Den ersten Platz im Grafikbereich belegte „Mc Fly of Risk" mit diesem Bild.
Aus dem Nichts taucht die bekannte Umgebung auf, erst mattgrau, dann immer klarer. Am Horizont erkennt man die gewaltigen Daten-Cluster ATARIs. Die Hände finden die Konsole, und ich gleite, vom Geschwindigkeitsrausch kurz benommen, über die Matrix. Dabei hockte ich noch vor einer Stunde im Chatsubo, einer verrauchten Cowboy bar in Nightcity und stierte in mein Glas. Der grinsende Typ schob mir die Disk zu, codiert: Hey „t”. mal wieder Party ... 40 Minuten Arbeit, und ich hatte die Koordinaten. Um diese Zeit war der Cyberspace ruhig, niemand würde mich bemerken, trotzdem nahm ich den Umweg über Tokio, um von meinem Ziel abzulenken. Im Gepäck 30 Gigabyte heiße Software und einen Eisbrecher vom Feinsten - meine Eintrittskarte für das Treffen der besten Konsolenjockeys.
Klingeling, der Wecker. Ich komme langsam zu mir, vielleicht sollte ich vor dem Einschlafen nicht soviel Gibson lesen? Zeit, die Sachen zu packen, in einer Stunde werde ich abgeholt ... Partytime!
Hackerpartys und Copy-Feten gibt es wohl schon, seitdem Freaks die ersten Homecomputer in die Finger bekommen haben. Zu C-64-Zeiten bekam man eine Einladung zu einem geheimen Treffpunkt, von dem aus man zu einem noch viel geheimeren Ort gefahren wurde. In einer Turnhalle standen hunderte Computer, und jeder kopierte die neuesten Cracks. Es läßt sich nicht leugnen, auch die heutigen Parties haben ihre Ursprünge wieder mal im Cracker-Milieu genommen. Die Inhalte haben sich aber komplett verschoben, heutzutage trifft man sich, um mit innovativen Ideen zu glänzen, die neuesten Demos vorzuführen und einfach Spaß zu haben beim Smalltalk mit anderen Freaks. Die sogenannten „Codingconventions” werden von ATARI- Händlern gesponsort. Nebenbei kann man seinen Spieltrieb am Jaguar abreagieren.
Die wichtigtuerische Crime-Atmosphäre vergangener Zeiten wird von den Freaks nur noch belächelt. Diesmal traf man sich Anfang April zur „Fried Bits Eastern Coding Convention 2” in Bremen. Die „Independent" hatte zur zweiten großen Party geladen, und ca. 130 Freaks aus ganz Europa folgten ihrem Ruf. Während kleinere Partys über das ganze Jahr verteilt sind, stellt die Fried Bits den Höhepunkt derartiger Treffen in Deutschland dar. Wie sieht aber nun so ein Wochenende inmitten von Monitoren und Fastfood aus? Am Anreisetag sind die Crews damit beschäftigt, sich einen Platz abzustecken und dann ihre Anlage aufzubauen. So hatten die „Mugwumps” z.B. eine riesige Stereoanlage mit, in deren Boxen sich meine kleine Schwester problemlos verstecken könnte. Sofort nach dem Aufbau schwärmt man aus und begutachtet, noch etwas hektisch, die neuesten Werke der anderen. Gegen Abend wird es dann etwas ruhiger (nicht akustisch), man hat Zeit zum Fachsimpeln und auch mal eine gemeinsame RAIDEN-Schlacht auf dem Jaguar zu bestehen (hi, Kay!). Mit fortschreitender Zeit wird die Atmosphäre wieder etwas betriebsamer, denn jedermann arbeitet auf den Höhepunkt der Party zu. Am Ende werden nämlich die Competitions in verschiedenen Disziplinen abgehalten. Und wie im guten alten Mittelalter streiten die Ritter der Bits und Bytes um die Gunst des Publikums. Zwar freut sich jeder auch über die ansehnlichen Preise, die von Sponsoren gestiftet wurden, doch ist die Anerkennung der anderen Freaks die größte Belohnung für die Mühe, die man sich gemacht hat.
