Jaguar - ATARIs neue Spielekonsole

Schiere Kraft: ATARIs 64-Bit-Spielekonsole kommt!

Der Jaguar kommt! Seit dem 19.10.1993 ist es auch in deutschen Landen offiziell. An diesem Tag hat ATARI in einer Reihe von Einzelvorführungen im deutschen ATARI-Stammhaus in Schwalbach/Ts. die neue Spielekonsole Vertretern der Presse präsentiert. Angetreten waren Jean Richen (ATARI Frankreich), Peter Walker (Fitzroy Public Relations England) und eine schwarz-rote Raubkatze namens Jaguar, um die Anwesenden zu verblüffen. Erstmalig konnte man den Jaguar in Aktion sehen und sogar selbst Hand anlegen.

Das Gehäuse des Jaguar erinnert ein wenig an einen etwas zu groß geratenen tragbaren CD-Player (siehe Bild) und ist ganz in schwarz mit knallig roter Beschriftung gehalten. Die Control-Pads - der Jaguar bietet die Möglichkeit, zwei derselben anzuschließen - liegen recht gut in der Hand und sind mit insgesamt 17 Knöpfen plus dem eigentlichen Steuerkreuz ausgestattet. Die Spiele werden in Modulen angeboten, die in den Modul-Port am oberen, hinteren Ende des Grundgerätes gesteckt werden. Die Module können bis zu 16 Megabyte Daten fassen. Mit entsprechenden Kompressionsverfahren lassen sich ca. 400 Megabyte Bild- und Sounddaten unterbringen. Selbstverständlich wird auch ein CD-System zum Nachrüsten folgen. Damit kann der Jaguar normale Audio- und Photo-CDs verarbeiten.

Die Spiele

Fünf Spiele sollen gleichzeitig mit der Auslieferung des Jaguars auf den Markt kommen. Vier Spiele hatte man zur Vorführung bereits mitgebracht, die sich alle kurz vor der Fertigstellung befinden: „Cybermorph“ ist ein 3D-Vektorgrafikflugsimulator. Simuliert wird dabei ein fiktives Fluggerät, daß sich in atemberaubender Geschwindigkeit über eine Planetenoberfläche bewegt. Ziel des Spiels ist es, soviel Überlebende eines planetarischen Krieges wie möglich zu retten, die sich in Rettungskapseln aufhalten, welche über die gesamte Planetenoberfläche verteilt sind. Das Fluggerät kann sich frei in alle Richtungen bewegen und sogar rückwärts fliegen. Man betrachtet die Szenerie über eine fiktive Kamera, die sich immer hinter dem Flugzeug/Raumschiff bewegt. Je nach Geschwindigkeit verändert sich die Form des Raumschiffs. Dies geschieht stufenlos und flüssig (morphing), was man gut beobachten kann. Die Planetenoberfläche ist sehr detailliert gestaltet und gibt Senken, Hügel und Berge realistisch wieder. Alle Gebilde sind voll dreidimensional vorhanden, können also über- oder umflogen werden. Schwebende Objekte lassen sich auch unterfliegen. Insgesamt erinnert Cybermorph stark an den ATARI-ST-Klassiker „Starglider“, nur mit wesentlich verbesserten Grafik- und Sound-Darbietungen.

Jean Richen (ATARI Frankreich) führte den Jaguar eindrucksvoll vor.

Beindruckend ist auch die Grafik des Spiels „Alien vs. Predator“ Die zwei alten Bekannten aus der Kinofilmbranche begegnen sich in einem unterirdischen Labyrinth. Mit von der Partie ist auch ein Marine-Corporal. der die Aufgabe hat, die beiden Monster gegeneinander auszuspielen. Der Spieler kann wahlweise als Alien, Predator oder Marine-Corporal fungieren. Jeder von Ihnen hat unterschiedliche Eigenschaften. Brillant anzusehen ist dabei das Scrolling bei den Bewegungen. Man kann sich stufenlos in alle Richtungen drehen, und Gegenstände sowie Boden und Decke werden in Echtzeit mit realistischen Texturen versehen.

