Linux - Erste Schritte in Richtung Linux

Nach weniger als zwei Jahren Entwicklungszeit ist es auf dem PC-Sektor bereits ein Klassiker: Linux, das inklusive seiner Quellen frei verfügbare Unix-Betriebssystem. Inzwischen hat auch die Portierung für Motorola-68K-Prozessoren, insbesondere für den ATARI und den Amiga, ein interessantes Stadium erreicht. Die Zeit ist also reif für einen ersten Überblick.

Dabei läßt sich in diesem Rahmen das Thema „Linux", über das bereits viele Bücher erhältlich sind, nur an der Oberfläche streifen. Daher werde ich mich auf einige allgemeine Aspekte und solche beschränken, die speziell für den ATARI von Bedeutung sind.

Wofür Unix?

Diese Frage muß sich jedes Betriebssystem, das sich neu auf dem Markt etablieren will, gefallen lassen. Bei MultiTOS und MagiC (vormals MagiX!) läßt sich vergleichsweise leicht beantworten, wo die Vorteile dieser Systeme gegenüber dem Standard-TOS liegen: im Multitasking nämlich. Inzwischen dürfte allgemein bekannt sein, daß unter MultiTOS und MagiC beliebig viele Programme parallel laufen können, was neue Perspektiven für die Nutzung eines ATARI eröffnet. Hinzu kommt bei MagiC ein nicht unbeträchtlicher Geschwindigkeitszuwachs, der dieses System auch für diejenigen interessant macht, die nicht so sehr an Multitasking interessiert sind. Sowohl MagiC als auch MultiTOS sindkompatibel zu den bisherigen TOS-Versionen, so daß sauber programmierte Software weiterhin eingesetzt werden kann. Bei Unix dagegen stellt sich die Situation gänzlich anders dar. Es ist nicht kompatibel zu TOS, d.h., bereits vorhandene Software kann nicht verwendet werden. Schneller als TOS ist es auch nicht. Und es benötigt deutlich mehr Hauptspeicher und Festplattenkapazität, als man es von TOS her gewohnt ist. Zu allem Überfluß läuft es

nicht einmal auf allen ATARIs. Auf dem PC-Sektor, wo es Linux bereits seit längerer Zeit gibt, trafen übrigens alle diese Punkte in ähnlicher Weise zu.

Wenn sich nun dennoch einige Programmierer die Mühe machen, Unix als alternatives Betriebssystem auf den ATARI zu portieren, muß das seine Gründe haben. Und in der Tat: Unix hat inzwischen eine solche Verbreitung erlangt, daß es aus der Computerwelt nicht mehr wegzudenken ist. Neu etablieren muß es sich schon lange nicht mehr. Die ersten Unix-Systeme gab es bereits vor mehr als 20 lahren, und damit gehört Unix zu den ältesten noch benutzten Betriebssystemen überhaupt. Konsequente Weiterentwicklung und nicht zuletzt das Marketing von Weltfirmen wie Sun, HP oder SGI haben für eine steigende Bedeutung gesorgt. Der Marktanteil an Unix-basierten Systemen steigt weiterhin an. Bisher konnte sich Unix erfolgreich gegen andere Systeme auf PC-Basis behaupten. Und es sieht nicht so aus, als ob sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern würde. Microsofts Versuch, mit Windows NT sowohl auf IBM-kompatiblen PCs als auch auf anderen Plattformen den Markt aufzuräumen („Im Wettbewerb ändern sich ab sofort ein paar Regeln."), war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Viele Unix-Anwender wird das kaum verwundern: Schließlich läßt sich die Erfahrung, die in mehr als zwei Jahrzehnten Systementwicklung steckt, nicht in zwei Jahren aufholen. Und nicht zuletzt was die Netzwerkfunktionen angeht, kann Windows NT Unix nicht das Wasser reichen.

