Wau Holland, der GrĂŒnder des gröĂten deutschen Hackervereins Chaos Computer Clubs (CCC), verstarb am 29. Mai 2001 im Alter von 49 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.
Wenn man in der Geschichte der Hacker zurĂŒckblickt, tauchen so manch interessante Namen auf. Wie zum Beispiel der Erfinder des Apple Computers Steve Wozniak. Auch er war einmal ein Hacker, der Begegnungen mit dem FBI in Bezug auf Telefonmanipulation (Phreaken) nicht zu knapp hielt. Oder Hacker wie Kim Schmitz (alias Kimble), der als Hacker eine BewĂ€hrungsstrafe mit Untersuchungshaft wegen Kreditkartenmissbrauchs hinter sich hat und heutzutage mal Aktien von letsbuyit. com um 400% mit Ăbernahmeangeboten in die Höhe treibt - sein Vermögen wird auf 250 Millionen Deutsche Mark geschĂ€tzt. Die Liste setzt sich fort bis hin zu dem einst reichsten Mann der Welt Bill Gates, der bis zum ersten Hackerclub "Homebrew Computerclub" zurĂŒckzufĂŒhren ist.
Wau Holland dagegen, der als GrĂŒnder des Chaos Computer Clubs zu den bekanntesten Hackern der Welt gehört, trug prinzipiell Latzhose, Sandalen und einen ungepflegten Bart. Er hatte seinen Arbeitsplatz im Keller des Hauses seines Vaters. «Wer viel Geld als Hacker machen möchte», sagte er einst, "geht einen anderen Weg als meinen".
CCC
Der "Chaos Computer Club" entstand zu der Zeit des kalten Krieges in den 80er Jahren, als der Begriff "Computer" noch von den Medien als Hebel des industriellen Aufstiegs oder als militĂ€risches Machtinstrument assoziiert wurde. Und das, obwohl sich in Amerika bereits schon seit langen Jahren Gruppierungen von elitĂ€ren Computerspezialisten gebildet hatten, die sich "Hacker" nannten. Ihr Ziel war nicht - wie damals noch im ersten Blick angenommen -effizientere wirtschaftliche Maschinen zu schaffen, um Arbeiter zu entlassen. Es ging vielmehr um die Erforschung von technischen Machenschaften und um das Verstehen des Nutzen von Computern fĂŒr den Menschen - "der Computer als Kumpel". Ein wahrer Hacker musste verantwortungsbe-wusst agieren, kritisch sein und sorge fĂŒr AufklĂ€rung sorgen.
Solche und viele weitere Formulierungen findet man in der "Hackerethik", die zum ersten mal von Peter Samson, einem der ersten Hacker aus den spĂ€ten 50er Jahren, formuliert wurde. Schon damals wurde dort erkannt, dass jeder Programmierer von Erfahrungen anderer profitiert und daher die Verantwortung hat Informationen diese auch weiterzugeben. Wer Informationen zurĂŒckhĂ€lt, ist automatisch ein Feind, den es zu bekĂ€mpfen gilt.
Die Hacker sollten die neuen Robin Hoods der computerisierten Gesellschaft werden. Das aus wirtschaftlichen GrĂŒnden versteckte Wissen auszuspĂ€hen und fĂŒr freie Informationen einzutreten wurde zum Ziel der Gemeinschaft. FĂŒr viele Hacker war das ein Grund Sicherheitsbarrieren zu brechen und damit in verschlossene Systeme einzubrechen. Mit solchen AnsĂ€tzen grĂŒndete Wau Holland im Jahre 1981 den Chaos Computer Club - ausgerechnet in den RĂ€umen der taz. Damals hĂ€tten die Redakteure der taz ĂŒberhaupt nicht begriffen, was dort irgendwelche Leute wollten, die mit Computern anreisten.
Durchbruch
WÀhrend andere Hackergruppen damaliger Zeit (wie z.B. "Bayerische Hackerpost", "Computer Artist Cologne" und viele weitere) unbekannt geblieben sind, hat sich der CCC mit Wau Holland als AltersprÀsident in den letzten 20 Jahren zu einen der weltbekanntesten Hackergruppen entwickelt.
Der Durchbruch gelang Wau Holland im Grunde mit dem bekannten BTX-Hack. Die Deutsche Post war den jungen Hackern lange ein Dorn im Auge. Sie passte genau in das Bild eines Konzerns, das Hackern allen Grund gab sich ĂŒber ihre Machenschaften zu erbosen. Und genau das motivierte zum Hacken.
Als die technisch Interessierten damals noch vom WWW weit entfernt waren, bot die Post als Service den Bildschirmtext (BTX) an, was im Grunde nicht mehr war als ein Modem und ein rechenschwacher Computer. Die Hardware wurde an ihre Kunden teuer vermietet. Als eines der ersten Antworten darauf bot der CCC eine Bauanleitung zu » einem eigenen Modem in seiner Vereinszeitschrift an. Damit wurde der Verein mit der heute noch bekannten Zeitschrift "Datenschleuder" erstmals öffentlich.
Die Postzulassung war ein Thema, das CCC und viele andere Computeranwender lange Zeit grollte. Die Post reagierte empfindlich und betonte stets den Einsatzverbot solcher selbst gebastelten oder aus dem Ausland importierten GerĂ€te und drohte mit Sanktionen. Noch bis vor wenigen Jahren war es auch durch die Telekom verboten, nicht "postzugelassene" Modems oder Telefone an das Telefonnetz anzuschlieĂen. Eine Machenschaft aus Monopolzeiten, dass der Meinung der Kritiker nach garantieren sollte, dass Anwender gefĂ€lligst die ĂŒberteuerten GerĂ€te der Post kaufen sollten.
