Atari MEGA STE - Der große Bruder des 1040STE

Atari sorgt dieses Jahr für eine Weihnachtsüberraschung in der ST-Gemeinde. Zwar schwirrten bereits seit der letzten CeBIT Gerüchte um einen Atari MEGA STE herum. Doch in den Chefetagen hüllte man sich in eisiges Schweigen. Genaues war nicht zu erfahren bzw. nicht für die Ohren der breiten Öffentlichkeit bestimmt. Wenn ich mich recht erinnere, wurde von Sam Tramiel, seines Zeichens Atari-Chef in USA, in einem Interview in einer anderen ST-Zeitschrift sogar der Sinn und Zweck eines solchen Gerätes angezweifelt. Nun, er hat ihn mittlerweile wohl entdeckt.

Leider kann man den neuen MEGA STE mangels Masse noch nicht ausgiebig unter die Lupe nehmen. Daß die neue Maschine von Atari real ist, ist sicher, da sie auf der Comdex-Messe in den USA gezeigt wurde und die wesentlichen Daten, die wir Ihnen auch nicht vorenthalten wollen, aus einem domverteilten Atari-Prospekt Stammen. Genaueres läßt sich wahrscheinlich in der nächsten Ausgabe sagen, da Atari den MEGA STE auf einer Pressekonferenz Mitte Dezember in München vorstellen wird.

Mixed up

Im MEGA STE sind viele Features des Atari TT und des 1040 STE miteinander vereinigt. Was die Sound- und Grafikleistung der Hardware angeht, entspricht der MEGA STE dem 1040 STE, also maximale Auflösung von 640x400 Pixeln, eine Palette von 4096 Farben, hardwaremäßiges Scrolling und programmierbarer SoundGenerator (Stereo). Auch unser alter Freund, der Blitter, bleibt uns erhalten.<BR>

Betrachtet man den MEGA STE dagegen rein äußerlich, könnte man ihn für einen atari-grauen TT halten. Das Gehäuse entspricht also dem _modischen" Design von Ataris Flaggschiff. Sieht man sich das Gerät dann etwas näher an, fällt zumindest auf, daß im Gegensatz zum TT die SCSI-Schnittstelle fehlt.

Beim Prozessor handelt es sich um einen mit 16 MHz getakteten 68000, der auch auf 8 MHz "heruntergeschaltet" werden kann. Der MEGA STE dürfte somit doppelt so schnell wie ein normaler ST sein und den Beschleunigerkarten für den ST das Leben schwer machen. Er verfügt über einen externen 16-Bit- und einen internen 32-Bit-Bus und kann 24 Bits adressieren. Optional kann man einen Arithmetik-Coprozessor einsetzen, damit auch rechenaufwendige Programme optimal unterstützt werden. Apropos Geschwindigkeit: der MEGA STE verfügt über einen 16-kB-Cache-Speicher, der zusammen mit den 16 MHz ein schnelles Arbeiten ermöglicht. Es wird eine Version mit 2 und eine mit 4 MB RAM geben. Die maximale Ausbaustufe ist 4 MB. Die Aufrüstung auf 4 MB soll laut Prospekt einfach sein, was auf zeitgemäße SIMM-RAMs schließen läßt. Reinstecken, fertig! (Interessant wird sicherlich der Test, ob die 14 MB-Speichererweiterung von Richter funktioniert.) Im Gegensatz zu den bisherigen ST-Modellen hat der MEGA STE 256 kB ROM (bisher 192 kB). Der zusätzliche Platz wird zum Teil sicherlich von zwei neuen Features benötigt, die wir schon vom TT her kennen: dem neuen Desktop mit Tastaturbefehlen (Short Cuts), Ablegen von Programmen als Icons auf dem Desktop u.v.m. und dem neuen Kontrollfeld, das sich über eine interne Liste erweitern läßt (sofern Atari mal eine Dokumentation herausbringt, wie das geht und was berücksichtigt werden muß).

