Typografie - aber wie (3): Fonts à la carte - Das Auge ißt mit

Schrift ist das Salz in der Suppe eines ansprechenden DTP-Menüs. Und zuviel von dieser Würze macht hier wie dort das Menü bekanntermaßen ungenießbar. Aber völlig unabhängig davon, ob nun 20 oder 2000 Schriften für die tägliche Arbeit zur Verfügung stehen, nur allzuoft fehlt gerade die, die man am nötigsten braucht.

Diese „Lebensmittelversorgung" wurde in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Schriftanbietern aufrechterhalten. Von „brauchbar" bis „sichtbar" reichte dann auch das Spektrum der hier offerierten Fonts, wobei einige sicher nicht einmal über „Fast-food"-Qualitäten hinauskamen. An dieser Entwicklung wurde aber auch der Bedarf an qualitativ guten Schriften deutlich, und mittlerweile kann auch der ATARI-Publisher auf die Produkte der bekannten großen Schriftenhäuser wie z.B. Berthold, URW, Linotype und andere zugreifen.

Maßgeblich für diese Entwicklung und die zur Verfügung stehenden Schriftformate für ATARI-DTP war und ist natürlich der Calamus. Das in diesem Programm gebräuchliche CFN-Format für Vektorschriften entwickelte sich schnell zum Standard für professionelles DTP-Arbeiten. Aber auch die im Post-Script-Type1-Format vorliegenden Fonts anderer Computerplattformen können inzwischen, wenn auch nicht im Calamus selbst, für das Layouten genutzt werden. In dem Publishing-Programm „Didot Professional", oder neuerdings „DA's Layout", kann neben den obligatorischen CFN-Fonts auch mit Type1-Fonts gearbeitet werden. Und auch für den DMC-Font-Editor „Type Art" wird überlegt, in einer der nächsten Versionen neben der Bearbeitung von CFN-Schriften auch das Typei zu nutzen. Ganz grundsätzlich eröffnen sich also Möglichkeiten, mit den am Mac oder DOS-PC bereits genutzten Schriften direkt auf dem ATARI zu arbeiten.

Schriftentwicklung

Die relevanten typografischen Neuerungen werden nach wie vor für den PostScript-Markt entwickelt. Alle bekannten alten und neuen Schriftdesigner produzieren ausnahmslos für diesen Anwenderbereich. Absatzgründe spielen hier die entscheidende Rolle. Nach qualitativen Kriterien beurteilt, schneiden die gebräuchlichen Post-Scriptfonts jedoch nicht immer gut ab.

Einzüge an den „Ballungszentren" eines Zeichens sind für einen ausgewogenen Grauwert im Satz von Bedeutung (im Beispiel zu sehen im oberen Teil der Punze des vorderen „A"). Das Zeichen hätte sonst an dieser Stelle einen zu hohen Schwärzungsgrad.

Bei der Entwicklung von PostScript-Schriften war der Einsatz für den High-End-Bereich noch gar nicht abzusehen und mußte daher auch nicht im Schriftformat berücksichtigt werden. Wer dachte denn damals bei ADOBE daran, daß diese Technologie in nur wenigen Jahren die guten neuen Satzmaschinen vom Markt drängen würde? Fast jeder Drucker hat heutzutage solch ein langsam einstaubendes Maschinchen im Keller, obwohl die Satzqualität dem DTP-Satz immer noch einiges voraus hat. Gedacht wurde damals in kleineren Dimensionen, entsprechend der Hardware, die seinerzeit verfügbar war. Post-Script-Type1-Fonts bekamen also eine interne Auflösung des Zeichengevierts von lediglich 1000 Punkten, die sie auch heute noch haben.

