← ST-Computer 06 / 2001

Stateside-Report

Aktuelles

In unregelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden berichtet Bengy Collins, Betreiber des beliebten Online-Angebots MagiC Online von Entwicklungen, Meinungen und Gedanken rund um den amerikanischen Atari-Markt.

Innovationen, Freiwillige und Altbekanntes

Die Sommersonne macht uns wieder mit grĂŒnem Gras bekannt - ein Gras, das geradezu symbolisch fĂŒr den derzeitigen Atari-Anwender in Amerika steht. Obwohl wir beeinflusst - ja, vielleicht sogar manipuliert - sind von einem stetigen Wind namens "Windows", dessen VerfĂŒgbarkeit von Software und einem KonformitĂ€tszwang, bleibt doch ein Umstand unverĂ€ndert: unsere Wurzeln fußen fĂŒr immer in der Atari-Erde. Dieser gute Boden, obwohl trocken und oftmals unter Unterversorgung leidend, produziert nach wie vor eine interessante Ernte und kann so am Leben bleiben.

Der Blick nach Amerika. Seit meinem letzten Stateside-Report hat die amerikanische Atari-Szene sowohl gute wie auch schlechte Erfahrungen machen können. Nicht zuletzt beschÀftigt man sich mit der Zukunft des "Next Generation Atari".

Die xTOS-Umfrage auf meiner Webseite (siehe auch Newsteil) war ein Versuch herauszufinden, was die amerikanische Anwender-Basis von einem neuen Atari erwartet. Sie erzeugte sofort ein positives HochgefĂŒhl gegenĂŒber dem Pegasus-Projekt. Vielleicht hatten die amerikanischen Anwender zum ersten Mal das GefĂŒhl, dass ihre Meinung wirklich zĂ€hlt und dass sie in die Überlegungen des Entwicklungsprozesses mit einbezogen werden. Seit der Umfrage haben erste Berichte darĂŒber, dass der Motorola ColdFire vielleicht nicht die geeignete CPU fĂŒr einen Atari wĂ€re, das Interesse an dem Projekt etwas gedĂ€mpft, zumal viele Anwender in den Staaten hofften, dass der nĂ€chste Clone auf dem PowerPC basieren wĂŒrde.

Wie sieht es mit der Nachfrage nach Milan 040 und Milan 060 aus? Nun, sie sind genauso heiß begehrt wie der Hades 060. Jedoch gibt es derzeit auf diesem ganzen Kontinent keinen einzigen Lieferanten, weshalb viele Anwender auf die MagiCMac- und MagiC PC-Schiene gezwungen werden. Das Ziel ist dabei leider klar: eine andere Plattform.

Ein Beispiel: Lonny Pursell, der Entwickler von AtarIRC, suchte vergeblich nach einem Hades 060 fĂŒr seine Entwicklungen. Nachdem er vergeblich alle noch so abenteuerlichen Wege innerhalb der Vereinigten Staaten nach einem solchen Rechner abgraste, entschied er sich ein Hades-Motherboard direkt bei Medusa in der Schweiz zu bestellen. Die restlichen Teile der Workstation will er direkt in Amerika zusammen stellen. Offensichtlich ist dies die einzige Möglichkeit fĂŒr amerikanische Anwender, die Bedarf nach mehr 68k-Leistung haben. Die ErhĂ€ltlichkeit von Hardware ist dabei leider nicht das einzige Problem im Spotlight, denn auch Software-Pakete sind immer schwieriger zu bekommen.

Hilfe von Freiwilligen. Europe Shareware, ein nichtkommerzieller Software-Vertrieb, der seinen Hauptmarkt in Frankreich hat, sorgt fĂŒr einige Wellen und expandiert wie kaum ein anderes Unternehmen im Markt. Zurzeit wird darĂŒber nachgedacht Ansprechpartner im amerikanischen und polnischen Markt einzusetzen. Dies wĂŒrde eine sofortige VerfĂŒgbarkeit der meisten modernen und nach wie vor in Entwicklung befindlichen Produkte bedeuten.