Unix-Workstations sind vor allen Dingen in High-End-Anwendungen in der Industrie und Forschung sowie an Universitäten weit verbreitet. Ein Großteil dieser Rechner ist über das Internet weltweit vernetzt. Mit der zunehmenden Rechenleistung von PCs kam der Wunsch auf, Unix auch auf mittleren Systemen einzusetzen. Insbesondere Studenten profitieren von der Möglichkeit, auf dem eigenen PC Arbeiten erledigen zu können, die andernfalls nur auf den Workstations der Universität realisierbar wären. In der Regel lassen sich C-Quelltexte leicht von einem Unix-System auf ein anderes portieren. Normalerweise genügt eine Neucompilierung, größere Anpassungen sind die Ausnahme und oft auf undurchdachte Programmierung zurückzuführen.

Da die Quelltexte der kommerziellen Unix-Systeme naturgemäß nicht frei zugänglich sind, gab und gibt es mehrere Ansätze, ein Unix zu entwickeln, das frei von Rechten Dritter ist. Linux stellt dabei das bisher erfolgreichste Projekt dar. Von dem Finnen Linus Torwalds vor ca. eineinhalb Jahren für IBM-kompatible PCs initiiert, fand es schnell weltweit Anhänger, die eigene Routinen beisteuerten und so für eine rasante Weiterentwicklung sorgten. In letzter Zeit wurde die Linux-Gemeinde allerdings von Gerüchten verunsichert, daß Linux kommerzialisiert werden solle. Man wird abwarten müssen, was sich in dieser Hinsicht tut. Tatsache ist, daß sich in letzter Zeit auf dem Unix-Sektor Bestrebungen zeigten, neue Versionen bisher frei verfügbarer Software zu kommerzialisieren.

Ähnlich wie beim PC-Linux haben sich auch für die 68K-Version, die primär für ATARIs und Amigas interessant ist, mehrere Entwickler zusammengefunden. Mit der ATARI-Portierung beschäftigen sich zur Zeit in erster Linie die Deutschen Roman Hodek und Björn Brauel sowie der Niederländer Robert de Vries. Linux ist übrigens nicht das erste Unix, das für den ATARI umgesetzt wird. UniSoft fertigte im Auftrag von ATARI vor einigen Jahren ein auf dem AT&T System V Release 4.0 basierendes Unix für den TT an (ASV), das zwar fertiggestellt und auf Messen vorgestellt, aber nie ernsthaft vermarktet wurde. Für den Commodore Amiga 3000 gab es eine vergleichbare System-V-Portierung, die dasselbe Schicksal ereilte.

Bei der Umsetzung von Linux für ATARI und Amiga wird volle Binärkompatibilität angestrebt, d.h., Programme, die unter Linux für 68K-Prozessoren compiliert wurden, werden sich ohne Änderungen zwischen diesen beiden Plattformen austauschen lassen. Ausnahmen werden lediglich systemnahe Treiber darstellen, die auf bestimmte Eigenschaften der Hardware angewiesen sind. Anwendungsprogramme sind jedoch unter Unix stets hardwareunabhängig auf gebautund nutzen ausschließlich die im System bereits integrierten Schnittstellen, sei es für Hardware-Zugriffe oder Grafikausgaben.

