die Tastatureingaben derTeilnehmer an alle anderen IRC-Clients weitergereicht werden. Im IRC gibt es Hunderte von verschiedenen Treffpunkten, den sogenannten Channels, mit eigenen Themen und sehr vielen Teilnehmern.
Basierend auf den TCP/IP-Routinen von STiK, gibt es natürlich auch einen IRC-Client. Dieser Client ist als TOS-Programm implementiert und genügt für den täglichen Plausch durchaus. Der IRC-Server und der Port können in einer der beiden Konfigurationsdateien für STiK angegeben werden. Unter MagiC läuft der Client natürlich im VT52.
Ab und an möchte man auch Dateien zwischen zwei Rechnern, die über das Internet verbunden sind, übertragen. Hierfür ist das File Transfer Protocol, kurz ftp, gedacht. Will man auf dem Dateisystem eines ftp-Servers arbeiten, benötigt man normalerweise eine Kennung, um auf dem Rechner Zugang zu erhalten. Es gibt jedoch auch Server, die einen Zugang erlauben, ohne daß der Anwender dem Host explizit bekannt ist (meist Anonymous-ftp-Server genannt). Diese Server halten auf ihren Platten eine schier unbegrenzt erscheinende Menge an Dateien zum Abruf bereit.
Zum Zugriff auf einen ftp-Server kann man für STiK den ftp-Client MG-FTP von Michael Guse verwenden. MG-FTP verwendet für die Anzeige des File-Systems der Server sowie für alle Dialoge Fenster. Unverkennbar ist, daß sich das Programm noch in einem frühen Stadium der Entwicklung befindet, was unter anderem durch Fehler in den Dialogen zum Ausdruck kommt. Die Übertragung von Dateien zwischen Client und Host in beiden Richtungen macht dafür keine Probleme.
Bemerkenswert ist die Hostlist, in der ähnlich wie in CAB, häufig benötigte ftp-Server eingetragen werden können. Klickt man einen Dateinamen mit der rechten Maustaste an, kann man sich den Inhalt der Datei von MG-FTP direkt anzeigen lassen. Im Vergleich zu anderen ftp-Clients fehlt die Möglichkeit, ein Verzeichnis anzugeben, das man nach Aufbau der Verbindung zum Server angezeigt bekommt.
In manchen Situationen ist es nützlich, Programme nicht auf dem lokalen Rechner zu starten, sondern auf einem anderen Rechner. Auf diese Weise können beispielsweise die leistungsfähigere Hardware des Servers oder Programme, die es für den eigenen Rechner nicht gibt, genutzt werden. Notwendigerweise benötigt man dazu einen interaktiven Zugang zu diesem Rechner. Diesen Zugang ermöglicht der Internet-Dienst Telnet, vorausgesetzt der Server erlaubt den Zugang.
Auch für STiK gibt es bereits einen Telnet-Client. Der Client von James Baumgardner ist eine einfache GEM-Applikation mit einem Fenster, in dem die Ausgaben des Servers dargestellt werden. Die Konfiguration des Programmes ist sehr spartanisch. Für die Darstellung können nur verschiedene Größen des Systemzeichensatzes gewählt werden. Nicht einmal die Größe des Fensters, und damit des Terminals, kann geändert werden. Als Terminal-Emulation wird nur VT52 verwendet.
Trotz der einfachen Ausstattung genügt der Client, um sich ab und zu in einen Server einzuloggen. Wünschenswert sind eine größere Anzahl von Terminal-Emulationen, eine frei wählbare Terminal-Größe und Cut&Paste.
Mit STiK ist die Grundlage für Internet-Anwendungen auf dem ATARI unter TOS und MagiC vorhanden. Dringend notwendig sind die Implementation von PPP und als Zugabe zu STiK einige Tools, mit denen die Netzwerkverbindung auf Fehler kontrolliert werden kann, beispielsweise ping und traceroute. Gerade hier rächt sich, daß die Entwickler von STiK ohne Rücksicht auf andere, weiter fortgeschrittene Netzwerk-Software für den ATARI einen eigenen Weg gehen. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, daß weder TOS noch MagiC im Gegensatz zu MiNT besonders netzwerkfreudig sind.
Bei den Internet-Anwendungen selbst konnte CAB - mit Ausnahme der langsamen Übertragung von Bildern-überzeugen. Mit dieser Anwendung kann man sich schon auf bequeme Art und Weise mit dem ATARI im Internet bewegen. Für den ftp-Client hat der Autor noch einige interessante Ideen, so daß es sich sicherlich lohnt, die Entwicklung weiter zu beobachten. Mit der Annahme, daß sich der e-Mail-Client Antmail mit viel Zuwendung noch zur Zusammenarbeit überreden läßt, fehlt nur noch ein Newsreader, der auf STiK aufsetzt, um die Internet-Zugangs-Software für TOS zu vervollständigen. Eine interessante Kombination ergibt sich in derZukunft sicherlich aus MiNT-Net, CAB und N.AES. MiNTNet bietet schließlich jetzt schon mit seinen bewährten TCP/IP-Routinen und den vorhandenen Tools einen vorzüglichen Unterbau für den Zugriff auf WWW-Server, und mit N.AES käme man auch noch in den Genuß eines multitaskingfähigen AES, so daß man gegenüber der Lösung mit STiK unter MagiC keine Abstriche machen muß.
Für Anwender, die mit TOS oder MagiC arbeiten wollen, bleiben einstweilen nur STiK und die hier beschriebenen Anwendungen. Für das Schnuppern im Internet genügen sie allemal. Ansonsten sollte sich der interessierte Anwender überlegen, ob er den Entwicklern der frei erhältlichen Programme nicht die eine oder andere Aufmerksamkeit zukommen lassen wollen - damit ist nicht ausschließlich schnöder Mammon gemeint-, um die Entwicklung der Internet-Zugangs-Software für TOS voranzutreiben.
Jürgen Koneczny
Literatur:
[1] Surfen will gelernt sein, ST-Computer 9/95, S.18 ff.
[2] Mit dem ATARI ins Internet, ST-Computer 9/95, S.26 ff.
Bezugsquellen:
Die hier getesteten Programme finden Sie z.B. in der Maus M4, 089-1406018, im Programmteii In folgenden Archiven:
CAB12B.LZH, MGFTP103.LZH und WWW130.ZIP.