Stoffdruck - Der ST in der Textilbranche

Das Schaumburger Land ist die nahezu flache Landschaft zwischen Hannover und Minden, die sich malerisch an den Rand des beginnenden Weserberglandes drückt. Der eilig Vorbeireisende wird von ihr kaum mehr wahrnehmen als die Autobahnabfahrt Bad Eilsen. Doch obwohl es so scheinen mag: Diese Gegend führt kein trübes Dasein im Schatten der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Zahlreiche kleine und mittelständige Betriebe, Verlage, Zeitungen zeugen von reger Wirtschaft in diesem Bereich. Manfred Lück wohnt und arbeitet nur wenige Steinwürfe von bewußter Anschlußstelle entfernt und ist selbst ein Beispiel für diese Betriebsamkeit. Vor Jahren fing es mit dem ersten ATARI 520 ST an: Die Computerbegeisterung nahm ihren Lauf. War es damals noch wegen der Ausbildung, boten sich dem gelernten Triebwerksmechanikermeister schon bald Gelegenheiten, Geld mit dem vermeintlichen Spielzeug Computer zu verdienen.

Bild 1: Manfred Lück mit einem seiner Produkte

Von jeher habe ihn vor allem ein gedrucktes und damit vorzeigbares Ergebnis sei ner Arbeit interessiert, sagt Manfred Lück. Fast entschuldigend bemerkt er, daß man schließlich nicht überall einen Monitor aufstellen könne und bezeichnet sich im gleichen Atemzug als Papierliebhaber. Über Computerklubs fand er im Laufe der Zeit Weggenossen, und aus dem anfänglichen Erfahrungsaustausch in Sachen ATARI ST ist mittlerweile eine Geschäftspartnerschaft für Grafikaufträge verschiedenster Arten geworden.

Begonnen hatte das Business zunächst mit Beratertätigkeiten für zahlreiche Kleinbetriebe in der Gegend, zu denen Lück ein bekanntschaftliches Verhältnis pflegt. Auf der Suche nach weiteren Einsatzmöglichkeiten für seinen ST beschäftigte er sich mit Bedrucken von Textilien. Nach etlichen Versuchen wurden erstmals im September '88 in einer Einkaufspassage im nahen Minden öffentlich T-Shirts, Taschen, Kissen etc. bedruckt. Die Vorlagen konnte der Kunde damals mitbringen - und sei es auch nur sich selbst, denn die Bilder wurden per Videokamera und Schwarzweiß-Digitizer in den Rechner gebannt. Aus der Digitizer-Software heraus wurde das Bild direkt mit einem NEC P6 ausgedruckt. Dabei kamen spezielle Farbbänder zum Einsatz, deren Farbe sich nach dem Drucken unter Wärme vom Papier löst und mit Textilien verbindet. Die Bilder wurden also schlicht auf den jeweiligen Untergrund aufgebügelt.

Manfred Lück schildert einige Probleme, die zu lösen waren, bis alles so einfach von der Vorlage zum fertigen T-Shirt möglich war: Zum einen ist es die Qualität der Vorlage selbst. Bei jedem Motiv muß wieder entschieden werden, wie es belichtet werden muß. damit ein ansehnliches Ergebnis erzielt wird. Da ist das Aufbügeln, das entsprechende Erfahrung verlangt, um weder Untergrund noch Bild zu verbrennen, aber trotzdem dauerhaft miteinander zu verbinden. Denn gerade das Kleidungsstück T-Shirt muß ja waschfest sein. Mit Mischtextilien, die also zu einem Teil aus Kunstfasern bestehen. habe er die besten Erfahrungen gemacht, doch wünschen die Kunden natürlich reine Baumwolle. Überhaupt darf auch nur ein Minimum an Chemie verwandt werden, denn allergische Reaktionen aufseine Produkte mochte Lück nicht erleben.

Dei Erfolg seiner Idee bei der Kundschaft gab Manfred Lück recht, und so arbeiteten er und seine Partner konsequent an der Textildrucktechnik weiter. Bald schon wurde der Ruf nach Farbe laut und erste Gehversuche in dieser Richtung unternommen. Nun ist Farbe ja nicht gerade die Stärke des ST, an dem Lück und seine Mannen trotzdem festhielten. Versuche mit der Videokamera und einem RGB-Splitter wurden gemacht. Dieses Gerät trennt das Videosignal in drei Schwarzweißbilder, die den Anteilen von Rot, Grün und Blau im Originalfarbbild entsprechen. Diese drei einzelnen Bilder können - wie geschehen - mit einem Nadeldrucker und verschiedenfarbigen Farbbändern ausgegeben werden. Legt (oder bügelt) man die Bilder übereinander, so ergibt sich wieder das Original (zumindest ein ähnliches, qualitativ natürlich nicht so gutes Bild). Diese Methode des Farbdrucks war zwar gangbar, die Qualität allerdings ungenügend und die ganze Prozedur viel zu langsam.

