Bagdad - Fernsteuerung im Netzwerk

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Bagdad in Aktion: Hier werden vier STs gleichzeitig gesteuert!

Was auf dem Macintosh möglich ist, sollte eigentlich auch mit dem ST zu verwirklichen sein. Timbuktu ist das Programm für den Mac, Bagdad nennt sich das Programm, das die Fernsteuerung eines ST von einem anderen aus ermöglicht.

Um den ST fernsteuern zu können, müssen verschiedene Komponenten vorhanden sein. Da ist zum ersten ein Netzwerk, in diesem Fall PAMs NET (Test in Ausgabe 10/89). Weiterhin wird natürlich mindestens ein zweiter ST benötigt. Damit wäre die Fernsteuerung zwar prinzipiell schon möglich, jedoch nur sehr unkomfortabel - man würde immer nur einen Bildschirm sehen. Mit einer Grafikkarte und einem größeren Monitor hätte man alles, was man braucht, auf einen Blick auf dem Monitor. Konkret braucht man zur Fernsteuerung also PAMs NET, mehrere ST und eine MGE-Grafikkarte.

Die MGE bietet die Möglichkeit, sogenannte "Hardware-Fenster" zu öffnen. Vier davon können gleichzeitig dargestellt werden. Da das Desktop bei der MGE ein Fenster belegt, bleiben noch drei Fenster für andere Rechner darzustellen. Wie arbeitet nun diese Funktion? Nach einer frei festlegbaren Zeit wird vom fernzusteuernden Computer der Bildschirm zum Server übertragen. Obwohl hier immer 32kB übertragen werden müssen, dauert die Übertragung nur den Bruchteil einer Sekunde - quasi nicht feststellbar. Der Server kann nun das Hardware- Fenster, in dem der Bildschirm des Servers dargestellt wird, frei auf seinem eigenen Monitor positionieren. Sobald man auf dem Server mit der Maus in ein Hardware-Fenster gelangt, besitzt man die volle Kontrolle über den Rechner, zu dem das übertragene Bild gehört. Soll heißen: Alle Mausbewegungen werden sofort vom Server zum entsprechenden Client übertragen und dort auch ausgeführt. Das hört sich etwas kompliziert an, deshalb ein Beispiel: Benutzer A (der Client) arbeitet gerade mit Script, Benutzer B (der Server) benutzt ein anderes Programm. Wenn nun Benutzer A auf ein Problem stößt und nicht mehr weiterkommt, fragt er Benutzer B. Schön und gut, aber was macht A, wenn B 3 Kilometer entfernt sitzt? Kein Problem, wenn man vernetzt ist. B öffnet einfach ein Hardware-Fenster und läßt per Bagdad den Bildschirm von A übertragen. Fährt er mit seiner Maus in das Fenster hinein, kann er den Rechner von A, also in diesem Fall Script, komplett (!) steuern! Mausbewegungen und -klicks werden ebenso ausgeführt wie Tastendrücke.

Wie gesagt, lassen sich drei Hardware-Fenster gleichzeitig öffnen. Entsprechend dieser Beschränkung können gleichzeitig drei STs ferngesteuert werden. Natürlich kann es dabei etwas eng auf dem Bildschirm werden. Aus diesem Grund lassen sich die Fenster frei auf dem Bildschirm positionieren. So können die Fenster an den Rand geschoben und dann hervorgeholt werden, wenn man sie benötigt. Durch die Fernsteuerung ergeben sich natürlich vielfältige Möglichkeiten. Zum einen lassen sich in bereits bestehenden Netzwerken die Arbeiten der Mitarbeiter an einem zentralen Rechner überwachen: Der Server hat stets Kontrolle über seine "Zöglinge". Natürlich kann der Server so auch Hilfestellung geben, wenn einer der Clients Schwierigkeiten bei der Bedienung eines Programms hat oder bei einem anderen Problem nicht mehr weiterkommt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, daß eine Person bis zu vier Rechner gleichzeitig bedient. Während sie auf dem ersten ST einen Text schreibt, compiliert sie auf dem anderen ein Programm, auf dem dritten Rechner läßt sie sich Daten aus einer Datenbank zusammensuchen, vielleicht spielt sie auf dem vierten sogar noch ein Spiel...

Entfernungen

Interessant ist dabei, daß die Computer bis zu drei Kilometer entfernt voneinander stehen können. Dabei ist diese Entfernung garantiert, laut Hersteller hat es auch bereits mit einer Entfernung von 7 km funktioniert. Dadurch lassen sich auch Firmen mit verschiedenen Dienstgebäuden problemlos vernetzen, oder zwei Freunde, die nebeneinander wohnen, können ihre Rechner miteinander verbinden. Die Anwendungsgebiete von Bagdad sind fast nicht zu überblicken.
Natürlich lassen sich auch Zugriffsberechtigungen für die vernetzten Geräte vergeben, so daß man beispielsweise auf einen Bagdad-Rechner nur lesend zugrei- fen kann, auf einen anderen nur schreibend (zur Datenablage etc.). Bemerkenswert ist auch, daß trotz des erheblichen Übertragungsaufwands (ständig 32 kB pro Fenster) keine merkliche Verlangsamung eintritt. Der fernsteuerbare ST verhält sich genauso wie ein normaler ST.

Fazit

Bagdad ist das erste Programm seiner Art und überzeugt schon jetzt durch Komfort. Alle Einstellungen lassen sich per GEM-Dialog verändern. Während des Tests sind keinerlei Probleme aufgetreten; Bagdad ist die perfekte Möglichkeit, eine gleichzeitige Kontrolle über mehrere Rechner zu erhalten. Positiv zu bemerken ist auf jeden Fall, daß das Programm kostenlos mitgeliefert wird.

Bezugsquelle:
Bagdad:
PAM Software
Carl-Zuckmayer-Straße 27
6500 Mainz 33


Martin Pittelkow
Aus: ST-Computer 07 / 1990, Seite 15

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