Kontakte zur Außenwelt

Natürlich braucht der MEGA STE auch Schnittstellen zur Außenwelt. Hier hat man bei Atari nicht gerade gegeizt und einen sehr kompakten Rechner geschaffen. Es befinden sich ein doppelseitiges 3,5"Diskettenlaufwerk (720 kB) und wahlweise eine 46- oder 80-MB-Festplatte im Gehäuse. Es wird also keine grauen Türme mehr geben, die, bestehend aus Rechner, Festplatten, Wechselplatten, Monitor usw., gen Himmel streben. Atari versucht das Wichtigste in einem Gehäuse unterzubringen. Die Frage ist nur, was ist, wenn eine Festplatte nicht mehr ausreicht. Das Designer-Gehäuse ist nicht gerade zum Stapeln geeignet. Aber vielleicht bringt Atari ja noch eine Tower-Version heraus. Es wäre zumindest wünschenswert, denn zumindest eine Wechselplatte ist sicherlich bei vielen professionellen ST-Besitzern im Einsatz - sei es als Backup-Medium oder auch nur, um große Dateien zu transportieren, was ja bei Bildverarbeitung und DTP leicht passieren kann. Es besteht zwar weiterhin die Möglichkeit, ein zusätzliches Gerät an den DMA-Port (ACSI) anzuschließen, aber die Stapelbarkeit fehlt.<BR>

Neben den Atari-üblichen Schnittstellen (MIDI-Ports, externe Floppy, DMA für Festplatte, CD-ROM etc.) gibt es für Audio Out zwei Cinch-Buchsen, eine zweite serielle Schnittstelle (RS232C), einen schnellen DMA-seriellen Port, der auch für ein LAN-Netzwerk benutzt werden kann, und einen eingebauten Modulator für direkten Anschluß von Fernseher oder Videorekorder. Ebenfalls wurde der VME-Port des TT beim MEGA STE eingebaut. Leider ist dadurch der MEGA-Bus der bisherigen MEGA STs weggefallen, wodurch alle Erweiterungskarten, die diesen Bus nutzen, inkompatibel werden. Neu ist auch der 14"-Farbmonitor SC 1435, der, im TT-Design gehalten, genau auf das Gehäuse paßt. Es läßt sich aber auch weiterhin ein Monochrommonitor anschließen. Ob - wie beim TT - auch ein Großbildschirm direkt angeschlossen werden kann, konnten wir leider noch nicht herausfinden. Auch ein Preis für den deutschen Markt steht noch nicht fest. Wie bereits oben erwähnt, findet Mitte Dezember ja die offizielle Vorstellung des Geräts statt. Wir werden Sie dann auf dem laufenden halten.

HE

Kommentar

Mit dem Erscheinen der MEGA STEs wird mit Sicherheit die bisherige MEGA-Serie abgelöst werden. Was aus der 1 MB-Version wird, wird sicherlich eine der wichtigsten Fragen bleiben, aber wahrscheinlich wird man auf den 1040 STE zurückgreifen müssen. Es scheint, daß Atari seine komplette Produktlinie neu konzipieren will. Was dem zum Opfer fällt, ist noch nicht heraus, aber ein Anfang ist jetzt zu sehen, auch wenn man den neuen MEGA STE erst nächstes Jahr erhalten kann (Tip der Red.: CeBIT '91).<BR>

Interessant ist auch der Blick auf die Konkurrenz. Atari versucht, die Angriffe von Apple zu kontern, das kürzlich seine Billigserie vorstellte. Sicher ist auf jeden Fall, daß der MEGA STE mit seinen Features, insbesonderen seinen 16 MHz, dem Billig-Mac Classic deutlich überlegen ist. Leider ist noch kein Preis für den MEGA STE bekannt, doch dürfte er deutlich unter dem der 16 MHz-Rechnern der Konkurrenz liegen. Der Konter scheint gelungen.

Atari MEGA STE

Prozessor: 68000/16 MHz (umschaltbar auf 8 MHz)
Bus: 16-Bit extern, 32-Bit intern, 24-Bit adressierbar
FPU: optional 68881/82
RAM: 2 oder 4 MB
ROM: 256 kB intern, 128 kB extern (ROM-Port)
Grafikchip: Blitter
Farbpalette: 4096 Farben
Grafikauflösungen: 640x400 monochrom 640x200 4 Farben 320x200 16 Farben
Hardware-Scrolling: horizontal/vertikal
programmierbarer Sound-Generator Stereo-DMA-Sound zum Abspielen digitalisierter Musik
interne 3,5"-Floppy (720 kB) interne 46 oder 80 MB-Festplatte
Genlock-Anschluß DMA/LAN-Port DMA (ACSI)-Port MIDI-Ports Stereo-Audio Out (Cinch) Monitoranschluß
Parallel-Port 2 serielle Ports externer Floppy-Port Maus-Joystick-Ports Modulator für TV/Video VME-Port
Neuer Desktop wie TT Neues Kontrollfeld wie TT



Aus: ST-Computer 01 / 1991, Seite 23

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