Hardware-Erfordernisse

Nun war bisher stets von ATARIs und Amigas die Rede, ohne näher auf die benötigte Hardware einzugehen. Das soll nun nachgeholt werden. Nicht jedes System ist nämlich als Plattform für Unix geeignet. Ein handelsüblicher ST beispielsweise kommt keinesfalls in Frage. Allein schon von der Rechenleistung her ließe sich mit einem 8-MHz-ST kein brauchbares Unix-System aufbauen. Aber das ist nicht einmal der entscheidende Punkt. Wie jedes andere Unix macht auch Linux Gebrauch von virtueller Adressierung, Swapping (Auslagern von Speicherbereichen auf die Festplatte) sowie Speicherschutzmechanismen und setzt daher einen Prozessor voraus, der diese Möglichkeiten unterstützt. Eine PMMU (Paged Memory Management Unit) ist also gefragt. Wer Unix auf ATARI-Computern einsetzen will, benötigt demnach einen Falcon oder TT. Auch STs mit einer 68030-Karte wie der PAK/3 kommen als Plattform in Frage. Bisher ist Linux allerdings noch nicht an die PAK-Hardware angepaßt worden. Auch für die Medusa mit ihrem 68040-Prozessor existiert noch keine lauffähige Version. Das dürfte sich abernoch ändern. Als zweite Grundvoraussetzung auf Prozessorebene benötigt Linux einen mathematischen Coprozessor, also bei Rechnern mit 68030 einen 68881 oder 68882. Der TT war schon immer von Hause aus mit einem 68882 ausgestattet, beim Falcon existiert unter dem Netzteil ein Steckplatz für einen solchen Coprozessor. (Aufgepaßt, damit man den Coprozessor nicht um 90 Grad verdreht einsetzt.) In zukünftigen Linux-Versionen wird es möglicherweise eine Coprozessoremulation geben, so daß auf längere Sicht ein 68882 nicht mehr zwingend notwendig sein dürfte. Allerdings kann jedem potentiellen Linux-Anwender nur nahegelegt werden, sich einen „echten" 68882 zuzulegen, der bereits für unter 100 DM im Handel zu haben ist. Je mehr Rechenleistung für Unix zur Verfügung steht, umso besser. Im Gegensatz zu Programmen unter TOS wird unter Unix der Coprozessor intensiver genutzt.

Massig Speicher

Die größten Investitionen für den angehenden Linux-Anwender dürften eine Hauptspeichererweiterung und eine neue Festplatte darstellen. Zwar läßt sich Linux zur Zeit auch mit 4 MByte Hauptspeicher benutzen, aber das wird nicht lange so bleiben. Wer unter TOS bereits mit dem Gnu-C-Compi-ler gearbeitet hat, der auch unter Linux zum Einsatz kommt, weiß davon ein Lied zu singen. Allein die Programmdatei des Compilers benötigt bereits deutlich mehr als 1 MByte Hauptspeicher. Zwar läßt sich unter Linux über die integrierten Swapping-Mechanismen die Festplatte als Speichererweiterung verwenden, aber der Geschwindigkeitsverlust macht sich bei nur 4 MByte physikalischem Hauptspeicher unangenehm bemerkbar. 8 MByte Hauptspeicher sind daher als das Minimum für ein sinnvolles Arbeiten unter Linux anzusehen, zumindest dann, wenn das X-Window-System zum Einsatz kommt. Dazu gleich mehr. Werfen wir zunächst noch einen Blick auf die Festplattenkapazität. Die Platten, mit denen ATARIs ab Werk ausgerüstet sind, mögen für das Arbeiten mit TOS in vielen Fällen ausreichend sein, nicht jedoch für Unix. Der Bedarf an Plattenspeicher ist hier sehr viel größer als unter TOS, nicht nur weil ein Teil der Plattenkapazität für den virtuellen Speicher benötigt wird.

Noch stellt sich der Umfang des ATARI/Amiga Linux allerdings recht moderat dar. Bei Redaktionsschluß war die Version 0.9PL2 aktuell, die noch kein Swapping unterstützte. Der Speicherbedarf auf der Festplatte für eine vollständige Linux-Installation lag bei weniger als 20 MByte. Unter „vollständig" verstehe ich ein System mit allen zu diesem Zeitpunkt verfügbaren fertig compilierten Tools ohne deren C-Quelltexte. Bei diesen 20 MByte wird es jedoch bei weitem nicht bleiben. Zum einen wird die Zahl der System-Tools weiter ansteigen, zum anderen kommen in der Regel auch Programme hinzu, die man selber compiliert. Für Unix gibt es schließlich eine Unmenge an frei verfügbarer Software. Der Umfang dieser Programme, die bis auf wenige Ausnahmen in Form ihrer Quelltexte bereitstehen, ist in einigen Fällen immens. So benötigen die Quellen des Gnu-C-Compilers in unkomprimierter Form ca. 25 MByte. Locker übertroffen wird der Compiler vom X-Window-System (X11). Um die X11R5-Kerndistribution zu compilieren sind etwa 90 MByte Plattenplatz erforderlich. Die Quellen nehmen dabei mehr als 70 MByte ein. Noch mehr Plattenplatz benötigt XI1R6.

