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Aufgeschlagen: Tron - Tod eines Hackers

Aktuelles

In unregelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden informieren wir Sie ĂŒber neuerscheinungen auf dem Buchmarkt, die auch fĂŒr Besitzer alternativer Computersysteme von Interesse sein könnten.

Tron - Tod eines Hackers

Boris F., in der Computer-Szene als »Tron« bekannt, gehörte zu den wohl erfahrensten Chipkartenhackern. Zudem programmierte er Software zum Knacken von PayTV- und Handy-Karten. Damit gehörte Tron eindeutig zu den fÀhigsten Experten im Zeitalter der computerisierten Dechiffrierung.

Doch neuerdings scheinen deutsche Hacker stark suizidgefĂ€hrdet zu sein - und sie verschwinden, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Karl Koch, dessen Lebensgeschichte in dem Kinofilm »23« erzĂ€hlt wird ist nur ein Beispiel fĂŒr rĂ€tselhafte Tode. Den mysteriösen Tod von Tron am 22. Oktober 1998, der sich laut Polizeibericht selbst an einem Baum erhĂ€ngte, nahm auch Burkhard Schröder Anlass fĂŒr sein neues Buch, das den Titel »Tron - Tod eines Hackers« trĂ€gt.

Der Inhalt

Dabei ist das Buch vor allem dem »Chaos Computer Club« (CCC) und treuen AnhĂ€ngern von Tron ein starker Dorn im Auge: Es hĂ€lt nicht an Mord- und spannenden Verschwörungstheorien fest, sondern bleibt in erster Linie sachlich - oder apriorisch, wie der Autor selbst formuliert. Gleichzeitig werden GerĂŒchte und Menschen, die fĂŒr einen Mord seitens des Geheimdienstes sprechen, mehr ins Licht der Paranoiden gerĂŒckt. Dies ist etwas schade, weil dies auch dem Leser im nachhinein nur wenig Spielraum fĂŒr Schlussfolgerungen lĂ€sst, hat doch Tron tatsĂ€chlich mit seinem Wissen das Interesse der Geheimdienste und einflussreichen Firmen auf sich ziehen können. In den ersten Seiten des Buches werden sĂ€mtliche Theorien und GerĂŒchte, die in der Szene in Umlauf geraten sind, auf Nachforschung des Autors richtiggestellt. Der Leser erhĂ€lt anfangs eine detaillierte EinfĂŒhrung in Ermittlungstechniken der Polizei im Sachverhalt Tron bis hin zu Obduktionen und Berichten von zustĂ€ndigen Ärzten, die einen Todesfall wie die von Tron beschreiben. In mehreren Kapiteln werden jedoch in direktem Zusammenhang mit Trons Tod Themenbereiche ausfĂŒhrlich erlĂ€utert: Der Leser erfĂ€hrt nebenbei Wissenswertes ĂŒber Karl Koch und, auf knapp siebzig Seiten, ĂŒber die Technologie der Chipkarten, mit der sich nicht nur Tron beschĂ€ftigte. Zum Inhalt gehören auch Erörterungen ĂŒber Legasthenie, an dem Tron laut Schröders Nachforschungen selbst leidete. SĂ€mtliche GesprĂ€che mit den Eltern und Bekannten von Tron versuchen zumindest auf diesen 214 Seiten dem Leser den Eindruck einer ausfĂŒhrlichen Reportage zu vermitteln.

Fazit

Gerade in einem Thema wie diesem, wo viele Dinge unbeantwortet bleiben und GerĂŒchte auf der Tagesordnung stehen, ist der Autor gezwungen, sich an einer bestimmten, glaubhaften Richtung festzuhalten. Somit zieht auch Schröder in seinem Buch eine deutlich subjektive Spur hinter sich, die sich jedoch nicht unbedingt negativ auswirkt. Unveröffentlichte Tatsachen, neue Motive und Leitgedanken sind jedoch nicht vorhanden. Die meisten Informationen dieses Buches schließen auf eine kĂŒhne Recherche und logische Schlussfolgerungen zurĂŒck. Doch vielleicht macht gerade das die Veröffentlichung authentisch und hindert den Leser daran, sich in wirren Theorien zu verfangen.

Was mit Tron wirklich passiert ist, kann so genau niemand sagen. Der Mythos um Tron bleibt ein spannendes Thema, und genau wie der Autor es selbst andeutet, wird sie das Ende nicht in dieser Veröffentlichung finden. Insgesamt ist »Tron - Tod eines Hackers« ein lehrreiches Buch ĂŒber Chipkartentechnologie und ein informatives Handbuch fĂŒr jeden, der Trons Tod etwas nĂ€her untersuchen möchte.

Tron - Tod eines Hackers
Rowohlt Verlag
DM 16,90.-
ISBN: 3-499-608S7-X

Evrim Sen