„Checkered Flag 2“ ist die Jaguar-Umsetzung des bekannten Spielhallenklassikers. Das Prinzip ist ähnlich. Man fährt einen Formel-1-Rennwagen über bekannte Kurse. Die Realisierung ist allerdings wesentlich besser ausgefallen als beim Original. Das Fahrzeug und sämtliche Objekte sind in dreidimensionaler Vektorgrafik aufgebaut, und man kann sich völlig frei wie in der Realität bewegen. Wer will, kann mitten auf der Strecke kehrtmachen und als „Geisterfahrer“ den Kurs in der falschen Richtung absolvieren. Die sichtbare Umgebung existiert komplett in dreidimensionaler Form im Rechner und wird ständig Bild für Bild neu berechnet und dargestellt.

Ein weiterer Klassiker aus der Arcade-Szene wurde mit „Crescent Galaxy“ auf dem Jaguar umgesetzt. Es handelt sich dabei um ein horizontal scrollendes Shoot’em-Up-Spiel. Die feindlichen Objekte sind größtenteils absolut realistisch aussehende Gegenstände, die sich ruckfrei bewegen und sogar um sich selbst rotieren können. Besonders die Größe dieser Objekte ist beeindruckend. Am Ende eines jeden Levels wartet ein extra großes Monster, das teilweise den halben Bildschirm ausfüllt, trotzdem ruckfrei animiert ist und den Spielablauf in keinster Weise verlangsamt.

Peter Walker, Sprecher des „ATARI Europe Press Office“, sagte, daß durch den Jaguar nicht nur schon vorhandene Spielkonzepte verbessert werden könnten, sondern daß sich völlig neue, bis dahin nicht für umsetzbar gehaltene Ideen und Konzepte realisieren ließen.

Die Hardware

Man erlaubte uns einen Blick in die Innereien des Jaguars, und wir staunten nicht schlecht, als wir auf die aufgeräumte Platine des Gerätes blickten, die mit Sicherheit schon aus einer Serienfertigung stammt. Lediglich drei große Chips sorgen für die immense Leistungsfähigkeit des Systems. Neben einer mit 13.3 MHz getakteten Motorola-M68000-CPU befinden sich nur TOM und JERRY - die beiden ATARI-Customchips - im Jaguar (abgesehen von dem üblichen Kleinkram wie RAM/ROM, ein wenig TTL-Logik und natürlich dem TV-Modulator). TOM ist der leistungsfähigere Chip. Er vereint insgesamt vier Prozessoren (siehe Abbildung) und ist über volle 64 Bit Datenbus mit dem Rest des Systems verbunden. Der Cartridgeport stellt einen vollwertigen 32 Bit breiten Bus dar, an dem auch andere Erweiterungen als Cartridges und CD-ROMs angeschlossen werden können. ATARI gibt Beispiele an: Virtual Reality Equipment, Modem, ISDN, Telefonleitung (Anrufbeantworter!) usw. Ein MPEG 2-(Motion Picture Expert Group)-Modul ist ebenso in Planung. Mit ihm lassen sich ganze Videofilme extrem komprimiert auf einer Cartridge oder CD speichern und über den Jaguar wiedergeben. In voller Videoqualität!

Wer füttert die Raubkatze?

Eine Videospielkonsole lebt von der Software, die für sie entwickelt wird. Das hat auch ATARI erkannt und bis jetzt an ca. 20 Spieleentwicklerfirmen Lizenzen für den Jaguar vergeben (siehe Tabelle). Darunter auch so bekannte Namen wie Ocean Software und US Gold. Fünf Spiele sind, wie schon erwähnt, so gut wie fertig (siehe Tabelle), fünf weitere sollen noch in diesem Jahr erscheinen. Für das nächste Jahr plant ATARI ca. 40 weitere Titel für den Jaguar.