Nun wird nicht jeder Anwender ein solch umfangreiches Paket selber übersetzen, denn die wichtigsten Anwendungen kann man sich in compilierter Form besorgen. Außerdem bewegt sich der Umfang der meisten Software-Pakete im Bereich von einigen 100 KBs. Aber diese Beispiele zeigen dennoch, in welchen Größenordnungen gedacht werden muß und werfen gleichzeitig die Frage auf, wie man solche Datenmengen auf die eigene Festplatte bekommt.

Die Diskette scheidet mit ihrer geringen Kapazität in vielen Fällen aus. Mailboxen, die Unix-Software anbieten, gibt es bisher nur in geringer Zahl und man wird wohl kaum auf die Idee kommen, sich mehrere MByte an Daten per Modem abzuholen, womöglich noch als Ferngespräch. Diejenigen, die einen direkten Zugang zum Internet besitzen (beispielsweise über eine Universität), können sich Unix-Software auf Streamertapes oder Wechselplatten kopieren.

Ansonsten kommt nur der Kauf der fertig compilierten Programme und/oder ihrer Quelltexte in Frage. Als Medium bietet sich dabei das CD-ROM an. Und in der Tat wird Linux für IBM-kompatible PCs meist auf diesem Weg an den Mann gebracht, wobei die komplette Distribution für deutlich weniger als 100 DM angeboten wird. Ein CD-ROM-Laufwerk gehört für den Linux-Anwender daher oft zur Grundausstattung. Man kann davon ausgehen, daß auch das ATARI Linux auf CD verfügbar sein wird, sobald eine stabile Distribution vorliegt, die auch das X-Window-System unterstützt.

Interview

Unser Autor Uwe Seimet (US) hat sich begleitend zu dem Bericht über das ATARI-Linux mit den Linux-Entwicklern unterhalten:

US: Wann habt Ihr mit der Portierung von Linux begonnen?

BB: Zu Antang war es so, daß ich offensichtlich allein mit der Portierung von Linux auf ATARI-Com-puter war. Das war ungefähr im Februar dieses Jahres. Nachdem ich eine erste halbwegs funktionierende Version fertig hatte, machte ich dies in einer Gruppe des Mausnetzes bekannt. Hierauf meldeten sich dann einige Leute, die durchaus Interesse zeigten, an der Portierung mitzuarbeiten. Aber die meisten hielten sich dann doch nicht für qualifiziert genug, um mir helfen zu können. Nachdem sich jedoch Roman bei mir gemeldet hatte, stand fest, daß vorerst wir beide zusammen an Linux weiterarbeiten würden. Im weiteren Verlauf stellte sich dann heraus, daß es noch eine weitere Gruppe von Entwicklern gab, die mit der Portierung von Linux für den Atari angefangen hatte. Diese Gruppe wird von Robert de Vries geleitet und wir stellten fest, daß sich unsere beiden Versionen recht gut ergänzten. Also haben Roman und ich uns an die Arbeit gemacht und aus beiden Versionen eine einzige gemacht. Nachdem dies getan war, wurden auch noch die Atari- und die Amiga-Version in einen gemeinsamen Sourcecode gepackt, so daß man nun ein Linux hat, das, falls gewünscht, ohne Neuübersetzung auf Atari und Amiga lauffähig ist. Diese Arbeit wurde vom eigentlichen Leiter der Linux 68K Entwicklung - Hamish McDonald - gemacht.

US: Wie ordnet Ihr die Bedeutung von Unix als alternatives Betriebssystem für Atari-Computer ein?

