Die Einsatzgebiete eines Computers werden immer vielfältiger. Recht neu ist die Verwendung als Meßgerät oder digitales Tonbandgerät. Wir testeten ein neues Zusatzmodul, das den ATARI ST nicht nur in ein Speicheroszilloskop verwandelt...
Die Firma "Microcomputer-Labor" aus Saarbrücken hat einen Meßvorsatz zum ST entwickelt, der analoge Signale in digitale Werte umwandelt und diese über den Parallelport dem Rechne rzur Verfügung stellt. Die mitgelieferte Software erlaubt es nun, die von der Hardware gelieferten Werte zeitabhängig auf dem Bildschirm darzustellen. Die Höhe der an der Meßspitze anliegenden Spannung wird also in ihrem zeitlichen Verlauf dargestellt. Dabei erlaubt die Softwaer ein komfortables Einstellen sowohl der Zeitachse (Horizontale) als auch der Spannungsachse (Empfindlichkeit der Meßspitze, Vertikale). Diese beiden Achsen sind kalibriert, d. h. durch ein einblendbares Raster können genaue Spannungs- bzw. Zeit-Werte vom Bildschirm abgelesen werden. So wird der ST zum Oszilloskop! Da man auch extrem niedrige Frequenzen im Subsonic Bereich oder kurzzeitige aperiodische Vorgänge im RAM-Speicher des ST speichern und anschließend in Ruhe betrachten und auswerten kann, sind die Voraussetzungen eines Speicheroszilloskops ebenfalls erfüllt. Doch der ST-Oszillograph kann noch mehr. Hatte man schon die Möglichkeit geschaffen, beliebige Spannungswerte digital abzuspeichern, so fehlte nur noch die entsprechende Software, um sie als Tonfolge über den Monitorlautsprecher wiederzugeben. Auch diese Option wird mitgeliefert, so daß man neben dem ST-Oszillograph auch noch einen ST-Sound-Sampler erhält.
Der Meßvorsatz besteht aus einem kleinen Plastikgehäuse mit integrierte Meßspitze. Hier ist auch die gesamte Elektronik untergebracht. Ein neunstufiger Schalter dient zur Einstellung der Eingangsempfindlichkeit zwischen 0,1 und 50 Volt pro Einheit, ein weiterer Regler dient zum Festlegen der Nullinie (Y-Position). Mit einem sogenannten AC/DC-Schalter läßt sich ein eventuell vorhandener Gleichspann ungsanteil ausfiltern. Ferner ist noch eine Leuchtdiode als Betriebskontrolle und eine Chinch-Buchse als NF-Eingang für den Sound-Sampler vorhanden. Der Meßvorsatz wird über ein 1,8 Meter langes Kabel am Parallelport angeschlossen. Seine Betriebsspannung erhält das Gerät über den Joystick-Port.
Bild 1: Hardcopy ST Oszillograph
Bei der Verwendung des Meßvorsatzes als (Speicher-) Oszilloskop, was wohl das Haupt-Einsatzgebiet sein dürfte, stehen zwei Betriebsarten zur Verfügung (siehe Bild 1). Im Direkt-Modus werden alle Signale, die an der Meßspitze anliegen, sofort angezeigt. Auf Tastendruck kann diese Betriebsart verlassen werden, um z. B. die Abtastfrequenz zu verändern oder auch den Store-Modus (engl. store = speichern) mit der Maus anzuwählen. In dieser Betriebsart, quasi als digitales Speicheroszilloskop, werden 50 Bildschirmseiten aufgenommen und gespeichert. Anschließend können diese Seiten mittels der Maus horizontal "durchgescrollt" und dargestellt werden. Da das Aufnehmen der Messwerte im Extremfall fast drei Tage dauern kann (Timebase = 500 s) ist ein Stoppen durch Drücken der Leertaste möglich. Eine einmal aufgenommene "Kurve" kann auf Diskette abgespeichert und später wieder von ihr geladen werden.
Bild 2: Hardcopy Dreiecksp. 250 Hz
Um die Qualität eines Oszilloskops zu bewerten, werden vor allem zwei wichtige Kriterien herangezogen: Zum einen die maximale Empfindlichkeit des Eingangsverstärkers, zum anderen die maximale Abtastfrequenz der Zeitablenkung (Timebase), in der sich die Grenzfrequenz des zu messenden Signals widerspiegelt. Bei diesen Kriterien schneidet der ST-Oszillograph nicht gerade gut ab, man könnte ihn mit ausreichend bewerten. Die Eingangsempfindlichkeit von 0,1 Volt pro Einheit (Linie) ist auch in der Niederfrequenztechnik (NF) nicht immer ausreichend. Die Software erreicht maximal 60 000 Messungen pro Sekunde (Timebase = 50 Mikrosekunden pro Einheit), womit theoretisch die Grenzfrequenz des Eingangssignals bei 30 KHz liegt. Wir haben uns, um sicher zu gehen, eine Dreiecksspannung gleichzeitig mit einem herkömmlichen Oszilloskop (HM 512) und dem STOszillograph angesehen. Dabei ergab sich bis zu einer Frequenz von etwa 8000 Hz eine gute Übereinstimmung, sowohl im Kurvenverlauf als auch beim Ablesen der Spannungshöhe bzw. der Frequenz (siehe Abbildungen 2, 3 und 4). Zu bemerken ist dabei, daß die Zeitablenkung teilweise nicht genau ist. So läßt sich z. B. die Frequenz einer 8000 Hz- Dreieckschwingung bei Ablenkung von 100 Mikrosekunden pro Einheit genau ermitteln, bei einer Ablenkung von 200 Mikrosekunden dagegen errechnet sich eine um ca. 20 Prozent abweichende Frequenz. Durch die eingeschränkte Bandbreite läßt sich der Meßvorsatz als Ersatz eines normalen Oszilloskops nur sehr bedingt empfehlen. Die Stärken des ST-Oszillographen liegen jedoch in der Betriebsart als Speicheroszilloskop, vor allem, wenn man bedenkt, daß solche Geräte das 10- bis 20fache kosten.