Wer für den Jaguar Spiele entwickeln möchte, braucht ein spezielles Entwicklungssystem. Es besteht aus einem TT mit entsprechender Software (Debugger) und natürlich einem Jaguar. Die Geräte werden über ein Parallelkabel miteinander verbunden. Alle Debug-Informationen werden auf dem TT ausgegeben, so daß der Jaguarbildschirm während des Debug-Vorganges nicht verändert zu werden braucht. Entgegen früherer Gewohnheiten wird ATARI das Entwicklungssystem zukünftig allerdings auch für PCs anbieten. Um Entwickler zu werden, sollte man sich mit ATARI in England (Bob Gleadow) in Verbindung setzen. Bislang gibt es leider noch kein deutsches Software-Haus, das für den Jaguar entwickelt.

Marketing

Wie schon unser Maulwurf herausgefunden hat (siehe ST-Computer 10/11,1993), wird der Jaguar zunächst nur in den USA und dort auch nur in New York und San Francisco verkauft. Die Markteinführung ist für November/Dezember 1993 geplant. ATARI hat für diese Gebiete 3 Millionen Dollar Werbeetat zur Verfügung gestellt, um den Jaguar allgemein bekannt zu machen. Besonders durch Werbespots im Fernsehen soll die Markteinführung unterstützt werden. Nach Europa und damit auch nach Deutschland wird der Jaguar leider erst im ersten Quartal 1994 gelangen. Auch hier plant man eine agressive Werbekampagne, um den Jaguar als - Zitat: „Industriestandard für Multimedia-Unterhaltung“ zu etablieren.

In Amerika wird das Grundgerät mit einem Spiel für 199,-US-Dollar verkauft werden. Man rechnet damit, daß der Jaguar in Deutschland preislich auf jeden Fall unter 500,- DM liegen wird. Für die Leistungsfähigkeit dieses Gerätes ist das sicherlich ein enorm günstiger Preis. Man darf gespannt sein ...

CM

Diese Spiele werden noch in diesem Jahr für den Jaguar erscheinen:

Crescent Galaxy
Cybermorph
Raiden
Evolution: Dino Dudes
Club Drive
Checkered Flag 2
Tiny Toon Adventures
Alien vs. Predator
Kasumi Ninja
Tempest

Die Platine des Jaguars -erstaunlich wenige Bauteile sprechen für eine extrem hohe Integration.

Die Software-Häuser, die zur Zeit für den Jaguar Spiele entwickeln:

Anco Software Ltd.
Dimension Technologies
Eurosoft Games Inc.
High Voltage Software
Krisalis Software Ltd.
Loriciel S.A.
Maxis Software
Microids
Midnight Software
Ocean Software Ltd.
Rebellion Software Ltd.
Retour 2048
Silmarils
Telegames Beyond
Tiertex Ltd.
Titus
Tradewest
Trimark Interactive
U.S. Gold Ltd.

# Soft- und Hardware-Effekte des Jaguars

Der Jaguar kann mit einer Vielzahl von grafischen Effekten aufwarten, die teilweise sogar hardwaregestützt erzeugt werden. Einige dieser Effekte sind besonders durch Kinofilme bekannt geworden (z.B. Terminator II), als da wären:

Texture Mapping
Eine beliebige zweidimensionale Grafik kann auf ein ebenso beliebiges dreidimensionales Gebilde projiziert werden. Dadurch entstehen Objekte mit realistischer Oberflächenstruktur.

Light Sourcing
Eine dreidimensionale Umgebung kann mit einer oder mehreren Lichtquellen beleuchtet werden, was sehr realistische Grafiken mit Schattenbildung hervorruft.

Morphing
Eine zweidimensionale Grafik oder ein dreidimensionales Objekt kann in Echtzeit in ein völlig andersartig aussehendes Gebilde verwandelt werden. Die Zwischenbilder werden berechnet.

Warping
Eine Grafik kann in beliebige Richtungen rotiert, gestreckt, gestaucht, vergrößert oder verkleinert werden.

Transparency
Objekte können teilweise lichtdurchlässig sein, dadurch lassen sich beispielsweise Wasseroberflächen, Glas, Wolken, Nebel oder Rauch sehr realistisch darstellen.



Aus: ST-Computer 12 / 1993, Seite 140

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