BB: Wir hoffen natürlich, daß Linux einen hohen Stellenwert unter den Betriebssystemen für Atari-Computer einnehmen wird. Und ich glaube auch, daß Linux dazu sehr gute Chancen hat, insbesondere deshalb, weil nun auch schon erste kommerzielle Software-Pakete für das PC-Linux erhältlich sind, die im allgemeinen für das 68K Linux nur neu compiliert werden müßten. Und schließlich sind ja auch alle Linux 68K Systeme, also Atari, Amiga und eventuell bald Mac, untereinander binärkompatibel, so daß für all diese Plattformen nur eine einzige Programmversion nötig wäre.

Weiterhin bietet Linux die unter anderen Betriebssystemen für den Atari oft nur stiefmütterlich behandelten Netzwerkfunktionen in vollem Umfang.

RH: Mit der Vielzahl der momentan laufenden oder geplanten Portierungen auf verschiedene Hardware-Plattformen sehe ich auch die Chance, daß Linux zu einem übergreifenden Betriebssystem werden könnte. Man stelle sich das vor: Ein einziger Quelltext genügt, ohne daß Anpassungen für PC, Mac, Power-PC, DEC Alpha, Amiga, Atari etc. notwendig wären. Dies dürfte Linux auch für kommerzielle Software-Hersteller recht interessant machen.

US: Linux läuft in der vorliegenden Version auf dem Falcon und TT. Wie sieht es mit einer Anpassung an die Medusa und die PAK/3 aus?

BB: Eine Anpassung an die Medusa sollte in diesen Tagen fertig sein, und einer Anpassung an die PAK/3 steht eigentlich nur noch der fehlende ACSI-Treiber im Weg, der jedoch auch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen dürfte.

US: Welche Hardware steht Euch denn eigentlich für Eure Arbeit zur Verfügung?

RH: Bei mir hat sich die Entwicklung auf zwei Rechnern, einem TT und einem 486er, als recht praktisch herausgestellt: Man kann bereits während derTestläufe auf demTTÄnderungen in den Quelltexten vornehmen und neu compilieren. Außerdem sind die Übersetzungszeiten auf dem 486er (unter Linux natürlich) deutlich geringer als beim TT. Das einzige, was etwas stört, ist die langsame Datenübertragung zwischen den beiden Rechnern, da diese über eine einfache serielle Leitung geht.

BB: Ich benutze einen Atari Falcon für die komplette Entwicklungsarbeit an Linux. Leider bedeutet das oft lange Übersetzungszeiten für mich. Aber vielleicht findet sich ja einmal jemand, der bereit ist, einen schnellen PC, Atari oder Risc-PC zur Verfügung zu stellen.

US: Welche Schnittstellentreiber sind bereits für das Atari Linux vorhanden, welche fehlen noch?

RH: Momentan existieren Treiber für SCSI auf TT und Falcon, IDE, Maus, Drucker und mit ein paar Einschränkungen auch für die seriellen Schnittstelle und die Floppy. Insbesondere fehlen noch Treiber für die seriellen SCC-Ports, also Modem 2 des TT und Serial 2 bzw. LAN. Obwohl letzterer wegen seiner DMA-Unterstützung für ein Multitasking-System recht interessant ist, kann er leider nur eingeschränkt genutzt werden, da Atari ihn hardwaremäßig nicht optimal eingebunden hat. Weiterhin fehlt, wie schon gesagt, ein ACSI-Treiber, der besonders für die ST-Besitzer mit 68030-Karten wichtig ist, und eine Anbindung von Netzwerkkarten.

US: Ein wichtiger Schritt bei der Linux-Umsetzung ist die Anpassung des X-Window-Systems. Wann ist damit zu rechnen?

BB: Es sind noch ein paar Arbeiten am Konsolentreiber von Linux zu erledigen, und dann werden insbesondere die Grafiktreiber für X benötigt, damit dieses dann auch die Atari-Grafik-Hardware ansprechen kann. Lange wird X jedoch wohl nicht mehr auf sich warten lassen.