Bild 2: Kissen mit Folie in der Bügelpresse

So entwickelte sich im Laufe der Zeit eine ganz andere Technik: Mittlerweile wer den die Vorlagen mit einem Farbscanner von Sharp (300 dpi, 256000 Farben) eingelesen und mit einem Thermotransferdrucker aus gleichem Hause auf eine Spezialfolie gedruckt. Der Drucker beherrscht die gleiche Auflösung wie der Scanner. Die verwendete Folie, von der das Bild dann wiederum per Bügeln aufs Textil übertragen wird, ist eine Eigenentwicklung. Mit ihr ist nun auch das waschfeste Bedrucken von reinen Naturfasern möglich. Da einmal entwickelt, soll diese Folie in naher Zukunft auch dem Endanwender zur Verfügung gestellt werden. Für einen Preis von ca. 1,30 DM pro Seite kann sich dann jeder daheim die Bilder seiner Wahl aufs Hemd drucken.

Bis es soweit war, die Daten aus dem Scanner in den Rechner und von dort in den Drucker zu bekommen, verging allerdings so mancher Tag und so manche Nacht und hat das Schaumburger Land sicher auch so manchen Fluch gehört, denn die Schnittstellen zwischen den Geräten und dem Rechner mußten erst entworfen und gelötet und die Software geschrieben werden. Hier betont Luck die gute Zusammenarbeit mit allen an dem Projekt beteiligten Firmen: Sharp, DMC und auch TmS, deren Programm TmS Vektor in anderen Bereichen zum Einsatz kommt. Momentan erlaubt die Hardware die qualitativ hochwertige Übertragung der Vorlage auf die Folie mit gleichzeitigem Einkopieren von Texten. Diese werden mit Calamus entworfen, so daß ein reichlicher Vorrat an Schriften und Gestaltungsmitteln hilft, dem Bild den richtigen Rahmen zu geben. Daß die gescannten Bilder am ATARI weder in vernünftiger Qualität dargestellt noch aufbereitet werden können, bezeichnet Manfred Lück als das größte Manko der momentanen Lösung. Es fehle eine hochauflösende Farbgrafikkarte, die dann natürlich auch von Calamus unterstützt werden müsse. Bis es eine solche für den ST gibt, hilft man sich mit dem unveränderten Übertragen.

Doch wie bringt man nun solche bedruckten Textilien an die Frau und an den Mann? Wie erreicht Manfrd Lück seine Kunden, von deren Geld er und drei weitere Mitarbeiter schließlich leben wollen? Die Idee ist einfach: Er konnte eine Kette von Fotofachgeschäften gewinnen, seine Leistungen in ihren Filialen anzubieten. Der Kunde gibt dort seine Bestellung nebst Vorlage ab und bekommt das Gewünschte (Kissen, T-Shirt, Tasche) ein bis zwei Wochen später per Post zugesandt. (Ein T-Shirt kostet bedruckt und beschriftet 30 DM). Offensichtlich hat auch diese Variante von Lücks Textildruckidee Erfolg. Inzwischen sind es täglich um die 100 Aufträge, die gedruckt und versandt werden müssen.

Nebenbei sinnt der ATARI-Fan Lück auf weitere Einnahmequellen. Seine Grafikertätigkeit, in deren Rahmen er im Auftragsdienst so ziemlich alles von der Speisekarte bis zum Plattencover entwirft und druckt, soll ausgebaut werden. Ein Schnelldruckservice, mit dem er in der Geschwindigkeit Druckereien und im Preis Kopierläden unterbieten will, soll sich dieser Sparte seiner Arbeit anschließen. Da soll der Kunde dann seine Vorlage auf Papier oder Diskette bringen können und wenig später einige tausend auf Laserschnelldrucker erstellte Exemplare fix und fertig mit nach Hause nehmen. Wenn seiner neuen Idee so viel Erfolg beschieden ist wie den bisherigen, dann gibt's im Schaumburger Land bald einen weiteren Betrieb. Der heißt dann vielleicht ‘Laser Zentrum Lück'.

IB



Aus: ST-Computer 12 / 1989, Seite 180

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