Graffiti - Betonsprüher zwischen zwei Welten

Graffiti - da denkt man unwillkürlich an die Sprühdosenkünste, die die Berliner Mauer schmückten, als sie noch nicht abgerissen war. Schnell wachsen hier Assoziationen an bunte, mitunter wirre Malaktionen. Die Software Graffiti der K&L-Datentechnik GbR dagegen ist keineswegs bunt, sondern einzig und allein für die monochrome Bildschirmauflösung gedacht.

Hier bieten sich dem Käufer zweierlei Programmfunktionen an - Shell und Zeichenprogramm. Welche Vorteile oder Neuerungen in diesem Programm stecken, sollte sich in einem Test zeigen.

Was ist eine Shell?

Beim Wort „Shell“ mag mancher denken: „Was wollen die denn schon wieder, ich tanke seit Jahren bei Aral...“ Mit Tankstellen hat der Begriff jedoch ebensowenig zu tun wie mit Maria Schell. Eine Shell (englisch: Muschel) ist eine Art Benutzeroberfläche, die mehrere Programme verwaltet. Durch einfachen Knopfdruck werden beliebige Anwendungen ohne lästiges Öffnen von Fenstern und Pfaden gestartet.

Graffiti ist eine grafikorientierte Shell und stellt die einzelnen Programme in Form von Symbolen dar, die auch Icons genannt werden. Diese muß der Benutzer zuvor einrichten und kann dann bis zu 24 Programme per Mausklick aufrufen. Zudem verwaltet die Software zwischen einer und maximal neun Grafikseiten, die bis zu DIN A4 groß sein dürfen. Besser erscheint uns eine Lösung, weniger Seiten zu ermöglichen, dafür aber die Maximalgröße zumindest auf DIN A3 zu erweitern. Man wird sehen, was neue Programm Versionen in dieser Richtung bringen. Auf Wunsch können die Seiten verkleinert nebeneinander angezeigt werden. Die höchstmögliche Auflösung beträgt 400 dpi (englisch: dots per inch = Punkte pro Zoll). Da die Grafikseite immer im Speicher gehalten wird, ist ein Mindestspeicherbedarf von zwei Megabyte Voraussetzung. Dies ist durch die ganzseitigen Grafiken bedingt und somit unvermeidbar. Bei mehreren Seiten mit hoher Auflösung steigt der Speicherbedarf schnell an. So wären bei neun Seiten mit einer Auflösung von 400 Punkten pro Zoll theoretisch etwa 17 Megabyte notwendig...

Optisch lehnt sich unsere „Sprühdosenkunst“~Software stark an das Programm Calamus an. Die Idee, mehrere kleine Symbole am linken Bildschirmrand zur Funktionssteuerung zu nutzen, wurde in ähnlicher Funktionsweise gestaltet. Im Zeichenprogramm wird dies noch deutlicher. In der „Muschel“ werden sämtliche zu startenden Programme plaziert, die Graffiti verwalten soll. Leider funktioniert das Nachladen von Fremdprogrammen nicht immer fehlerfrei. Gerade dann, wenn bestimmte Dateien aus dem aktuellen Pfad nachgeladen werden müssen (Druckertreiber, Resource-Dateien), kann es zu Komplikationen kommen.

Zusätzlich zu den Symbolen am linken Rand finden sich am oberen Bildrand noch einige Extrafunktionen (siehe Bild 1). So lassen sich hier etwa Mausparameter einstellen oder Grafikseiten anzeigen/löschen oder ausdrucken. Ferner erscheint am oberen Bildrand in der Shell eine kleine, analoge Uhr, die die aktuelle Systemzeit anzeigt - ein recht nützliches Utility. Im Lieferumfang sind weiterhin verschiedene Module (eine Art Zusatzprogramm) enthalten, die bestimmte Arbeiten verrichten:

Die Modultechnik bringt einige Vorzüge mit sich. Auf der einen Seite ist das Programm für neue Module und Erweiterungen offen. Zudem wird der Speicherbedarf in mehrere Einzelstücke reduziert. Auf der anderen Seite hat der Kunde die Wahl, nur die Module zu kaufen, die er tatsächlich benötigt. Er ist nicht gezwungen, für ein „Komplettpaket“ mit selten oder nie benutzten Programmteilen mehr Geld auszugeben als nötig.

