Vom Pixel zum Vektor - Richtig vektorisieren (2)

Einige grafische Elemente, zu einem fiktiven Logo zusammengebaut. Als gedruckte Vorlage ist es für eine Abbildung in Graustufen nicht zu gebrauchen...

Ein Scanner nebst Scan-Software, ein EBV-Programm und natürlich der Vektoreditor mit Autotracer: das sind die wichtigsten Werkzeuge, die für häufig anfallende Vektorarbeiten in der Regel benötigt werden. Innerhalb dieser Voraussetzungen gibt es natürlich jede Menge Spielraum. So braucht ein Heimanwender, der nur gelegentlich derartige Aufgaben solide durchführen möchte, sicher keine professionelle EBV-Software. Wenn er bereits einen Handy-Scanner besitzt, benötigt er auch keine andere Software zur Weiterbearbeitung der Scans zur Vektorisierung: bietet doch die zur Handy-Hardware immer mitgelieferte Software normalerweise auch alle wichtigen Funktionen zur Weiterbearbeitung des gescannten Bildmaterials.

Irgendwann Ende der 80er Jahre erwarb ich meinen ersten Scanner. Ein Handyscanner, geliefert mit einer frühen Version der Software „Charly Image“ (die mittlerweile wohl in die 4.0-Version gehen soll). Diese Software beinhaltete mehr als manch eine damals verfügbare EBV-Software. Neben den klassischen Funktionen, die in jedem Zeichenprogramm zu finden sind, also Stift, Pinsel usw., war hier auch einer der ersten wirklich funktionierenden Autotracer verfügbar, und das alles in einer Software für einen Low-Cost-Scanner.

Die Software

Unter der derzeit verfügbaren Software zum Vektorisieren und Editieren von Vektorgrafiken fallen zwei Produkte besonders ins Auge: DA’s Vektor und DA’s Layout. Beide Programme sind besonders gut geeignet, um alle in diesem Bereich anfallenden Arbeiten zu erledigen. Beide besitzen den gleichen Autotracer (für Graustufen- und Farbbilder) und nahezu identische Manipulationsmöglichkeiten für Grafiken, wobei natürlich DA’s Layout durch zuladbare Module und seine umfangreichen Layout- und Satzfunktionen einiges mehr bietet - wenn man diese Funktionen benötigt. Daß DA’s Layout eigentlich eine professionele Lösung für Publishing ist, fällt eigentlich nur durch den damit einhergehenden höheren Preis ins Gewicht. Es ist sicherlich der beste Vektor-Illustrator, der derzeit auf dem ATARI-Markt erhältlich ist.

Eine gute Einzellösung fürs automatische Vektorisieren von monochromen Pixel-Bildern ist „Convector 2". Saubere und schnelle Vektorisierungen, übersichtliche Parametereinstellungen, Filterfunktionen zum Säubern von Pixel-Kanten sowie viele Im- und Exportfilter zeichnen diese Software aus. Convector 2 ist ausschließlich fürs Vektorisieren zuständig. Die immer notwendigen Pixel-Arbeiten nach dem Scannen sowie die Nachbearbeitung der Vektorobjekte müssen von anderen Programmen übernommen werden.

Und natürlich darfauch „Avant Vektor“ an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, ein Vektorprogramm, das neben allen relevanten Editiermöglichkeiten auch über Autotracing-Möglichkeiten verfügt wie keine andere Software: Neben der automatischen ist hier auch eine halbautomatische Vektorisierunganwendbar, bei der die Stützpunkte manuell an eine geladene Pixel-Grafik gesnapt werden. Die Pfade schmiegen sich dabei automatisch an die Grafik. Die Stützpunkte werden gesetzt, wenn die Pfade optimal anliegen. Eine sehr gelungene Idee zum genauen Arbeiten zwischen automatischer Berechnung und Handeingabe.

...wie man hier deutlich sehen kann. Zuviele Farben liegen, auf eine von nur 256 Graustufen reduziert, zu eng aneinander.

Die Praxis: Farbig Vektorisieren

Von den erwähnten Programmen können lediglich die beiden DA’s-Produkte auch Grau- und Farbbilder vektorisieren. Dafür können hier keine Monochrombilder direkt geladen werden, diese müssen zuvor von einem den Programmen beiliegenden Konverter in ein Graubild gewandelt werden. Aber wie wir im letzten Monat gesehen haben, ist die Nutzung von Graustufen Vorlagen fürs Vektorisieren oft vorteilhaft.