Im Vergleich zu anderen heute verfügbaren Schriften wird dieser Nachteil deutlich: Die für den Calamus lizenzierten Schriften arbeiten mit einer Auflösung des Gevierts von 16384 Punkten, (Berthold mit 18000 und URW mit 15000 Punkten). Diese Unterschiede sind natürlich auf einem 300dpi-Laserausdruck nicht sichtbar. Wohl aber beispielsweise in größeren Schriftgraden bei einer Filmausgabe in 2540 dpi. Bei einer Auflösung von nur 1000 Punkten sind Knicke bei tangentialen Übergängen im Font, z.B. von einer Serife in eine Gerade, im wahrsten Sinn des Wortes schon vorprogrammiert. Daß solche „Knicke" in den Schriftzeichen erst gar nicht auftreten dürften, ist eine andere Sache, warten wir's ab.

Etwa 1000 Fonts kommen jedes Jahr neu auf den Markt. Von diesen erreicht aber lediglich etwa 1 Prozent eine gewisse Bedeutung in der DTP-Anwendung. Die Neugestaltung einer Schrift kostet schließlich viel Zeit und somit auch Geld. Wenn die Entwicklung eines vollständigen Zeichensatzes zu einer Schriftfamilie mit vielleicht 8 Schnitten leicht über ein Jahr gehen kann, müssen sich die entstehenden Kosten natürlich auch in den Lizenzgebühren niederschlagen. Die relativ hohen Preise für gute Satzbelichter-Fonts haben also durchaus ihre Berechtigung.

Bild 2: Zweimal die „Kabel", zweimal der Grundschnitt der jeweiligen Schriftfamilie, aber eben auch zwei verschiedene Schrifthersteller! Das Resultat sind anders geschnittene Buchstaben und unterschiedliche Fettegrade.

Qualitäten

Für nicht wenige unter den semiprofessionellen Desktop Publishern wird eine ernsthafte Diskussion über „Qualitätsmerkmale von Schriften" eher etwas für konservative „Typomanen" sein. Für Puristen also, die sich über im Font-Editor nicht korrekt ausgerichtete Tangentenlinien die Haare raufen können. Wenn man jedoch genauer hinschaut, ändert sich nicht nur der Blickwinkel. Durch eine präzise typografische Arbeit am Desktop wird notwendigerweise auch das eigene Auge für Qualitäten und Mängel in Satz und Font-Ware geschult. Und in einer fertigen Gestaltung wirken eben gerade diejenigen Fehler in der Zeichnung einer Schrift, die für einen Laien eigentlich gar nicht als solche erkennbar sind. Ein geübtes Auge kann dagegen noch Abweichungen an den Kurven eines Zeichens von +/- 0,03mm wahrnehmen. Zum Vergleich: ein Bildschirmpunkt im Monitor ist etwa 10 mal so groß.

Der bekannte Vorteil der Vektor-Fonts gegenüber Pixelfonts wird auch DTP-Anfängern bereits beim ersten Arbeiten im Layout-Programm deutlich. Jeder Schriftschnitt liegt nur einmal vor und muß nicht, wie es bei Pixel-Schriften notwendig ist, für jede Punktgröße zusätzlich neu geladen werden. Die stets gleichbleibende Qualität in der Skalierbarkeit von Vektorobjekten macht's möglich.

Es gibt aber Fälle, in denen es durchaus von Nachteil ist, wenn nur ein Font gleich für alle Darstellungsgrößen herangezogen werden kann. Vektor-Fonts sind so geschnitten, daß sie alle in Frage kommenden Satzarbeiten in annähernd der gleichen Qualität ermöglichen. In den Extrembereichen zweier Schriftgrade, z.B. der 6p-Schrift eines Telefonbuchs und einer 300p-Schrift eines Plakats, werden jedoch die damit zusammenhängenden Nachteile deutlich.

Deutlich unterscheiden sich in den beiden gleichnamigen Zeichensätzen einzelne Zeichen, besonders gut zu erkennen in den für die „Kabel" charakteristischen Endstrichen beim „a" und „C". Dieses Beispiel ist aber keine Ausnahme, es läßt sich mit vielen weiteren Schriften genauso durchspielen.