Zur Zeit scheint es eine Modewelle zu sein, den Systemzeichensatz des Computers durch eigene Zeichensätze zu ersetzen. Wer’s mag - wieso eigentlich nicht. Dennoch ist es mitunter äußerst störend, wenn der Zeichensatz beim Aufrufen anderer Programme nicht abgeschaltet wird. Gerade bei einer Shell werden viele „Fremdprogramme“ aufgerufen. Da ist es doch verwirrend, wenn in der Zeichensatztabelle von Wordplus plötzlich der Zeichensatz der Shell verwendet wird.

Das Programm funktioniert bisher nur in der monochromen Auflösung von 640x400 Punkten. Angeblich ist eine Anpassung an Atari TT und Großbildschirme aber bereits geplant.

Bild 1: Graffiti dient als Shell und kann andere Programme auf Knopfdruck starten. Manche Zeichenfunktionen (zum Beispiel „Stern“) sind jedoch noch nicht ganz fehlerfrei.
Bild 2: Im Modul Paint wurde das Menüsystem vieler Symbole dem DTP-Programm Calamus nachempfunden.
Bild 3: Die neue Dateiauswahlbox (Fileselector) gibt die Dateieindungen einladbarer Grafikstandards vor und kann bis zu 30 Einträge anzeigen.

Zukunftsperspektiven

Insgesamt ist die Shell mit Icons im Stil von Calamus ansprechend gelöst, hat vermutlich aber wenig Zukunft. Um als vielverwendete Shell eingesetzt werden zu können, müßten sich andere Software-Hersteller an Graffiti anpassen. Dies ist jedoch kaum wahrscheinlich, da die Shell in ihrem Aufbau zu unflexibel ist. Ihr Einsatz ist an und für sich nur im grafischen Bereich zu suchen. Insofern werden wohl andere Firmen kaum auf eine Graffiti-Programmierung umsteigen. Dagegen spricht auch die bisher noch sehr geringe Verbreitung von Graffiti. Man kann also davon ausgehen, daß nur die Firma K&L-Datentechnik das Graffiti-Konzept mit Modulen weiterhin unterstützen, erweitern und aufrechterhalten wird.

Handbuch

Das Handbuch geht auf 73 Seiten sehr ausführlich auf fast alle Programmpunkte ein. Mitunter stimmen die Angaben des Handbuches jedoch nicht ganz mit der tatsächlichen Programmbedienung überein. So heißt es etwa, daß zum Zeichnen einer Linie die Maustaste zum Festlegen des Endpunktes gedrückt gehalten werden muß, in Wirklichkeit sind jedoch zwei Mausklicks (einer für Anfang und einer für Ende) notwendig. Meist handelt es sich jedoch um Kleinigkeiten, die beim Umgang mit dem Programm schnell klar werden.

Um dem Benutzer den Einstieg in Graffiti zu erleichtern, wurde das Handbuch zahlreich bebildert. Wohl, um es nicht zu lang werden zu lassen, sind die Abbildungen oft so klein geraten, daß sie schlecht zu erkennen sind. Dies wird durch ein ausführliches Sachwortverzeichnis am Ende des Handbuches jedoch wieder wettgemacht. So fällt auch das Nachschlagen einzelner Funktionen nicht schwer.

Paint

Das Modul Paint ist ein vollständiges Zeichenprogramm. Daß Graffiti aus den Händen von Konstantinos Lavassas und Thomas Klingelhöfer stammt, läßt erwarten, daß sich einige Programmfunktionen aus ihrem Vorgängerprodukt „Lavadraw“ wiederfinden. Hierauf muß der Käufer nicht lange warten - schon beim ersten „Reinschnuppern“ in die Untermenüs fallen zahlreiche Möglichkeiten auf, die Lavadraw mehr als ähneln.

