← ST-Computer 06 / 1997

TT-Arbeitsspeicher - Stiefkind ST-RAM

Hardware

Wenn beim TT von der Erweiterung des Arbeitsspeichers die Rede ist, richtet sich die Aufmerksamkeit in der Regel auf das sogenannte „Fastram“, also den Speicherbereich, auf den der Prozessor besonders schnell zugreifen kann.

Doch nicht alle Anwendungsbereiche profitieren von dem Fastram. FĂŒr Musiker und fĂŒr den Notensatz ist das ST-RAM hĂ€ufig von grĂ¶ĂŸerer Bedeutung als das schnellere Ram. Gleiches gilt sicherlich fĂŒr Benutzer von Programmen, die nur im ST-Ram lauffĂ€hig sind.

Da ST-Ram-Erweiterungskarten nur sehr schwer oder sehr teuer zu bekommen sind, hier einige Anregungen, wie der erfahrene Lötakrobat das ST-Ram eines TT mit zusÀtzlichen Hirnzellen ausstatten kann.

Was ist machbar?

Leider lĂ€ĂŸt sich das ST-Ram im TT nicht beliebig vergrĂ¶ĂŸern. Die „natĂŒrliche“ Grenze liegt bei 10 MB, das wirkt auf den ersten Blick nicht sehr viel, aber wer bisher mit 4 MB auskommen mußte, weiß einen Zuwachs von 6 MB sicherlich zu schĂ€tzen. Um sich zusĂ€tzliches ST-Ram zu verschaffen, gibt es beim TT zwei grundsĂ€tzliche Möglichkeiten:

Entweder kann man den onboard befindlichen Arbeitsspeicher von 2 MB auf 8 MB erhöhen oder die ST-Ram-Erweiterungskarte auf 8 MB UmrĂŒsten. Der kĂŒhne Rechner wird nun wahrscheinlich den Bleistift spitzen und feststellen: 8 MB onboard + 8 MB auf der Erweiterungskarte = 16 MB! Normalerweise richtig, im TT aber nur 10 MB, da die Adessbereiche von Onboard- und Erweiterungsram sich ĂŒberschneiden (vielleicht fĂ€llt mir dazu noch etwas ein).

Was braucht man?

Als erstes guten Willen und Selbstvertrauen, dazu einen TT (es hat sich bewĂ€hrt, zunĂ€chst einmal den eines Bekannten zu nehmen) und die richtigen Rams, dazu einen leistungsstarken Lötkolben (besser Lötstation) mit feiner Spitze, Lot und dĂŒnnen Draht. Ein Handmultimeter sollte auch nicht fehlen. Der Rest ist abhĂ€ngig von der gewĂ€hlten Erweiterungsvariante.

Variante 1:

Die einfachste Möglichkeit der ST-Ramerweiterung haben all jene, deren Onboard-Speicherchips gesockelt sind. Dies dĂŒrfte vor allem auf TT-Boards mit dem 32 MHz-Daughterboard (PGA-68030er) zutreffen. Hier braucht man natĂŒrlich das ganze Werkzeug, um den Rechner zu zerlegen, außerdem 16 Rams vom Typ 514400 im DIL-GehĂ€use (Bild 1), einen Treiberbaustein 74F244, einen Kondensator lOOnF und einen Widerstand 47R (Bild 2).

Variante 2:

Die UmrĂŒstung einer ST-Ram-Erweiterungskarte mit Speicherchips im DIL-GehĂ€use erspart zwar das Zerlegen des Rechners, bedeutet unter dem Strich aber einen erhöhten Auslötaufwand. Hier wird benötigt: spitzer Seitenschneider, Entlötsaugpumpe, Pinzette und ggf. Entlötlitze. An Bauelementen ist das gleiche wie bei Variante 1 erforderlich.

Variante 3:

Eine ST-Ram-Erweiterungskarte mit Speicherchips im SOJ-GehĂ€use (SMD) wirkt nur auf den ersten Blick komplizierter als die DIL-Variante. Die nötigen Hilfsmittel: Pinzette, Uhrmacherschraubendreher (als Hebel), Entlötlitze, freies Flußmittel (Kolophonium) wĂ€re nicht schlecht und eine halbe Flasche Schnaps (eine ruhige Hand ist hier zwingend erforderlich!). 16 Speicherchips des Typs 514400 im SOJ-GehĂ€use sind auch noch vonnöten.

Speicherchips - woher nehmen?

