Multi.ACC - Multitalent

MULTI.ACC stellt die Funktionen von zwei Klassikern mit einigen nützlichen Erweiterungen zur Verfügung.

Solange auf dem Atari kein echtes Multitasking möglich ist, müssen noch viele kleine "Zwischendurch-Probleme" mit Hilfe von Accessorys gelöst werden. Während man beim großen Vorbild Macintosh zahlenmäßig praktisch keine Einschränkungen hat und ab System 7.0 von der Flexibilität her noch besser dasteht, ist die Anzahl beim Atari auf sechs Einträge begrenzt. Das ist eine Menge, mit der man hinsichtlich des begrenzten Speichers und eventueller Wechselwirkungen gut leben kann. Andererseits gibt es auch einige nützliche Kleinigkeiten, die man eher als Routine denn als Programm bezeichnen möchte. Für die einen ganzen Accessory-Platz zur Verfügung zu stellen, wäre wahrhaft Verschwendung. Der recht elegante Kompromiß zwischen Nutzen und Aufwand nennt sich Mehrfach-Accessory.

Mit dem MULTI.ACC hat nun auch Henrik Alt, bekannt durch das Virenschutzprogramm SAGROTAN, an einem solchem Programm seine Programmierkunst bewiesen. Das vollständig in Assembler geschriebene Programm ist nur 5800 Byte lang und benötigt nach dem Start schlappe 8 KByte im RAM-Speicher. Trotz einer übersichtlichen Bedienoberfläche kommt es außerdem ohne RSC-Datei aus. Dabei bietet es folgende Funktionen:

Das Einstellen von Spurwechselzeiten oder das Formatieren von Disketten hauen einen vor Originlität nicht vom Hocker, aber wer etwas benötigt (Benutzer von 1/4"- oder HD-Laufwerken), freut sich, daß er nun ein Programm weniger installieren muß. Auch eine Parkroutine für Festplatten dürfte nur für einen speziellen Anwenderkreis interessant sein, denn das automatische hardwaremäßige Parken der SchreibLese-Köpfe ist bei den für Atari angebotenen Platten beinahe Standard.

Von allgemeinem Interesse dagegen sind der Mausbeschleuniger und eine Reset-Funktion: Wer noch nicht über TOS 1.4 verfügt, muß gelegentlich schon arge Verrenkungen machen, um den berühmten Knopf an der Rückseite zu erwischen. Hat sich der Rechner nicht total aufgehängt, kann man über einen bequemen Mausklick wahlweise einen Kalt- (entspricht Reset-Knopf) oder Warmstart (wie Computer aus- und wieder einschalten) auslösen. - So schön eine GEM-Oberfläche ist, manchmal ist das Hin- und Hergeschiebe der Maus ganz schön nervig, vor allem, wenn man nur wenig Platz auf seinem Schreibtisch hat. Mit Hilfe des Mausbeschleunigers kann man die Wege abkürzen, indem sie über eine einstellbare Geschwindigkeitsvervielfachung nun viel schneller als gewohnt über den Bildschirm rennt. Dabei läßt sich ihr Verhalten für xund y-Achse getrennt regeln. Ferner gibt es eine variable Ansprechschwelle (Trigger), die es bei Fummelarbeiten (z. B. in Malprogrammen) ermöglicht, daß sich die Maus dennoch präzise positionieren läßt.