Ganz anders dagegen ist die Menüsteuerung ausgefallen. Wie oben erwähnt, haben sich die Programmierer am Menüsystem der DTP-Software Calamus orientiert. In gleicher Art und Weise finden sich hier in verschiedenen Hierarchie-Ebenen Haupt- und Untermenüs wieder (siehe Bild 2). Dieses „etwas andere“ Menü ist im Gegensatz zu „herkömmlichen“ Menüleisten anfangs zwar ein wenig gewöhnungbedürftig, nach kurzem Arbeiten erweist es sich jedoch als sehr effektiv. Eine Referenzkarte, auf der die fünf Hauptmenüs mit ihren jeweiligen Funktionen abgebildet sind, wäre eine sehr nützliche Hilfe. Die Position der Menüeinträge ließe sich so noch leichter einprägen. Laut Handbuch wurde versucht, in allen Modulen gleiche Symbole für gleiche Funktionen zu verwenden. Leider trifft dies mitunter nicht auf die Einheitlichkeit in der Bedienung zu. Ungereimtheiten gibt es zum Beispiel, weil das Verlassen des Programmes mal mit der rechten Maustaste bestätigt werden muß, dann aber wieder mit einem Klick in eine Dialogbox.

Neben den üblichen Standardfunktionen bietet Graffiti mehrere Kopiermöglichkeiten und Effekte. Weiterhin stehen mehrere Texteingabearten für ein- oder mehrzeiligen sowie gedrehten Text zur Verfügung. Im Speicher lassen sich bis zu fünf Zeichensätze halten. Im Editor können per Tastenkombination alle ASCII-Zeichen eingegeben werden. Folglich auch solche, die sonst auf der Tastatur nicht erreichbar sind (zum Beispiel das Copyright-Zeichen Nr. 189). Ist der Text jedoch erst einmal in die Grafikseite geschrieben, kann der aktuelle Zeichensatz problemlos durch einen neuen ersetzt werden. Dadurch lassen sich auf einer Grafikseite beliebig viele Zeichensätze verwirklichen. Beim Freihandzeichnen fällt dem Benutzer auf, daß das Programm bereits bei mittelschnellen Bewegungen der Maus nicht mehr mitkommt. Hier kann nur bei extrem langsamen Mausbewegungen eine starke Treppenbildung der Freihandlinie vermieden werden.

Als besonders angenehm fällt die vielseitige Kompatibilität zu anderen Grafikprogrammen auf. Neben weit verbreiteten Bildformaten der Programme Degas (.PI3), STAD (.PAC) und dem Grafikstandard mit 32000 Bytes (.PIC / .SCR) lassen sich auch GEM-Images (.IMG), Calamus-Rastergrafiken (.CRG) und Lavadraw-Seiten (*.LDW) laden und vor allem auch speichern. Somit dürfte die Anbindung an andere Programme optimal verwirklicht worden und kein Wunsch offen geblieben sein. Zum Laden wurde eine eigene Dateiauswahlbox (Fileselector) integriert, die die verschiedenen Bildformate auf Knopfdruck anzeigt (siehe Bild 3). Zudem lassen sich bis zu 30 Einträge gleichzeitig in der Box darstellen. Das Bildformat kann auch erkannt werden, wenn die Endung des Dateinamens nicht korrekt gesetzt wurde. Wird ein Bild ein geladen, wird zuerst die Größe ermittelt und dann ein Rahmen auf der aktuellen Grafikseite angezeigt. So ist ein Positionieren der Grafik an beliebiger Stelle möglich. Sollte beim Abspeichern der freie Diskettenplatz ausgehen, kann der Benutzer mit Graffiti-Paint auch eine Diskette formatieren, ohne das Programm verlassen zu müssen. Jeder Nutzer wird dies begrüßen.

