← ST-Magazin 03 / 1993

Editorial: Chancen

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Der Computerbranche geht’s nicht gut, das steht wohl außer Frage. Sogar Mother Blue schreibt keine schwarzen Zahlen mehr. Im Markt der IBM-Kompatiblen tobt ein gnadenloser Preiskampf. Aber auch »NischenmĂ€rkten« blĂ€st der Wind inzwischen eiskalt ins Gesicht. So prĂ€sentiert Commodore zwar in schöner RegelmĂ€ĂŸigkeit neue Maschinen, doch der große Erfolg lĂ€ĂŸt auf sich warten. Auch Apple spielt das beliebte Spiel aus alt mach’ neu. Leicht geliftete Technik in moderneren GehĂ€usen zu — fĂŒr Apple-VerhĂ€ltnisse — moderaten Preisen, heißt das Motto der Marketingstrategen. Aber auch Atari winkt Fortuna nicht gerade.

Die Firma hat mit dem Falcon 030 sicherlich einen nicht zu unterschĂ€tzenden Vorsprung — zumindest was die Technik angeht. Sie werden mir jetzt sicher widersprechen: »Technischer Vorsprung? Ich will ja einen Falcon kaufen, aber wie soll ich das bitte sehr anstellen? Erstens gibt’s kaum noch HĂ€ndler und zweitens scheint Atari die Falcons in einer Garage und nicht in Serie zu produzieren, so knapp sind die StĂŒckzahlen.«

Recht haben Sie! Das HĂ€ndlernetz ist kleiner geworden; Atari hat erhebliche Probleme, große StĂŒckzahlen zu liefern. Doch bleiben wir fair. Die ersten Falcons wurden, wie versprochen, im letzten Jahr ausgeliefert. Seitdem finden immer wieder GerĂ€te ihren Weg zu den HĂ€ndlern und sogar in KaufhĂ€user. Auch die ersten maßgeschneiderten Softwarepakete sind zu haben.

Seit Eric »Mr. MiNT« Smith bei Atari ist, macht MultiTOS Entwicklungsschritte in Siebenmeilenstiefeln und steht kurz vor der Freigabe. Aus Amerika ist zu vernehmen, daß der Falcon 030 nur das erste GerĂ€t einer neuen Computergeneration ist und Atari am »Familienzuwachs« arbeitet.

Ich glaube, Atari hat Chancen im Spiel um die Marktanteile. Die Frage ist nur, wie lange noch. Unsere Geduld wurde sicherlich schon stark beansprucht, aber das weiß inzwischen auch Atari. Ein positives Zeichen ist das verstĂ€rkte Engagement von Jack Tramiel, der sich lange Zeit im Hintergrund gehalten hat. Er weiß: Die Zeit ist knapp, aber sie sollte ausreichen.

Schließlich hat es dieser Mann schon zweimal geschafft, die Fachwelt zu ĂŒberraschen: Einmal mit dem DauerlĂ€ufer »C 64« und bei Atari mit dem »ST«. Warum sollte es eigentlich nicht ein drittes Mal klappen?

In diesem Sinne Ihr

Uwe Wirth