RH: Bei der Standardgrafik der Ataris dürfte es nicht allzu schwierig werden, da ähnliche Treiber bereits existieren und nur etwas angepaßt werden müssen. Aber auch bei Grafikkarten, die mit verbreiteten Prozessoren wie etwa dem ET4000 ausgerüstet sind, kann man eventuell auf Vorhandenes zurückgreifen. Hier wird dann aber eine Unterstützung auf breiter Basis notwendig werden, sowohl von der Dokumentation her als auch von Leuten, die entsprechende Hardware besitzen.

US: Es dürfte eine Reihe von Anwendern geben, die auch TOS- oder GEM-Anwendungen unter Linux benutzen wollen. Für das PC-Linux gibt es für Windows-Anwendungen die Emulation WINE. Ist etwas Vergleichbares für den Atari geplant?

BB: Eine TOS/GEM-Emulaiion halte ich für das eigentlich wichtigste Erfolgskriterium, und an einer Verwirklichung arbeiten Roman und ich bereits. Es sind auch schon erste Resultate zu sehen. Eine solche Emulation wird es ermöglichen, TOS/GEM-Programme vorerst auf jeder Linux-68K-Plattform laufen zu lassen und später auch auf einigen Risc-Systemen wie dem PowerPC oder der DEC Alpha, für die Linux auch schon von einigen Entwicklergruppen in Angriff genommen worden ist.

US: Wie gestaltet sich der Informationsaustausch mit Linux-Entwicklern auf anderen Plattformen, insbesondere für den Amiga?

BB: Über das Internet sind wir miteinanderverbunde, und auch aus der nun vorhandenen Gesamtversion für Amiga und Atari läßt sich wohl sehr gut eine rege Kommunikation dieser Gruppen erkennen. Man arbeitet hier sehr eng zusammen, und wir versuchen uns auch gut zu ergänzen. Da ja unter Linux keine Inkompatibilitäten zwischen den Plattformen herrschen, gibt es auch Gott sei Dank keinen Streit wie früher zwischen Amiga- und Atari-Anwendern über eventuell vorhandene Vor- bzw. Nachteile der einzelnen Systeme.

US: Es gibt sicherlich eine Reihe von Atari-Anwendern, die sich gerne an der Entwicklung von Linux beteiligen würden. Auf welchem Weg kann das geschehen?

BB: Am besten natürlich über die Gruppe Linux.68k des Mausnetzes oder auch über das Internet. Für all diejenigen, die jedoch kein Modem und keinen Internet-Zugang besitzen, gibt es bald die Möglichkeit, das 68K Linux über einen bekannten Shareware-Vertrieb zu beziehen. Eine solche Distribution wird auch die Sourcen zu Linux enthalten, so daß man damit auch weiterentwickeln und dann mit uns oder anderen Entwicklern direkten Kontakt aufnehmen kann. Unsere Kontaktadressen werden einem solchen Linux-Paket dann auch mit Sicherheit beilegen.

US: Vielen Dank für diese interessanten Informationen. Man darf gespannt sein, wie es mit Linux für die 68K-Familie weitergeht.

Das X-Window-System

Noch hat das ATARI Linux nicht das Stadium erreicht, in dem mit der Umsetzung von X11 begonnen werden könnte. Dieses äußerst umfangreiche Paket setzt einen mehr oder weniger vollständigen Unix-Unterbau voraus. Aber wer weiß, vielleicht ist dieser beim Erscheinen dieses Artikels bereits vorhanden ...

PC-Besitzer dürfte die Nachricht, daß der komplette Lieferumfang des X-Windows-Systems ganze Festplatten füllen kann, kaum erschüttern. Schließlich zeigt Microsoft immer wieder aufs neue, wie man dies auch mit weniger leistungsfähigen Produkten spielend erreichen kann. Für den ATARI-Sektor sind solche Datenmengen allerdings recht ungewöhnlich. Wer nun aber meint, auf X11 verzichten und so Ressourcen einsparen zu können, sollte die Bedeutung des X-Window-Systems nicht unterschätzen. Optimal und komfortabel ausspielen kann man die Multitasking-Fähigkeiten von Unix nämlich erst in Verbindung mit dieser grafischen Oberfläche, die unter Unix den Standard darstellt. Die Situation läßt sich gut vergleichen mit einem ATARI, auf dem MiNT, aber nicht MultiTOS installiert ist. Zwar ist bereits mit MiNT Multitasking möglich, aber der Komfort hält sich ohne grafische Oberfläche in Grenzen. Mit MultiTOS hat man dieselben Multitasking-Funktionen wie mit MiNT, zusätzlich aber die Möglichkeit, mehrere Applikationen parallel in Fenstern ablaufen zu lassen.