Die meisten Optionen, etwa für Liniendicke, Füllmuster und ähnliches, lassen sich nur per Tastendruck aufrufen. Dafür kann aber während des Zeichnens noch schnell das Füllmuster verändert werden. Auch dies erweist sich oftmals als vorteilhaft. Als sehr positiv sind ferner die vielfältigen Optionen hervorzuheben, von denen nur einige kurz aufgelistet werden sollen. So kann etwa eingestellt werden, ob ein fertig erstelltes Objekt sofort nach dem Zeichnen in die Seite übernommen werden oder zuvor noch bewegt werden soll. Die Wahl der Kopierrichtung zwischen beliebig, horizontal oder vertikal ist gerade beim Erstellen von grafischen Tabellen sehr hilfreich. Bei Texten können der Zeichen- ebenso wie der Zeilenabstand und das Spacing (automatisches Anpassen der Zwischenräume) verändert werden. 72 verschiedene Füllmuster finden gleichzeitig im Programm Platz. Werden mehr benötigt, kann ein neuer 72er Satz nachgeladen werden.

Bild 4: Der Zeichensatzeditor bietet einige Funktionen, um Buchstaben und Ziffern in ihrem Aussehen zu verändern. Nötige Grundfunktionen wie Linie, Rechteck oder Kreis wurden dabei ganz vergessen.
Bild 5: Der Icon-Editor soll beim Erstellen von eigenen Symbolen behilflich sein. Er ist jedoch so spartanisch ausgestattet, daß sich nur Punkte setzen oder löschen lassen.

Darstellungsarten

Den größten Vorteil gegenüber anderen Grafikprogrammen bietet Graffiti in der komfortablen Bearbeitung ganzer Seiten. Da das Programm nicht bildschirmorientiert ist (maximal 640x400 Punkte), kann der Benutzer die meisten Funktionen auf die gesamte Grafikseite anwenden. Bei einer maximalen Auflösung von 400 Punkten pro Zoll lassen sich so pro Seite bis zu 14,72 Millionen (!) Bildpunkte einzeln bearbeiten! Dies entspricht einem Seitenformat von maximal 4600 x 3200 Punkten. Zur besseren Übersicht stehen drei verschiedene Anzeigemöglichkeiten zur Auswahl. Bei der 1:1-Darstellung ist zwar immer nur ein kleiner Ausschnitt sichtbar, dafür arbeiten alle Funktionen sofort punktorientiert. Zudem ist eine UNDO-Funktion, die ungewollte Zeichenaktionen rückgängig machen kann, bei der 1:1-Darstellung fast uneingeschränkt möglich. Durch die hohe Anzahl an Bildpunkten und den damit verbundenen Speicherbedarf einer Seite ist ein UNDO jedoch nicht immerzu realisieren. Hier wird im Handbuch bei jeder Funktionsbeschreibung erwähnt, ob und in welcher Darstellungsart dies durchführbar ist. Ebenso verhält es sich mit der Beweglichkeit von Objekten nach dem Zeichnen.

Aus Geschwindigkeitsgründen stehen dem Benutzer drei feste Vergrößerungen zur Auswahl: Es kann im Modus 1:1, 1:8 oder 1:16 gearbeitet werden. Im Gegensatz zu Calamus wird erst dann in die neue Anzeigeart umgeschaltet, wenn eine Zeichenfunktion benutzt wird. Dies vermeidet unnötigen Seitenaufbau und spart Zeit. Zusätzlich erscheint in den Modi 1:8 und 1:16 ein sogenanntes „Super-Zoom-Out-Fenster". Hierin wird punktgenau der aktuelle Ausschnitt 1:1 gezeigt, an dem sich der Mauspfeil befindet. Dieser bewegt sich -je nach Auflösung - um 8 oder 16 Punkte. Auf Tastendruck kann jedoch in punktgenaues Arbeiten umgeschaltet werden. So läßt sich zum Beispiel ein Rechteck über eine ganze DIN A4-Seite sehr exakt setzen. Doch es lassen sich nicht nur Rechtecke oder Kreise über die komplette Grafikseite zeichnen. Auch Füllfunktionen und ähnliches erstrecken sich auf Wunsch ganzseitig.