Nehmen wir einmal an, der neue Kunde einer kleinen Werbeagentur benötigt zur Präsentation seiner Produktpalette neben einer Anzeigenserie zusätzlich noch einen Hochglanzprospekt - beides versehen mit seinem schon vorhandenen Firmenlogo in unterschiedlichen Größen und natürlich auch Farben. Für die Zeitungsanzeigen muß eine Graustufen-, für den Prospekt eine Vierfarbanlage entwickelt werden. Das bereits vorhandene Logo ist im Original 3farbig angelegt und liegt „leider“ nur in Form seines bereits gedruckten Briefbogens vor (dieses „leider“ kommt leider häufiger vor, als man sich vorzustellen die Lust hat!). Das Logo muß also so umgesetzt werden, daß wir es für alle weiteren Arbeiten nutzen können.

Man mag jetzt denken: Gut, dann scanne ich das Logo einfach als Farbbild und konvertiere es für den Zeitungsdruck einfach in ein Graustufenbild. Stimmt leider nicht: sind die Farben des Logos in der Farbvorlage noch gut getrennt, so bringt die grauwertrichtige Umsetzung der Farben für den Zeitungsdruck je nach Farben viel zu nahe aneinanderliegende Grauwerte, als daß sie sich noch akzeptabel verwenden ließen.

Farben filtern

Da die Vorlage für unterschiedliche Anwendungsbereiche benötigt wird, ist eine Neuanlage als Vektorgrafik also dergeeignete Weg. Da das Ergebnis in beiden Fällen ein Vektorobjekt ist, erübrigen sich zu Beginn der Arbeit auch Gedanken über die endgültige Zielgröße des Logos, die bei einer Neugestaltung wie in unserem Beispiel in der Entwurfsphase oft auch noch gar nicht bekannt ist. Bei problematischen Vorlagen, die beispielsweise Farbverläufe oder diffuse Farbräume beinhalten, können die Farben in einer EBV-Software vorher noch reduziert werden, um eine möglichst klare Farbtrennung zu gewährleisten.

Die Farbvorlage wird zunächst farbig gescannt, um sie dann von einem Vektorisierungsprogramm in ein Vektorobjekt umrechnen zu lassen. Die unterschiedlichen Farbflächen werden dabei in einzelne Vektorobjekte getrennt, die sich für die Halbtonvorlage mit neuen Rasterwerten und für die Farbvorlage mit den korrekten Pallettenfarben versehen lassen.

Soweit, so gut. Nur ist es in der Realität leider nicht ganz so einfach. Gerade bei der Bearbeitung von Farbvorlagen hängt der beste Weg zur weiteren Bearbeitung von der Qualität der jeweiligen Vorlage ab - von dem also, was dargestellt ist, und in welchen Farben es wiedergegeben werden soll. Je nach Motiv müssen also unterschiedliche Wege eingeschlagen werden, von denen ich hier nur einige darstellen möchte.

Nehmen wir als Beispiel eine blau gezeichnete Illustration auf einem durchgehend gelben Hintergrund; das ist eine Aufgabe, die jeder Farb-Tracer leicht bewältigt. Es sind die diffusen, also nicht eindeutigen Farben, die Probleme bereiten. Hier kann man jetzt versuchen, schon beim Scannen die unerwünschten Farben herauszufiltern. Die gewünschten Farben werden bei diesem Verfahren also in einzelnen Durchgängen gescannt und im Anschluß auch einzeln vektorisiert.

Auf Flachbett-Scannern kann ein Bild mit unterschiedlichen Scan-Farben eingelesen werden. Im Normalfall ist das ein „weißes“ Licht, mit dem die Vorlage weitgehend so wiedergegeben wird, wie sie im Scanner liegt. Da es sich bei den Flachbett-Scannern in der Regel um RGB-Scanner handelt, stehen als weitere Lichtquellen noch die Farben Rot, Grün und Blau zur Verfügung. Wird zum Scannen eine dieser Farben gewählt, so wird die korrespondierende Farbe der Vorlage vom Scanner nicht erkannt bzw. kompensiert. Einfach ausgedrückt: Beim Scannen mit rotem Licht werden alle roten Bereiche der Vorlage in einem Toleranzbereich nicht mitgescannt. Um dann bei einer zweifarbigen Vorlage im zweiten Scan-Durchgang auch die roten Bildelemente zu erfassen, wird eine andere Scan-Farbe gewählt, die dann den vorher gescannten Bereich weitgehend ausblendet. Hier müssen natürlich die Scan-Auflösung und der Scan-Bereich erhalten bleiben, um beide Bilder nachher wieder leicht ineinander montieren zu können.