Unter Linux sieht das ganz ähnlich aus. Ohne X11 ist lediglich ein Arbeiten in einer Shell-Umgebung möglich. Erst das X-Window-System ermöglicht den Einsatz von grafikorientierter Software sowie Benutzeraktionen mit Hilfe der Maus.

Vorcompilierte Tools

binutils-1.9l.1.tar.gz bison-1.22.tar.gz cpio-2.3.tar.gz cron-2.1.tar.gz diffutils-2.6.tar.gz elvis-1.7.tar.gz emacs-19.22-bits.tar.gz emacs-19.22-core.tar.gz emacs-19.22-lisp.tar.gz ext2fsO.5a.tar.gz fileutils-3.9.tar.gz find-3.8.tar.gz flex-2.4.6.tar.gz gas-2.2.tar.gz gas-2.3.tar gz gawk-2.15.4.tar.gz gcc-2.5.8.tar.gz gdb-linux.gz grep-2.0.tar.gz groff-1.09.tar.gz gzip-1.2.4.tar.gz indent-1.9.1.tar.gz infojiages.tar.gz jed-0.96.tar.gz ld.so-1.4.1.tar.gz less-177.tar.gz lha-1 .OO.tar.gz lha.lzh libc-4.5.26.tar.gz linux-0.9.tar.gz m4-1.1.tar.gz make-3.70.tar.gz man-1.0.tar.gz man_pages.tar.gz patch-2.1 .tar.gz perl-4.036.tar.gz sed-2.03.tar.gz shellutils-1.9.tar.gz tar-1.11.2.tar.gz tcsh-6.04.lar.gz texinfo-3.1.tar.g textutils-1.9.tar.gz uuencode-1.0.tar.gz

Überblick über die zur Zeit verfügbaren vorcompilierten Tools für das ATARI Linux

Programmentwicklung

Das X-Window-System läuft unter Linux auf dem ATARI also noch nicht. Für viele Anwender dürfte Linux aber gerade dann interessant werden, wenn dieses Stadium erreicht ist. Bis dahin hat man aber schon jetzt eine Reihe von Möglichkeiten, sich mit Unix auf Shell-Ebene vertraut zu machen. Programmier-Tools, insbesondere Gnu C in der Version 2.5.8, stehen bereits in compilierter Form zur Verfügung, und die wichtigsten Systemfunktionen sind vorhanden. Somit steht auf dem ATARI mit Linux in der jetzigen Form bereits ein Entwicklungssystem für Unix-Programme bereit, solange diese keine Netzwerkoder Grafikfunktionen voraussetzen. Darüber hinaus ist es interessant zu beobachten, wie die Entwicklung an diesem Projekt voranschreitet. Wann kann man sonst schon die Entstehung eines neuen Betriebssystem mitverfolgen? Bei Linux geschieht das alles nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich.

Für den interessierten Programmierer dürfte es kein Problem sein, sich die ersten Erfolgserlebnisse unter Unix dadurch zu verschaffen, daß er mit dem Gnu-C-Com-piler seine ersten Gehversuche unternimmt. Zwar läßt sich eine Reihe Unix-ähnlicher Tools bereits mit der Kombination TOS/ MiNT übersetzen, aber ein echtes Unix kann von MiNT nicht ersetzt werden. Aber das wird bald auch nicht mehr nötig sein.