Für solche Anwendungsbereiche wäre es durchaus wünschenswert, einen Vektor-Font auch in unterschiedlichen „Ausführungen" vorliegen zu haben. Um beim Satz in kleinen Schriftgraden einen möglichst gleichmäßigen Grauwert zu erreichen, bedient man sich bei kritischen Zeichen eines kleinen Tricks. Einzüge in manchen kritischen Zeichen helfen, bei einem kleinen Schriftgrad einen zu starken Schwärzungsgrad zu vermeiden. In großen Schriftgraden, zum Beispiel in der Plakatwerbung, sollte dagegen auf diese Feinheiten verzichtet werden. Was im kleinen wirkungsvoll und nicht direkt sichtbar ist, kommt im großen deutlich zur Geltung und sieht dann gar nicht mehr schön aus. Diese Differenzierungen in einer Schrift, im konventionellen Satz- und auch Beschriftungsbereich an derTagesordnung, sind für den digitalen Satz des Desktop Publishing bisher nur selten umgesetzt worden. Einige positive Beispiele wurden ja bereits im letzen Monat genannt. Besonders dann, wenn eine Anzahl von Schriften regelmäßig in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen des DTP, z.B. Satz, Grafik, Folien-Plotts genutzt wird, werden die Unterschiede recht schnell deutlich, die einem dann doch zu denken geben und die mitunter recht hohen Preise für qualitativ hochwertige Satzbelichterschriften zumindest verständlich erscheinen lassen.

Fast Food ...

Benutzen wir also einmal unseren kritisch zu schulenden Blick und schauen uns unterschiedliche Font-Qualitäten einmal etwas genauer an. Als ein erstes Beispiel nehmen wir die von DMC vertriebene Font-Familie „Kabel" von ITC und die gleichnamigen Schriften aus dem Font-Paket eines Billiganbieters („1000 Fonts nur xyz DM!"). Schon in der Bezeichnung der Schnitte gibt es relevante Unterschiede. Ein annähernd vergleichbarer Schnitt der ITC-Kabel „book" ( „book" bezeichnet den Grundschnitt einer Schrift) findet sich in der Billig-Collection nur unter der Bezeichnung „light".

Gerade die bekannteren und somit auch oft im Satz genutzten Schriften finden sich in den Font-Katalogen vieler Schriftenhersteller. Einen Font für die DTP-Arbeit nur dem Namen nach zu bestellen, kann da leicht ins Auge gehen, wie unser Beispiel zeigt: 5x der Grundschnitt der Garamond von 5 Schriftherstellern unter eben diesem Namen angeboten! Welche hätten Sie denn gerne?...

Diese Unterschiede in der Bezeichnung des sogenannten „Fettegrades" einer Schrift findet man jedoch leider sehr häufig zwischen gleichnamigen Schriften verschiedener Hersteller, über die weiteren Qualitäten sagt das aber noch nichts aus. Normalerweise beträgt der Grundschnitt einer Schrift etwa 12% der Versalhöhe, aber, um bei kulinarischen Beispielen zu bleiben, auch unter den Schriftherstellern sind die Geschmäcker verschieden, und jeder kocht sein Süppchen halt etwas anders. Bei einer direkten Gegenüberstellung einzelner Zeichen der entsprechenden Fonts werden jedoch gravierende Mängel deutlich.

Charakteristisch für den Originalschnitt der Kabel sind zum Beispiel die schrägen Strichenden. Auch die preiswerte „Kabel"-Version verfügt natürlich über dieses wichtige, den Schriftcharakter bestimmende Detail - nur leider nicht in allen Zeichen! Schon auf dieser oberflächlichen Betrachtungsebene kann man also nicht mehr von „identischen" Schriften sprechen, obwohl das durch den gleichen Namen suggeriert wird.

Noch deutlicher (geht das eigentlich noch?) werden die Unterschiede beim Blick in den Font-Editor. Die bei der „Billig-Kabel" auftretende unsaubere Zeichnung, z.B. mehrere kleine gerade Linien, wo eine Bézierkurve hätte sein müssen usw., die so eigentlich nur bei einer etwas nachlässig korrigierten automatischen Vektorisierung auftreten, kann nur noch bei einem 300dpi-Laserausdruck durchgehen. Und selbst diese Nutzung verschließt sich schon durch die oben genannten anderen „Unregelmäßigkeiten".