In der Zwischenzeit arbeitet Europe Shareware daran, den Preis bestehender Produkte zu senken, indem sie Software-Pakete anbieten. FĂŒr den derzeitigen Kunden von MagiC bedeutet dies, dass er zusammen mit dem Betriebssystem eine registrierte Version des Aniplayer, den Desktop jinnee, GEM Scripter und AtarICQ erhĂ€lt. Dies ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, der durch die vielen Freiwilligen Mitarbeiter von Europe Shareware erst möglich wird.

Noch eine weitere AnkĂŒndigung von Europe Shareware sorgt derzeit fĂŒr einigen Diskussionsstoff: seit kurzer Zeit bietet die Organisation das "MagiC Software Development Kit" an, ein Software-Paket, das unter anderem das Betriebssystem MagiC, den Compiler GCC sowie Resource Master und Windom enthĂ€lt. Dies alles wird zu einem Preis angeboten, der geringer liegt als MagiC allein. MagiC-Anwender haben das Paket freudig aufgenommen, birgt es doch die Chance in sich, dass Entwickler wieder zum Programmieren fĂŒr ihre Plattform angeregt werden. MiNT-Anwender argumentieren hingegen, dass MiNT und das dazu gehörige SDK in der Vergangenheit und auch in der Zukunft komplett kostenlos war, ist und sein wird. Die "MagiC gegen MiNT'-Debatte geht also in ihre nĂ€chste Runde...

Diskussionen

In Kanada hat eine im englischsprachigen Portal von Atari.org angefangene Diskussion zur GrĂŒndung der "Canadian Atari User Group" (CAUG) gefĂŒhrt. Diese zunĂ€chst auf dem Internet basierende Anwendergruppe hat es sich unter anderem zum Ziel gemacht zu beweisen, dass es nach wie vor eine starke Atari-PrĂ€senz in Kanada gibt.

Apropos Usergruppen: in den englischsprachigen Atari-Diskussionsrunden ist derzeit eine klare Anti-Usenet-Bewegung zu verzeichnen, die ihren Ursprung darin hat, dass viele Anwender gestört oder sogar frustriert ĂŒber das zum Teil kindische Verhalten im Umgang der Teilnehmer untereinander sind. Besonders "verschmutzt" ist davon leider die bisher aktivste englische Newsgroup "comp.sys. atari.st". Durch die vielen persönliche Fehden, das unangemessene Verhalten derzeitiger und ehemaliger Atari-HĂ€ndler und die allgegenwĂ€rtige feindliche Stimmung innerhalb der Gruppe schauen sich viele Teilnehmer nach alternativen Treffpunkten zum Zusammensein um. Dies stĂ€rkt die PopularitĂ€t von Webforen wie Atari.org und DHS.nu. Sogar myatari.net, das beliebte Online-Magazin, arbeitet zurzeit an einer Implementierung eines webbasierenden Forums. Der Nachteil dieser Foren ist natĂŒrlich, dass fĂŒr den Zugang ein Webbrowser benötigt wird. Bedenkt man den derzeitigen Zustand der Browser-Entwicklung auf dem Atari, so ist zu erwarten, dass viele Anwender weiterhin den weitaus schnelleren Zugang zu Diskussionen per Usenet bevorzugen werden.

Einige Dinge Ă€ndern sich nie. Die Entwicklung steht auch auf anderen Computer-Plattformen nicht still. PDAs (Personal Digital Assistants) sind mehr und mehr ein "heis-ses" Accessoire und erreichen in einer Hinsicht schnell den Stand, den das Handy vor zehn Jahren inne hatte: ein teilweise unnötiges Tool, das mehr Wert als Statussymbol hat als eine praktische Anwendbarkeit. Die Veröffentlichung des neuen Palm m505, einem 33 MHz schnellen Handheld mit 16-Bit-Grafik steht in direkter Konkurrenz zum Compaq iPag 3650, einem weiteren GerĂ€t mit True-Colour-Grafik, das allerdings mit einer 206 MHz starken StrongARM-CPU angetrieben wird. In der Praxis erweist sich jedoch, dass beide Modelle ungefĂ€hr gleich schnell arbeiten. Der Grund dafĂŒr ist, dass auf einem GerĂ€t ein effizientes und schlankes Betriebssystem lĂ€uft, wĂ€hrend das andere sich mit einem aufgeblĂ€hten Microsoft-Produkt herum schlagen muss. Hört sich das vielleicht vertraut fĂŒr Sie an? Some things never change...

Bengy Collins