Als erstes wurde der Wettbewerb der Musiker abgehalten. Die Musikstücke mußten als 4stimmige Soundtracker-Module vorliegen. Die versammelte Mannschaft fand sich in einer großen Halle zusammen, wo die „Stimmzettel” ausgehändigt wurden. Auf einer Bühne hatte man eine Leinwand und besagte Mugwumps-HIFI-Anlage installiert. Innerhalb der nächsten Stunde wurden die Beiträge der ca. 20 Beteiligten für jeweils 2 Minuten angespielt. Das Qualitätsspektrum war weit gefächert, von sehr guten Musiken bis zu echtem Sample-Schrott mußten die Zuhörer alles erleiden. Nach einer kurzen Pause, in der man versuchte, seine Trommelfelle zu beschwichtigen, über seinen Favoriten diskutierte oder einfach nur den Zettel ausfüllte, kam die Stunde der Grafiker. Neun Teilnehmer fieberten ihrem Bild auf der großen Leinwand entgegen. Und auch hier hatte man die Skala abgedeckt, von schnellen Jokes bis zu komplexen Kunstwerken war alles vertreten; dann kam wieder die Zettelausfüllprozedur und endlich der spannendste Augenblick des Abends. Für die Demo-Competition hatten sich 6 Bewerber gemeldet. Und was dann folgte, war wirklich bemerkenswert, man war sich einig, daß das Niveau der Demos gewaltig in die Höhe geschossen sei. Die Begeisterung der Anwesenden ging sogar soweit, daß bei besonders gelungenen Effekten spontan applaudiert wurde. Die Mugwumps versetzten uns mit einem visuellen Feuerwerk in Trance, welches von entsetzlich guter Techno-Musik getragen wurde. NPG offerierte ein Paket voller Effekte, und man durfte sogar interaktiv über eine Com-manche-Landschaft fliegen. Leider war das sehr gut durchgestylte Demo von New-line nicht ganz fertig, dafür setzte Avenas „Weltschmerz“-Demo endlich mal neue Akzente. Es ist bestimmt sehr mutig und auch mal notwendig, sich politisch zu artikulieren. Die Krönung bildete aber LAZERs Trip in den Cyberspace, dieses Demo stellte alles andere in den Schatten. Der Ansammlung von guten Ideen, gepaart mit hervorragenden Programmierkünsten, sah man die 2 Monate harte Arbeit der Crew an.
Das Licht geht an, und benommen verzieht sich erstmal jeder an ein ruhiges Plätzchen, natürlich nicht, ohne seinen Stimmzettel vorher abzugeben. Die darauffolgende knisternde Atmosphäre sollte noch eine Stunde dauern, bis die Götter des Olymp bzw. die Organisatoren der Fried Bits und zwei unerschrockene Mitarbeiter der ST-Computer zur Preisverleihung riefen. Den ersten Preis der Sample-Jongleure sahnte Doom/Animal Mine ab. ihm folgte der Newcomer Front 6/Newline und den dritten Platz belegte Scavenger/Synergy. Beiden Pixel-Künstlern wurde „Mc Fly of Risk” der erste Rang zuerkannt, "JMS of Animal Mine” schnappte sich den zweiten, und ich selbst („A.-t- of Cream”) durfte mich über den dritten Platz freuen. Den Demowettbewerb gewann natürlich Lazer, gefolgt von NPG, und auf dem dritten Platz landeten die Mugwumps. Dann wankten alle in die Kojen, da es mittlerweile schon 3 Uhr früh war. Am nächsten Morgen ließ man diese tolle Party mit gemütlichem Geplauder ausklingen, während sich einer nach dem anderen auf den Heimweg machte. Natürlich werden im Verlauf so einer Party auch Pläne geschmiedet und neue Connections geknüpft. Die französischen Teilnehmer brachten viele Neuigkeiten über Entwicklungen in ihrem Land mit, unter anderem berichteten sie über einige falconspezifische Spiele, die in Frankreich in der Entstehung sind. Der Trend zur Spieleproduktion ließ sich überhaupt bei vielen Crews beobachten, man darf also in nächster Zeit auf etwas Zuwachs in dieser Software-Ecke für unseren Wundervogel gespannt sein. Besonders gebeutelt wird wohl erstmal das Thema Echtzeit-Texturemapping nach dem Vorbild bekannter PC-Spiele. Sobald sich dort etwas Interessantes herauskristallisiert, werde ich darüber berichten. Insgesamt zeichnet sich aber ein positives Bild der Falcon-Scene ab, viele Neueinsteiger aus dem Amiga-Bereich beteuerten ihre Begeisterung über die Zusammenarbeit der Crews. Harte Rivalitäten, wie sie in der Amiga-Scene an der Tagesordnung sind, kennen die Falcon-Freaks überhaupt nicht. Ich möchte auch an dieser Stelle nochmals ein Dankeschön an die zahlreichen Sponsoren senden, die mit Sachpreisen nicht geizten.
Wer gerne die Ergebnisse dieser Convention live auf seinem eigenen Falcon030 begutachten möchte, sollte mit einem Modem bewaffnet durch die einschlägigen Mailboxen streifen. Bei Erscheinen dieses Artikels sollten die Demos überall im Umlauf sein. Vielleicht wurde der eine oder andere jetzt ein wenig neugierig und wir sehen uns auf der „Fried Bits 3”? In der nächsten Falcon-Scene schnüffel' ich ein wenig in den Trickkisten der Coder ...
A. -t- of Cream