Der hier beschriebene Weg der Farbtrennung beim Scannen ist natürlich kein „Königsweg“, er ist nicht bei allen Vorlagen realisierbar. Oft bleiben Farbanteile erhalten, die sich dann aber vielleicht leichter in einem Malprogramm entfernen lassen, als dies vorher der Fall gewesen wäre. Also je nach Vorlage ausprobieren.

Überfüllen beim Vektorisieren

Wenn wir es mit zwei oder gar mehreren ineinanderliegenden Farben der Vorlage zu tun haben, können wir schon jetzt an die notwendige Überfüllung der Farben für die spätere Ausgabe im Offsetdruck denken (siehe STC 11/94). Wird nach dem obigen „Trennverfahren“ gearbeitet, liegen die einzelnen Farben ja bereits weitgehend separiert vor.

Nun kann, z.B. in „Papllion“, nachbearbeitet werden. Zum späteren Überfüllen wird mit der Papillon-Funktion „Verdicken“ die Kontur der Grafik etwas vergrößert. Um alle Bilder auch nach der Vektorisierung noch genau ineinander montieren zu können, werden Passer um jede Grafik gezeichnet (Passerkreuze, kleine Striche oder ähnliches), die dann später einfach mit vektorisiert werden. In der fertig montierten Anlage im Layout-Programm werden diese Markierungen dann wieder gelöscht. Dieses Verfahren eignet sich auch sehr gut zur Anlage von Überfüllungen für Folien-Plots.

In Papillon kann durch diese Funktion zusätzlich gleich noch ein weiteres Problem gelöst werden, das häufig beim Vektorisieren monochromer Grafiken auftritt. Manchmal ist in gescannten Grafiken der Schwärzungsgrad von Flächen nur unvollkommen für die Vektorisierung geeignet, beispielsweise bei einer schlechten Druck- oder Faxvorlage.

Zur Erhöhung des Schwärzungsgrades verdicken wir die Grafik in Papillon, bis alle weißen Pixel der Fläche geschwärzt sind, wobei sich die zu ändernden Bildbereiche durch die Papillon-Blockfunktionen genau definieren lassen. Da das „Verdicken“ nicht nur auf die Outline wirkt, sondern alle schwarzen Pixel betrifft, die neben sich noch einen weißen Pixel haben, erhält die Fläche eine durchgehende Schwärzung. Auch Rasterflächen können mit dieser Methode leicht auf „100% Schwarz“ gebracht werden. Im Anschluß wird nur noch um den eben benutzten Faktor zur Verdickung ausgedünnt. Diese Ausdünnung wirkt sich jetzt natürlich nur auf die äußere Form der Grafik aus, die nun wieder ihre vorherige Gestalt erhalten sollte.

Im nächsten Monat werden wir uns mit den sehr unterschiedlichen Möglichkeiten zur Nachbereitung von Scans und Vektorisierung im Calamus befassen.

Die manuelle Umsetzung nach der Vektorisierung
In DA’s Layout lassen sich „von-bis“-Werte zur Vektorisierung von Farben eingeben, so daß auch diffusen Farbwerten eine definierte Farbe zugeordnet werden kann. In unserem Beispiel sollte man natürlich nur den Schriftzug „satura“ und die geschwungene Linie vektorisieren. Die Raute wird als komplette Fläche in den Hintergrund gelegt, der Text mit der Eurostile darüber gesetzt.
Ein Problem bei der automatischen Vektorisierung sind nicht durchgehend gefärbte Flächen, wie beispielsweise bei einer gerasterten Vorlage. Zum Vorbereiten von Vektorisierungen bietet Papillon eine kleine Funktion, mit der kritische Bereiche verdickt und anschließend wieder aufs normale Maß gebracht werden können (im Bild eine Rasterfläche; vor, während und nach der Bearbeitung).

Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 06 / 1995, Seite 70

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