Bald stellte sich heraus, dass BTX auĂer Homebanking und pornographischen Angeboten scheinbar nicht viel hergab. Wer sich bestimmte Seiten anschauen wollte, musste gar bis zu DM 9.99 GebĂŒhren pro Seite zahlen. Mit einem Geldeinzugsverfahren wurde das Geld vom Konto des BTX-Benutzers abgebucht. Obwohl eine BTX-Seite knapp 2 KB an Daten nicht ĂŒberschreiten durfte, tummelten sich im Laufe der Jahre viele unseriöse Anbieter, die es sich so zum Ziel gesetzt hatten, Anwendern das Geld aus der Tasche zu lotsen.
Die ersten BTX-Seiten des CCC wurden im MĂ€rz 1984 ins öffentliche Netz gestellt, wo man unter anderem Postzeichen in einem Online-Game abschieĂen konnte. Im Laufe der Zeit entdeckte Wau Holland weitere Sicherheitslöcher im BTX-System. Es war beispielsweise möglich, in die PostfĂ€cher (vergleichbar mit dem heutigen E-Mail-Postfach) fremder Mitglieder zu gelangen. Wau versuchte mehrmals die Post zu informieren, was jedoch entweder ignoriert oder als Unfug abgestempelt wurde.
Im November 1984 entdeckten Wau Holland und sein damaliger Partner Steffen Wernery ein weiteres groĂes Sicherheitsloch im BTX, was dem CCC dann endlich den weltweiten Bekanntheitsgrad einbrachte: jede einzelne BTX-Seite hatte maximal 1926 Bytes an Daten zur VerfĂŒgung. FĂŒllte man die Seite bis zum letzten Speicherplatz aus, erschienen unerwartet merkwĂŒrdige Zeichen auf dem Bildschirm. In der Hoffnung auf einen Zusammenhang notierten sich die beiden Hacker die Zahlen (ein Ausdruck aus BTX war nicht möglich) und merkten bald, dass es sich um einen bestimmten mathematischen Algorithmus handelte. Als sie diesen entschlĂŒsselt hatten, lag vor ihnen zufĂ€llig die BTX-Teilnehmerkennung einer Hamburger Sparkasse. Schon zuvor hatte Wau Holland entdeckt, dass die individuelle Teilnehmerkennung als Hardware-Bausteinchen im BTX-GerĂ€t selbst drinsteckte. Wenn man das Teil auswechselte, konnte man die Teilnehmer-Identifikation fĂ€lschen. Mit der neu erworbenen Teilnehmerkennung war es nun möglich, auf Kosten der Sparkassenfiliale in Hamburg BTX-Angebote zu nutzen. Damit das Geld auch in die richtige Richtung floss, besuchten die beiden Hacker ihre eigene kostenpflichtige CCC-Seite. Somit wurden die GebĂŒhren fĂŒr die CCC-Sei-te von der Sparkasse Hamburg abgebucht. In einer Nacht hatten die beiden das Konto ihres eigenen Vereins mit DM 137.000.-gefĂŒllt.
Zwar zahlte Wau Holland das Geld freiwillig wieder zurĂŒck, doch der Pressewirbel um den Hack sorgte fĂŒr internationale Furore. Mit dieser Presse-Erfahrung hatte Wau Holland den ersten Schritt in Richtung einer Diva gemacht. Denn wie die Vergangenheit des CCC zeigt, hatten sie immer die richtige Verbindung zwischen ihren AktivitĂ€ten und dem Presseinteresse aufgebaut. Noch im selben Jahr wurde der CCC als offizieller eingetragener Verein angemeldet.
NASA
Nur drei Jahre spĂ€ter gelang Wau Holland und Steffen Wernery der berĂŒhmte NASA-Hack. Damit geriet Holland in die Fronten zwischen kaltem Krieg, CIA und dem Bundeskriminalamt. Die deutsche Kripo beschlagnahmte Wau Hollands gesamtes Equipment wegen AusspĂ€hung von Daten. Sein stĂ€ndiger Begleiter und Freund Steffen Wernery wurde dagegen als Vorstandsmitglied des CCC zunĂ€chst nach Frankreich als Berater eingeladen und auf diese Weise vom französischen Geheimdienst verhaftet, eingesperrt und verhört. Das waren die wohl unvergesslichsten Augenblicke in Wau Hollands Leben.
Aber auch davon hatte er sich lange erholt und widmete sich weiterhin der Aufgabe fĂŒr AufklĂ€rung zu sorgen. Bis zu seinem Tod war er stets BefĂŒrworter der Hackerethik und hielt selbst seine Kritik an der New Economy nicht zurĂŒck. Er wies stets auf die Probleme und Chancen einer Informationsgesellschaft hin, hielt VortrĂ€ge und hatte damit weltweite Anerkennung gefunden.
Mit seinem Tod verliert der CCC sein wichtigstes Mitglied. Damit bleibt auch die Zukunft des mittlerweile auch mit kommerziellen Machenschaften in Verbindung gebrachten Vereins ungewiss. Denn auch der CCC steht im Blickwinkel kritischer Beobachter mittlerweile in Konflikt mit seinem einst verfolgten Idealen, a
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