Leider eine nicht so einfach zu beantwortende Frage. Die Varianten 1 und 2 erfordern Chips, die nicht mehr hergestellt werden. So ist wieder einmal die Findigkeit des ATARIaners gefordert. Die erforderlichen Chips wurden vorwiegend bei der Speichererweiterung von Laserdruckern eingesetzt, teilweise auch zur BestĂŒckung von 30poligen 1 MB SIM-Modulen. Also SIM-Module genauer betrachten und Recyclingfirmen anrufen (wer noch einen grĂ¶ĂŸeren Posten auftreiben kann, bei mir melden ;-)). Die Organisation der Speicherchips ist 1 MBit x 4, der Aufdruck XX4400-YY. Die Zugriffszeit (YY) darf bis 100ns betragen.

Bei der Variante 3 ist die Bauteilbeschaffung einfacher. Die erforderlichen Speicherchips haben die gleiche Organisation wie bei Variante 1 und 2, der einzige Unterschied liegt darin, daß die Chips im SMD-GehĂ€use sitzen, also nicht durch die Leiterplatte gesteckt werden. Diese Speicher (z.B. 514400-70 SOJ) kann man im Elektronikversand kaufen, sie sind da aber vergleichsweise teuer. Ich favorisiere deshalb die „Speichergewinnungsmethode“: Man kaufe sich zwei 4MB-PS/2-Module und löte die Chips ab.

Das funktioniert recht einfach: Da die Module nur einseitig bestĂŒckt sind, legt man sie auf Mutters Herdplatte, schaltet dieselbe ein und nimmt die Chips, nachdem das Lot geschmolzen ist, mit der Pinzette herunter. Es ist bei diesem Verfahren sehr vorteilhaft, wenn die AnschlĂŒsse der Speicherchips vorher mit Flußmittel eingepinselt werden, dann gibt es keine „Nasen“. FĂŒr eine gute DurchlĂŒftung sollte in jedem Fall gesorgt sein.

Bild 1: Ram-Chip 514400
1 D0 GND 20 2 D1 D3 19 3 WE D2 18 4 RAS CAS 17 5 A9 OE 16 6 A0 A8 15 7 A1 A7 14 8 A2 A6 13 9 A3 A5 12 10 +5V A4 11

Einbau Variante 1

Da TTs mit gesockelten Rams meist noch mit dem Blechverhau geschlagen sind, ist zunĂ€chst erst einmal das Freilegen der Platine angesagt. Also frisch ans Werk: Festplatte ’raus, die 10 Schrauben auf der Unterseite entfernt, Oberteil abnehmen, Blechlaschen geradebiegen, die drei Schrauben an der Platinenvorderkante herausdrehen usw. Ist die Platine nun schutzlos dem Eingriff ausgeliefert, werden die 16 Rams aus ihren Sok-keln entfernt. Die neuen (gebrauchten) Chips mĂŒssen nun wie folgt vorbereitet werden: Die Pins Nummer 5 jedes Chips mĂŒssen so nach oben gebogen werden, daß sie nicht abbrechen und auch keinen Kurzschluß verursachen.

Dann können die neuen Rams in die verwaisten Sockel gesteckt werden. Der Treiber 74F244 (Bild 2) bedarf ebenfalls unserer Zuwendung: Zwischen Pin 1 und Pin 20 den lOOnF-Kondensator anlöten. Pin 20 und Pin 19 kurzschließen und Pin 10 mit Pin 1 verbinden. An Pin 18 den 47R-Widerstand anlöten. Den Treiber dann mit Heißkleber oder Doppelbackeband auf die Platine kleben und mit 5 Volt an Pin 20 und Masse an Pin 10 versorgen.

Nun geht es schon in die Endphase: Die hochgebogenen Pins Nr. 5 der Rams werden nun alle miteinander und ĂŒber den 47R-Widerstand mit Pin 18 des Treibers verbunden. Pin 2 des Treibers ist der Eingang fĂŒr die Adressierung MAD 9 und wird mit Pin 34 der MCU auf dem TT-Board verbunden. Die MCU hat die Bezeichnung C301225-001A und ist an ihren 144 Pins deutlich zu erkennen.

Einbau Variante 2

Das Auseinandernehmen des TT kann man sich bei dieser Variante in der Regel schenken. Nach Ausbau der Festplatte sollte entweder die ST-Ram-Karte oder das ramverhĂŒllende Abschirmblech zu sehen sein. Also ggf. die untere Lasche am Abschirmblech geradebiegen und das Blech herausnehmen, dann die vier Schrauben der ST-Ramkarte lösen und das SchmuckstĂŒck durch die Festplattenaussparung ans Tageslicht zerren.