Während die oben genannten Funktionen ebenfalls schon in anderen Programmen verwirklicht wurden, sind die beiden letzten recht originell und nützlich. So ganz neu sind sie allerdings auch nicht, denn die Druckeranpassung und der Schreibschutz sind schon länger als separate Accessorys unter den Namen UMLAUT und PROTECT verfügbar (beide STPD # 237). Ein softwaremäßiger Schreibschutz kann zwar nicht die Sicherheit des kleinen Schiebers an den 3 1/2"-Disketten bieten, ist aber bei Festplatten und RAM-Disks besser als gar nichts. Es geht in diesem Zusammenhang weniger um ein versehentliches Überschreiben von Dateien durch eigene Schusseligkeit, als vielmehr um heimliche Aktionen von Viren. Einen Schreibzugriff bekommt man bei den schnellen Medien aufgrund der hohen Geschwindigkeit oft nicht mit, bei der Festplatte leuchtet nur kurz die Kontrollampe, eine RAM-Disk gibt nach außen gar kein Signal. Wenn nun ein Schreibzugriff stattfindet, erscheint bei aktiviertem Schreibschutz die gewohnte Dialogbox "Die Diskette in Laufwerk X: ist schreibgeschützt". Ist der Zugriff in Ordnung, weil man eine Datei abspeichem möchte, kann man den Schutz nun ausschalten oder wenn Accessorys nicht erreichbar sinddurch wiederholtes Drücken von weiter trotzdem schreiben. Da das Speichern gewöhnlich in mehrere Häppchen unterteilt wird, erscheint das Dialogfenster mehrmals. - Ist man sich dagegen ganz sicher (manche Programme machen beispielsweise automatisch Sicherheitskopien), daß das Programm momentan nichts an den Massenspeichern zu suchen hatte, sollte man vorsichtig davon ausgehen, einen Virus im System zu haben! Neben dem bereits erwähnten SAGROTAN sind auch JAMES (ST-PD # 356) und CHK-TREE (STPD # 327) dabei zuverlässige Helfer. Diese Schreibschutzfunktion kann natürlich nur dann einigermaßen sicher funktionieren, wenn die dafür vorgesehenen Routinen verwendet werden.

Die Druckeranpassung ist sicherlich für den deutschen Sprachraum eine wichtige Angelegenheit. Zwar mutet einem kaum ein Hersteller noch eine amerikanische Tastatur zu, und auch die Computerdrucker verfügen schon seit Jahren über einen deutschen Zeichensatz, aber hinter den Kulissen herrscht immer noch das Chaos: der Atari hat einen nahezu vollständigen IBM-Zeichensatz, verwaltet aber ein eignes "ß" und das Paragraphzeichen (§) anders. Bei IBM wird ferner dreisterweise das "ß" zum "ß" (beta) degradiert. Bei anderen Systemen muß man sich zwischen [], {|} oder ÄÖÜ, äöü entscheiden. Die abschaltbare Druckeranpassung bietet nun drei verschiedene Modi, den gewünschten Text korrekt zu Papier zu bringen. Dabei wird entweder ständig zwischen den länderspezifischen Zeichensätzen hin- und hergeschaltet (EPSON) oder nur der Spezialfall "ß" und "§" berücksichtigt (NEC). Bei ganz ausgefallenen d.h. uralten Druckern (oder umgebauten alten Fernschreibern) gibt es als Notlösung eine Umwandlung der Umlaute in die Behelfsschreibweise ae, oe und ue.

Diese Umwandlung schaltet sich bei der Übertragung von Grafikdaten sinnvollerweise automatisch aus. Problematisch wird es allerdings dann, wenn manche Anwenderprogramme selbst eine vollständige oder nur teilweise Anpassung vornehmen. Dann kann es passieren, daß die eine Konvertierung die andere aufhebt oder zumindest beeinflußt. Leider hilft dann nur Herumprobieren, und man muß sich überlegen, welche Routine effektiver arbeitet.

Sicherlich findet sich die eine oder andere Funktion von MULTLACC auch in anderen Programmen wieder. Hier liegt aber eine gelungene Kombination von nützlichen Kleinigkeiten vor. Gegenüber den älteren Einzelprogrammen hat man hier noch den Vorteil, daß man die individuell eingestellten Werte in einer Parameterdatei abspeichern kann. Außerdem steht der geringe Speicherbedarf einem Accessory immer gut zu Gesicht.

Multi.Acc
ST-PD ?


Thorsten Luhm
Aus: ST-Computer 11 / 1991, Seite 193

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