An Scanner wurde in Paint natürlich auch gedacht. Drei Treiber stehen zur Verfügung - und zwar für SPAT Flachbett-, HAWK CP 14-Flachbett- und den Handyscanner. Somit lassen sich auch Seiten einscannen, ohne die Scannersoftware aufrufen zu müssen. Ein im Test verwendeter Silverreed SPAT funktionierte als Scanner problemlos. Wenn es gelingt, in den Rechner eingelesene Bilder perfekt auf Papier zu bringen, kommt Freude auf. Hierzu existieren sieben feste Anpassungen: HP-Laser mit 150 und 300 dpi, Atari-Laser mit 300 dpi, Epson LQs mit einfacher oder doppelter Dichte bei 180 dpi oder mit hoher Dichte bei 360 dpi. Zudem wurde auch an Epson FX-Drucker (richtig, das sind die guten, alten „9-Nadler“!) mit 240 dpi gedacht. Das begeistert.

Als letzte Möglichkeit kann scheinbar ein externer Druckertreiber geladen werden. Wie dies geschehen muß, verschweigt das Handbuch. Zudem ist keine Angabe zu finden, wie der Treiber aufgebaut sein muß. Wer also einen Drucker sein eigen nennt, der die üblichen ESC/P- oder Laser-Druckkommandos nicht versteht, kann unter Umständen Probleme bekommen. Dafür gibt es Punktabzug.

Mit Graffiti lassen sich nur ganze Seiten ausdrucken. Laut Handbuch gibt es ein Modul zum Teilausdruck, was jedoch zusätzlich erworben werden muß. Ein weiteres Symbol ist in Graffiti enthalten, das bisher jedoch nicht belegt ist - ein Telefax-Gerät. Hier soll künftig ein Fax-Treiber integriert werden, der die eingeladene Grafikseite an ein Fax-Modem ausgibt. Sollte diese Option demnächst verwirklicht werden, könnte Graffiti im Telefax-Bereich zu einer interessanten Hilfe werden.

Zeichensatzeditor

Als angenehme Zugabe ist im Programmpaket ein Zeichensatzeditor enthalten, mit dem sogenannte Pixel-Fonts (Zeichensätze, die eine feste Größe haben und aus Punkten, nicht aus Linien, bestehen) bearbeitet werden können (siehe Bild 4). Dennoch ist der Zeichensatzeditor eher sehr spartanisch als luxuriös mit Zeichenfunktionen ausgestattet. Verändern von Buchstaben wird durch fehlende Grundfunktionen (Linien, Rechtecke, Radiergummi etc.) zum mühsamen, punktweisen Unterfangen. Dafür kann der Zeichensatzeditor mehrere Zeichensätze verarbeiten: Neben den eigenen Zeichensätzen liest er Signum!-Drucker-Fonts in allen drei Auflösungen (*.P9, *.P24 und *.L30) sowie Systemzeichensätze. Auf einer zweiten Diskette werden zahlreiche Zeichensätze im eigenen Format mitgeliefert, die groß-teils recht gut gelungen sind. Leider stimmt manchmal die Höhe der einzelnen Zeichen untereinander nicht exakt überein.

Um mit den beiden Programmdisketten gleichzeitig arbeiten zu können, ist es ratsam, wenigstens zwei Diskettenlaufwerke oder besser noch eine Festplatte zu besitzen. Sonst entwickelt sich das Hin- und Herjonglieren zweier Disketten zum ermüdenden Kampf. Der Einsatz einer Shell ohne Festplatte scheint ohnehin wenig sinnvoll. Zwar können die einzelnen Module in einem beliebigen Pfad installiert werden, sie sind jedoch ziemlich starr auf das vorgegebene Ordnersystem der Originaldiskette festgelegt. Versucht man etwa, alle Module aus ihrem eigenen Ordner (ein Modul = ein Ordner) in einen Sammelordner zu legen, finden manche Module trotz Umstellung der Pfadnamen ihre Dateien nicht mehr. Nach Möglichkeit sollten sämtliche Programme deshalb so in einem Ordner angelegt werden, wie auf der Originaldiskette vorgegeben. Das Ordnerproblem (viele Ordner, schlechte Übersicht) läßt sich also nur mit extremem Aufwand umgehen.