Bild 2: Treiber 74F244

Was dann folgt, ist rohe Gewalt:

Die AnschlĂŒsse der Rams werden mit dem Seitenschneider dicht am GehĂ€use durchtrennt. Danach die einzelnen Pins mit dem Lötkolben erwĂ€rmen und mit der Pinzette aus den Lötaugen ziehen, die Lötaugen werden dann mit der Entlötsaugpumpe fĂŒr die neuen Rams bewohnbar gemacht. Wer den Aufwand fĂŒr die SĂ€uberung der Lötaugen scheut, kann die neuen Rams auch einfach an die stehengebliebenen Pins der alten anlöten, dabei gibt’s aber noch etwas zu beachten: Pin 5 darf nicht mit angelötet werden, der wird separat verdrahtet, außerdem die Bauhöhe möglichst gering halten, also die Pins der neuen Rams etwas kĂŒrzen, sonst gibt es spĂ€ter beim Einbau der Festplatte ein langes Gesicht, wenn sie auf die Ramkarte aufsetzt. Aus diesem Grund sollte auch auf den Einsatz von IC-Sockeln verzichtet werden!

Wie schon angedeutet, mĂŒssen die Pins Nummer 5 der Rams vor dem Einlöten hochgebogen werden. Dann ist der Treiber 74F244 wie bereits bei Variante 1 beschrieben vorzubereiten und auf der ST-Ramkarte zu plazieren. Die Pins Nr. 5 der Rams werden miteinander und ĂŒber 47R mit Pin 18 des Treibers verbunden, Pin 2 des Treibers wird an Pin 34 der MCU auf der ST-Ramkarte angelötet. Jetzt wird er kniffelig: Pin 94 der MCU muß von der Platine abgelötet und ein wenig hochgebogen werden. Diesen Pin dann mit B 27 der Kontaktleiste J 2 verbinden.

Einbau Variante 3

Sicherlich die eleganteste Lösung, stellt aber auch recht hohe Anforderungen an die Lötfertigkeit. Der Ausbau der ST-Ramkarte ist wohl nicht das Problem. Schwieriger wird es, die alten Speicherchips zu entfernen, ohne die Platine zu ruinieren. Wer ein passendes Auslötwerkzeug sein Eigen nennt, wird nur mĂŒde lĂ€cheln, alle anderen mĂŒssen sich plagen, also los: ZunĂ€chst einmal feststellen, ob die Lötspitze lang genug ist, um eine Pinreihe eines Rams annĂ€hernd komplett zu erwĂ€rmen. Wenn nicht, erst einmal eine passende Spitze besorgen. Dann bei Ul beginnend wie folgt verfahren: Eine Pinreihe eines Rams reichlich be-loten (besserer WĂ€rmeĂŒbergang), den Uhrmacherschraubendreher als Hebel von der Kondensatorseite her unter den Chip schieben und eine Seite mit voller LötspitzenlĂ€nge erwĂ€rmen. Dabei den Chip LEICHT nach oben drĂŒcken. Erst wenn eine Seite in der Luft hĂ€ngt, mit der anderen ebenso verfahren. Sind alle Rams abgelötet, mit der Entlötlitze das ĂŒberschĂŒssige Lot entfernen. Dabei kann man auch gleich sehen, ob noch alle Pads an ihrem Platz sind. Wenn nicht, sofort aufschreiben, wo nach der BestĂŒckung noch BrĂŒcken herzustellen sind! Das Auflöten der neuen Rams geht verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig leicht von der Hand. Die Chips am besten mittig auf den Lötpads plazieren. Dazu ein Pad belo-ten, den Chip mit der Pinzette positionieren und erst einmal an dem einen Pad festlöten. Position und Orientierung kontrollieren und die restlichen Pins anlöten. Jetzt die Lötverbindung kontrollieren, dann erst den nĂ€chsten Chip angreifen. Wenn alle Speicher an ihrem Platz und eventuell abgerissene LeiterzĂŒge durch DrahtbrĂŒcken ersetzt sind, nur noch beide Jumper auf der ST-Ramkarte auf die Position 2-3 stecken.

Nix geworden?

Waren die BemĂŒhungen erfolglos, so hat man zumindest einige nette Stunden mit seinem Liebling verbracht. Bei Variante 1 lĂ€ĂŸt sich durch Einsetzen der alten Chips der Ursprungszustand wiederherstellen, dazu muß noch nicht einmal der 74F244 entfernt werden. Die Varianten 2 und 3 lassen den ramhungrigen User mit einem um 2 MB geschmĂ€lerten ST-Ram zurĂŒck, sofern er es versĂ€umt hat, sich erst ’mal eine ST-Ramkarte zu leihen ...

Ulrich Skulimma