Wo wir gerade beim Thema „Compiler" sind: Die Compilierung neuer Versionen des 68k-Linux kann nicht nur auf einem Rechner mitMotorola-Prozessor erfolgen. Häufig kommen statt dessen schnelle IBM-kompatible PCs zum Einsatz, auf denen Gnu C als sogenannter „Cross-Compiler" installiert ist. Dieser Compiler läuft zwar auf einem Intel-Prozessor, erzeugt aber Code für 68000-Prozessoren. Die Idee, die dahintersteckt, hat ohne Zweifel etwas für sich: Man nutzt den schnelleren Rechner, um auf diesem Programme für den langsameren Rechner zu compilieren. Gnu C macht's möglich.

Soweit ein kleiner Exkurs in die Unix/ Linux-Welt. Abschließend dürfen Informationen über die Bezugsquellen für das ATARI-Linux nicht fehlen. Solange das Gesamtsystem noch nicht die Unix-üblichen Ausmaße angenommen hat, läßt es sich mit vertretbaren Zeiten aus Mailboxen saugen, beispielsweise aus der Maus WI2 (0611 -9410986), der Maus N (0911 -405167) und derNightlife(0261-408010).

Im Internet finden sich die Quellen und Binaries für den ATARI auf dem ftp-Server ftp.uni-mainz.de in /pub/Linux/680xO/ ATARI. Weitere Quellen und vorcompi-lierte Tools (s. Liste) finden sich auf den Servern ftp.uni-erlangen.de in /pub/Linux/ MIRROR.tsx-11/680x0 und ftp.uni-pader-bom.de in /pub/linux/tsx/680xO. Mit den auf diesen Systemen für Linux verfügbaren Tools sollten sich die Quellen nahezu beliebiger anderer Software-Pakete für Unix compilieren lassen, sofern diese keine Voraussetzungen erfordern, die das ATARI Linux in der aktuellen Version noch nicht mit sich bringt.

Ein Wort noch zur Versionsnummer: 0.9 mag sich nach einem Produkt anhören, daß noch weit vom Endstadium entfernt ist. Dies ist aber ein Trugschluß. Der eigentliche Betriebssystem-Kernel ist bereits auf dem Stand des PC-Linux 1.x. Was Linux für den ATARI in der Hauptsache fehlt, sind gewisse Treiber, beispielsweise für die seriellen Schnittstellen oder TCP/ IP-Treiber für VME-Netzwerkkarten für den TT. In der jetzigen Phase spielen diese Treiber aber zunächst einmal eine eher untergeordnete Rolle.

Nur keine Scheu

Auch wenn der große Ressourcenbedarf von Unix zunächst abschreckend wirken mag, wird das für viele Anwender kein ernsthaftes Hindernis sein, sich mit Linux zu beschäftigen. Wer sich über den ATARI-Tellerrand hinausbewegt und sich nicht ausschließlich in Richtung DOS/Windows oder Macintosh orientiert, wird mit Sicherheit über Unix stolpern. Und da ist es doch eine schöne Sache, wenn man dieses System mit seiner bewährten Hardware nutzen kann. Als Belohnung winkt ein hochinteressantes, stabiles Betriebssystem mit einem perfekten Multitasking und einer hohen Portabilität von C-Quellen. Und das sind Eigenschaften, die bei weitem nicht jede andere Plattform bieten kann.

Es sieht ganz danach aus, als ob in der ST-Computer in der Zukunft noch des öfteren von Linux für den ATARI die Rede sein wird. Weiterführende Literatur zu Linux für den ATARI gibt es übrigens bereits zum jetzigen Zeitpunkt: Bis auf spezielle Kapitel zur Hardware dürfte sich nahezu jedes Buch über Linux auf IBM-kompatiblen PCs auch für den ATARI eignen. Wer an aktuellen Informationen zum ATARI Linux oder an der Mitarbeit bei der Portierung interessiert ist und ein Modem besitzt, sollte einen Blick in die Gruppe Linux-68k des Mausnetzes werfen.


US
Aus: ST-Computer 10 / 1994, Seite 28

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