Immer mehr Benutzer reizt der Gedanke, eine eigene Mailbox aufzumachen. Wie es geht, zeigt F. Knobbes Boxsystem »ST_SYSOP«. Wir haben es fĂŒr Sie getestet.
TOBIAS LUBECKI UND TIM POIGNE
ST-SysOp: alle wichtigen Infos auf einen Blick
Eine Mailbox ist ein elektronischer Briefkasten, den jeder mit einem Modem anwĂ€hlen kann. Sie dient als Diskussionsforum mit anderen Teilnehmern und Quelle fĂŒr Informationen und Software.
ST_SYSOP bietet zusĂ€tzlich noch die Möglichkeit, an einem Boxverbund â ein Netzwerk mit mehreren verschiedenen Mailboxen â teilzunehmen. In einem solchen Verbund ist es möglich, Nachrichten auch an sehr weit entfernte Boxen zu schicken. ST_SYSOP arbeitet unter PCnet, ein bundesweit operierendes Netzwerk. So ist es möglich, Nachrichten in andere Netzwerke (FIDO, das amerikanische GE-nie, MEDnet und ZERBERUS) durch Gateways zu versenden und zu empfangen. Einem internationalen Datenaustausch steht somit nichts mehr im Wege.
Auf einer doppelseitigen Diskette finden Sie neben diversen Info-Dateien auch das Programm in gepackter Form. Die Installation bereitet kaum Probleme; wenig komfortabel ist allerdings die Anpassung des Systems, wofĂŒr ein einfacher ASCII-Editor nötig ist.
Modem-Funktionstest
FĂŒr einen reibungslosen Boxbetrieb empfiehlt es sich, eine komplette Partition von mehr als zehn MByte zu reservieren. DarĂŒber hinaus sollte mehr als ein MByte RAM zur VerfĂŒgung stehen.
Beim Laden informiert eine Dialogbox ĂŒber den aktuellen Status der einzelnen Dateien, die Versionsnummer und den Lizenznehmer. Im AnschluĂ wird das Modem getestet und ST_SYSOP prĂ€sentiert eine Console. Mit dieser ArbeitsoberflĂ€che kann der SysOp (Systembetreiber) Informationen ĂŒber den Boxstatus abfragen. Leider enttĂ€uschte wieder einmal, wie auch in vielen anderen Mailboxen, die selbstgebastelte OberflĂ€che. In Zeiten von MultiTOS und Falcon030 ist dies nicht mehr vertretbar, da solche Programme das Multitasking-System blockieren. Auch mit kĂŒnftigen, höheren Auflösungen wird ST_SYSOP Probleme haben. Auf einem TT lĂ€uft das Programm nur in der ST-High-AufLösung. Im Wartebildschirm sind die verschiedenen Funktionen fĂŒr den SysOp zugĂ€nglich. Mit «SYSOP LOGIN» kann der Systembetreiber z.B. selbst, ohne anzurufen, lokal in die Mailbox gehen.
Hat man sich erfolgreich eingeloggt, wird eine Mailbox prĂ€sentiert, die sich nach eigenen WĂŒnschen einrichten lĂ€Ăt. Mit dem Befehl »ED BRETT« lassen sich verschiedene Bretter einrichten. Diese sind vergleichbar mit einer Schublade, in die Nachrichten der Boxbenutzer geschrieben werden können. Dabei gibt es verschiedene Brett-Typen: Bretter fĂŒr reine Texte und fĂŒr Software.
ST_SYSOP bietet die Möglichkeit, Bretter zu Gruppen zusammenzufassen. Dabei unterscheidet man nach Text-, BinĂ€r- und Gemischtgruppen. Im Prinzip gleicht ST_SYSOP herkömmlichen Mailbox-Programmen. Vergleichbar etwa mit «QUARK» und «Pro-BOX», die ebenfalls fĂŒr die Suche nach Brettern eine Scan-Funktion besitzen.
Ein Feature ĂŒberrascht besonders: ST_SYSOP kann mehrere ST-Rechner miteinander vernetzen, wobei sich zwei Mailboxen installieren und per MIDI verbinden lassen. Damit kann ein Teilnehmer mit einem Anrufer der anderen Box einen Dialog starten, wobei der zweite Rechner auch ein PC sein kann (auf dem dann das Schwesterprogramm «PC_SYSOP» lĂ€uft). So ist ein Netzverbund aus zwei Ataris und zwei PCs möglich. Die Dialoge werden in einer entsprechenden Datei auf der Festplatte protokolliert.
ST_SYSOP ist fĂŒr Anwender und Systembetreiber einfach zu bedienen. Es ist komfortabel gegliedert und gibt zu jedem Befehl eine ErklĂ€rung. Das Programm ist zeilenorientiert, d.h. in der untersten Zeile steht fĂŒr Befehlseingaben ein DOS-Ă€hnliches Prompt-Zeichen. So muĂ man sich nicht, wie bei anderen Mailboxsystemen, durch MenĂŒs kĂ€mpfen, die von einem ANSI-MenĂŒ ins andere verzweigen.
Benutzerkategorien und Zugriffs-Levels
Bei ST_SYSOP gilt jeder Befehl in jeder Ebene. Jedem Teilnehmer kann der SysOp ein bestimmtes Level â von null bis neun â und eine Kategorie zuweisen. Bestimmte Befehle und Funktionen können so fĂŒr verschiedene Level und Kategorien gesperrt oder freigegeben werden. Der Systembetreiber hat dann Level 9 und höchste Kategorie â ein Gast Level 0 und Kategorie A. Dazwischen kann der Systembetreiber seine Fantasie spielen lassen und fĂŒr jeden Anwender Befehle freigeben oder sperren.