... oder Kaviar

Daß diese Mängel im DTP-Berufsalltag durchaus relevant sind, zeigt sich spätestens dann, wenn für einen Kunden, der beispielsweise die „Kabel medium" (welche auch immer) als Hausschrift nutzt, ein Gestaltungsauftrag zu erledigen ist. Verläßt man sich blindlings auf Font-Namen und Schnittbezeichnung, hat man vielleicht nach dem Druck nicht nur einen Auftrag weniger, sondern sicher auch einiges an Geld.

Auf der anderen Seite stehen nun aber auch die recht hohen Kosten, die mit einer DTP-Anlage für den professionellen Einsatz immer verbunden sind. Da läßt sich durch den Erwerb preisgünstiger Fonts natürlich eine Menge Geld sparen. Wenn man die Fehler und Einsatzgrenzen kennt und auch im Satz beachtet, bieten sich diese Fonts für die DTP-Grundausstattung geradezu an. Man ist für viele typografische Situationen gerüstet, und nicht jeden Tag bekommt man Aufträge mit einer expliziten typografischen Vorgabe. Wo es nicht so sehr um die Übernahme bereits vorhandener typografischer Elemente geht oder auch für den Satz schnellebiger Drucksachen und Anzeigengestaltungen können diese Fonts unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen anfangs eine Hilfe sein. „Professionell arbeiten" heißt neben dem damit verbundenen Know-how ja auch, daß mit dieser Arbeit Einkünfte erzielt werden müssen ...

Letztlich ist es dem Kunden einer DTP-Agentur aber doch ziemlich egal, wie „professionell" die Hard- und Software ist, mit der die Arbeit gemacht wird. Was zählt, sind die Ergebnisse. Und um ein qualitativ hochwertiges Ergebnis zu erreichen, müssen halt auch die Einzelkomponenten hochwertig sein. Ist dies nicht der Fall, bleibt DTP ein teures Hobby.

Auch in den „Originalen" der Satzbelichterschriften gibt es Unterschiede, die es im DTP-Satz zu beachten gilt. Es sind beispielsweise wer weiß wie viele verschiedene Fonts erhältlich, die den Namen „Garamond" tragen. Einige beziehen sich direkt auf die ca. 450 Jahre alte Grundschrift der Garamond, andere wiederum ausdrücklich nicht (trotz des gleichen Namens!), alle werden von den unterschiedlichsten Herstellern angeboten mit den bekannten „kreativen" Eigenheiten usw.

Was daraus folgt, ist, daß man eine Schrift auf keinen Fall nur nach ihrem Namen kaufen und einsetzen sollte! Hier helfen letztlich nur gute Schriftkataloge der Hersteller, in denen die Fonts so dargestellt sind, wie sie wirklich sind.

Die Qualität eines Zeichens, wie sie sich im Font-Editor darstellt: Eine Berthold-Garamond mit der eines anderen Herstellers auf diese Weise zu vergleichen ist sicher unfair, zu groß sind die Unterschiede. Aber durch eine solche Gegenüberstellung werden auch die Möglichkeiten und Unzulänglichkeiten eines Zeichensatzes deutlicher. Wo die Berthold-Garamond extrem viele Stützpunkte benötigt, um exakte Kurven zu zeichnen, genügen der anderen Garamond, in unserem Beispiel die aus der „Serials Collection", auch schon mal einige gerade Linien an den Stellen, wo es Kurven hätten sein sollen ...
Bild 6: Beide „Garamonds" noch einmal im direkten Vergleich; eigentlich deutlich verschiedene Zeichen. Die Größenunterschiede haben ihre Ursache in der unterschiedlichen Anlage der Ausrichtungslinien im Fonteditor, wie die beiden vorhergehenden Abbildungen auch schön zeigen.

Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 10 / 1993, Seite 68

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