Bild 3: Hardcopy Dreiecksp. 8000 Hz
Ein Speicheroszilloskop ist in der Lage, unperiodische und/oder extrem langsame Spannungsänderungen wie z. B. die Entladekurve eines Akkus oder das Einschaltverhalten von Netzteilen aufzunehmen und sichtbar zu machen. So beträgt die maximale Meßdauer 69,5 Stunden. Das sind fast drei Tage! Somit eignet sich der ST-Oszillograph gut für Langzeitbeobachtungen. Natürlich wird die Abtastfrequenz bei einer solchen Langzeitmessung über 69,5 Stunden entsprechend gering, d. h. in diesem Fall z. B. wird alle 15,6 Sekunden ein Meßwert aufgenommen.
Unter Triggern versteht man die Fähigkeit, ein stehendes Bild zu produzieren bzw. ab einer bestimmten Signalspannung mit der Messung zu beginnen. Die Software ermöglicht im DirektModus eine automatische Triggerung. Bei Betrieb als Speicheroszilloskop kann der Triggerpegel, sowohl für den negativen- als auch für den positiven Spannungsbereich, getrennt vorgegeben werden. Außerdem ist es in dieser Betriebsart möglich, einen Triggerimpuls von außen zuzuführen, indem der Pin 22 der seriellen Schnittstelle von "High" nach "Low" geschaltet wird. Es sind somit alle Triggermöglichkeiten vorhanden, die auch sehr gut arbeiten.
Bild 4: Hardcopy Dreiecksp. 16000 Hz
Mit dem ST Oszillograph hat man die Möglichkeit, eine erfaßte Kurve graphisch, also schwarz auf weiß auf Papier auszugeben. Allerdings ist dies nur als Hardcopy durch Drücken von Alternate und Help möglich. Zuvor muß natürlich der Meßvorsatz abgezogen und ein Drucker angeschlossen werden. Das Drucken einer Kurve ist folglich etwas umständlich und hätte eventuell durch einen entsprechenden Adapteranschluß und eine geeignete Druckerroutine besser gelöst werden können.
Es wird ein GFA-BASIC-Programm mitgeliefert, um den ST-Oszillographen in eigene Programme einzubinden. Die gemessenen Daten können dann in einer sequentiellen Datei auf Diskette gespeichert und ausgewertet werden.
Mit dem Sound Sampler können Töne oder Geräusche, kurz gesagt jegliche Art von NF-Signalen, digitalisiert bzw. aufgenommen und über den Monitorlautsprecher wiedergegeben werden. Das "Arbeitsfeld" des Sound Samplers ist auf Bild 5 zu sehen. Die oberen zwei Dreitel des Bildschirms dienen zum Aussteuern des Eingangssignals und zum späteren "Bearbeiten" des Stückes. Die Abtastfrequenz (sie gibt die Häufigkeit der Messungen an) ist neben der Auflösung des verwendeten A/D-Wandlers ausschlaggebend für die Tonqualität. Sie läßt sich in sechzehn Stufen zwischen 2,5 und 45 KHz einstellen. Bei einem freien Speicherplatz von 826 KByte (520 ST+ oder 1040 ST/F) lassen sich bei einer Abtastrate von 45 KHz ca. 19 Sekunden aufnehmen. Bei 2,5 KHz stiegt die Zeit auf gute 5,5 Minuten, jedoch ist die Klangqualität dann zwangsläufig sehr schlecht. Da ein 8-Bit-A/D-Wandler verwendet wird, ist auch bei einer hohen Abtastfrequenz niemals HiFi-Qualität zu erlangen. Dennoch eignet sich der Sound-Sampler gut für Demonstrationszwecke oder zum Einsteigen in diese moderne Art der Musikkonservierung. Ubliche Funktionen wie Laden und Speichern auf Diskette oder Kopieren, Spielen und Löschen vorher markierter Bereiche ist durch die in GEM eingebundene Software problemlos möglich.
Bild 5: Hardcopy Sound Sampler
Ein Oszilloskop ist wohl das wichtigste und universellste Meßgerät einer jeden Elektronik-Werkstatt. Leider sind solche Geräte auch nicht ganz preiswert. Daher kann dem Hobby-Bastler diser recht preisgünstige Meßzusatz bei bestimmten niederfrequenten Problemen hilfreich sein. Vor allem in der Betriebsart als Speicheroszilloskop lohnt sich der ST-Oszillograph. Und immerhin erhält man einen Sound Sampler gratis!
Die technischen Daten des ST-Oszillographen
Bildschirmdarstellung:
8 x 10 Linien, 50 Seiten Bildschirmspeicher
Y-Verstärker:
0,1. bis 50 Volt pro Einheit, kalibrierbar
Timebase:
50 Mikrosekunden pro Einheit bis 500 Sekunden pro Einheit
Trigger:
intern (automatisch), manuell und extern
Meßgeschwindigkeit:
maximal 60 000 Messungen pro Sekunde
Meßdauer:
1 Millisekunde bis 69,5 Stunden
Auflösung:
8 Bit (256 Steps)
Software:
Oszillograph: nur Monochrom-Monitor
Sound Sampler: Monochrom- und Farbmonitor
Preis:
DM 448,-
Hersteller:
Microcomputer-Labor
Schumannstraße 23
D-6600 Saarbrücken
Vertrieb:
diverse Händler