ST-SysOp: MenĂŒs und Prompt-Zeichen im DOS-Stil
Aber nicht nur die Level-Hierarchie ist fĂŒr den Systembetreiber eine nĂŒtzliche Funktion. Als Emulationen bietet ST_SYSOP VT100 und TTY (ASCII). Nicht nur fĂŒr den Teilnehmer, der mit seinem Terminalprogramm die verschiedenen VT100-Kommandos interpretiert, sondern auch fĂŒr den SysOp. Alle VT100-Kommandos und Steuerzeichen werden von ST_SYSOP fĂŒr die Console emuliert. Der Systembetreiber bekommt damit alles dargestellt, was der Anrufer auf seinem Schirm sieht.
ST_SYSOP ist eines der wenigen Programme, die diesen Luxus bieten. Die Ăbertragung von Programmen â zur und von der Box â ist ebenfalls kein Problem. Von Kermit bis ZModem ist jedes Protokoll vorhanden; ZModem ist sogar lizenziert und liegt in einer aktuellen Version dem Programmpaket bei. Leider sind in den BinĂ€r-Brettern die Infotexte zu den einzelnen Dateien, die von Anwendern abgelegt wurden, nicht editierbar. Gibt ein Teilnehmer beispielsweise zu einem Programm den Infotext «Tolles Tool» an, kann dieser nicht geĂ€ndert werden.
Es besteht die Möglichkeit, sich von der Mailbox zurĂŒckrufen zu lassen. Man gibt den Befehl «Rueckruf» und eine Nummer ein, etwa 20 Sekunden spĂ€ter kann der Dialog mit der Box auf Kosten des SysOps weitergefĂŒhrt werden.
Zum anderen besteht die Möglichkeit, einen Poll, wie er z.B. auch im MausNET möglich ist, durchzufĂŒhren: man loggt sich in die Box ein und lĂ€Ăt sich die aktuellen Nachrichten als gepackte Datei zusenden. Diese mĂŒssen allerdings mit einem speziellen Point-Programm verarbeitet werden. Zudem können Sie Batch-Dateien zu einer bestimmten Zeit oder per Befehl aufrufen. Alle Befehle der beigelegten DOS-Shell lassen sich dabei in der Batch-Datei verwenden.
AbschlieĂend testeten wir die NetzwerkfĂ€higkeiten. Laut Anleitung ist das Programm PCnet-fĂ€hig. Wir suchten eine geeignete Serverbox (das ist eine Mailbox, bei der Nachrichten geholt und beantwortet wieder zurĂŒckgesendet werden können) und baten den SysOp, unsere Testbox an die verschiedenen Netze anzuschlieĂen.
Dazu muĂte die Box erst beim Netzkoordinator angemeldet und in einen Netzplan eingetragen werden. Nach vier Tagen war die Testbox zum Datenaustausch bereit. Wir wĂ€hlten unseren Server an und â nichts geschah! Ein Anruf beim Programmautor löste das Problem. Vor einem Netztransfer mit anderen Mailboxen mĂŒssen entsprechende Ordner angelegt werden.
SchlieĂlich klappt es: 30 KByte wurden vom Server geschickt. Wir wollten uns natĂŒrlich nicht auf das PC-Netz beschrĂ€nken, sondern die Box mit sĂ€mtlichen verfĂŒgbaren Gateways vernetzen. Wir vernetzten uns mit Brettern aus dem Globusumspannenden FIDO-Netz, dem amerikanischen GEnie-Netz, dem Zerberus-Netz, ART-Net, PRONET und MEDNET â ein medizinisches Netzwerk. Um alle eingehenden Nachrichten unterzubringen, waren ca. 100 Bretter nötig.
Der nĂ€chste Nachrichtenaustausch brachte die Ăberraschung: 313 KByte wurden vom Server gesendet. Das sind tĂ€glich etwa 350 Nachrichten aus allen Netzen. Da macht sich ein schnelles Modem, mindestens 9600 Baud, bezahlt.
313 KByte News und Nachrichten
SelbstverstĂ€ndlich kann man mit Anwendern anderer Boxen ĂŒber das weitverzweigte Netz kommunizieren. Das PCnet selbst, an dem man mit ST_SYSOP teilnehmen kann, besteht aus vielen Brettern, die alle einen eindeutigen Namen haben â zum Beispiel »Musik« oder »C«. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber doch: ST_SYSOP lĂ€uft erst ab TOS 1.4 fehlerfrei.
ST_SYSOP wendet sich an Anwender, die sich aktiv am Netzgeschehen beteiligen wollen. Updates verteilt der Autor kostenlos ĂŒber PC netz. Gegnern selbstgebastelter OberflĂ€chen sei gesagt, daĂ z. Zt. eine hochmoderne GEM-Variante vorbereitet wird, die auch anspruchsvolle Anwender zufrieden stellt. ST_SYSOP kostet in der Vollversion 398 Mark, eine PD-Demo-Version ist beim Autor gegen Leerdiskette und frankierten RĂŒckumschlag erhĂ€ltlich.
Autor: Frank Knobbe, Beethovenstr. 43,5014 Kerpen, Preis: 398 Mark
ST-SysOp: Fenster zur Parametereinstellung