Icon-Editor

Mit dem Modul IconEdit können eigene Symbole erstellt werden. Dies ist jedoch wegen mangelnder Zeichenfunktionen (Linien, Rechtecke) ebenso mühsam wie die Änderung von Buchstaben im Zeichensatzeditor. Möchte ein Benutzer also tatsächlich seine am häufigsten benutzten Programme mit dieser Shell aufrufen (was sowieso nur mit Festplatte sinnvoll erscheint), müßte zunächst für jedes Programm ein Icon entworfen werden.

Fazit

Graffitti muß man in die zwei Teile „Shell“ und „Grafikprogramm“ unterteilen und diese getrennt beurteilen. Als Shell ist das Programm zwar ansprechend gelungen, wird dennoch kaum Zukunft finden und es schwer haben, sich durchsetzen. Die Folge wird sein, daß weitere Module wohl nur noch durch die Programmierer von Graffiti entwickelt werden. Dies erschwert den Einsatz als Shell für den täglichen Gebrauch. Diesen Programmteil sollte man eher als nützliche Beigabe zum Grafikprogramm Paint sehen.

Die Zeichen-Software bietet im Gegensatz zu vielen bildschirmorientierten Programmen die Möglichkeit, auch ganzseitig mit den Zeichenfunktionen zu arbeiten. Durch die ideale Kombination von Übersichtlichkeit in verringerter Darstellungsauflösung mit dem sogenannten Super-Zoom-Out-Fenster ist zwar seitenweises, aber trotzdem punktweises Arbeiten möglich. Zahlreiche Funktionen lassen Freude beim Bearbeiten von DIN A4-Seiten aufkommen. Für den Mindestspeicherbedarf von zwei Megabyte ist nicht das Programm Paint, sondern die hohe Auflösung verantwortlich. Die Vielseitigkeit beim Laden und zudem auch beim Abspeichern von Grafikfremdformaten überzeugt sofort alle die Zeichner, die mit mehreren anderen Programmen arbeiten.

Der Zeichensatzeditor ist etwas spartanisch ausgefallen. Ein paar Zeichengrundfunktionen wären hier dringend nötig. Dies wird durch die Zugriffsmöglichkeit auf die große Zahl an Signum!-Zeichensätzen halbwegs ausgeglichen. Der Icon-Editor in der Minimal-Serienausstattung genügt gerade, um Punkte zu setzen oder zu löschen. Es stehen nur die notwendigsten Funktionen für die Symbolerstellung zur Verfügung. Auch hier wäre etwas mehr Komfort wünschenswert.

Höchst interessant wird Graffiti, wenn die angekündigte Funktion zum Senden einer kompletten Grafikseite über ein Fax-Modem fertiggestellt sein wird.

Alles in allem bietet Graffiti heute noch wenig neue Funktionen, die sich deutlich von auf dem Markt eingeführten Produkten der Mitbewerber unterscheiden. Größter Vorteil ist, daß die meisten Funktionen auch auf einer ganzen Bildschirmseite angewandt werden können. Derjenige, der nach wie vor mit 640 x 400 Bildpunkten zufrieden ist, wird die Anschaffung mehrfach überdenken und dabei sicher auch wegen des Preises von DM 349,- nicht zuletzt auf das Erscheinen der Telefax-Funktion warten.

RP

Bezugsquelle:
K&L-Datentechnik Bahnhofstr 11 W-3551 Bad Endbach



Aus: ST-Computer 07 / 1991, Seite 34

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