Die Zeit der normalen Sequenzerprogramme scheint nun endgĂźltig
zu Ende zu gehen. Der Trend der letzten Jahre ging ganz klar in die
Richtung komplexen Workstations, die nicht nur Sounds und
Libraries verwalten können, sondern obendrein noch in der Lage
sind, die eingehenden Midi-Daten zu verfälschen und nebenbei noch
interessante Effekt bereitzustellen. Der normale Sequenzer ist also
out.
Es muß etwas her, das mehr als nur Sequenzing bietet. In dieser Richtung
gab es bislang schon mehrere Programme, die unter anderem auch das
Arrangieren von Styles erlaubten. Klar, daß die Programmierer nun
versuchen werden wahre Musikmaschinen auf Software-Basis fĂźr den
ATARI zu konzipieren. So auch die Firma "Megalith Software" aus
Wilhelmsthal. Der Sprößling aus diesem Hause trägt den treffenden Namen
"Machina Musica", und bietet außer einem Sequenzer noch ein Harmonisierungs- sowie Arrangierprogramm.
"Machina Musica" läuft auf allen ATARIs mit allen TOS-Versionen. Auch
das neue TOS des Falcon030 wird mit einer Ausnahme unterstĂźtzt.
"Machina Musica" läuft nicht unter MultiTOS. Aufgrund der umfangreichen
Bildschirminformationeu ist ein größerer Monitor zu empfehlen aber keine
Notwendigkeit. Der SM124 kann natĂźrlich weiterhin seine treuen Dienste
leisten. Der Arbeitsspeicher sollte mindestens 1 MB umfassen, um Oberhaupt
loslegen zu können. Allerdings sind dann kaum noch weitere Aktionen mit
dem Programm möglich, so daß 2MB Arbeitsspeicher sehr zu empfehlen
sind.
Um den Raubkopierem das Leben zu erschweren, ist es notwendig einen
Hardware-Key in den Joystickport zu stecken. Wenn dieser korrekt installiert
ist, blinkt eine rote LED im Inneren des Gehäuses, die auch von außen zu
sehen ist. Der Installation auf der Festplatte steht dann nichts mehr im Wege.
Um "Machina Musica" nutzen zu können, ist des weiteren noch ein
Klangerzeuer, der auf mehreren Kanälen empfangen kann erforderlich. Wer
keine Zeit fĂźr Anpassungen opfern will, benutzt ein General Midi-Instrument,
das aufgrund einiger Normungen direkt unterstĂźtzt wird.
Empfehlung
Um nicht in den Tiefen der Betriebsanleitung zu versinken, sollte das darin
abgedruckte Tutorial einmal durchgearbeitet werden. Somit bekommt der
Benutzer einen schnellen Überblick Ăźber einige Funktionen und deren Sinn.
Es ist ein angenehmes GefĂźhl sich aus Sicht des Programmautors durch sein
Programm fĂźhren zu lassen. Es geht nichts schief und das Ergebnis stimmt.
Anschließend sollte man schon in dem 275 Seiten starken DIN A5
Handbuch stöbern, um einen weiteren Überblick zu bekommen. Es ist locker
und sehr ausfiihrlich geschrieben und stellt keinen Grund zur Beanstandung
dar.
ORPHEUS, der Song-Manager
Hier lassen sich Songs verwalten, laden, selbst kreieren und nachbearbeiten.
Alle Geschehnisse landen automatisch im Songmanager, so daß alle
durchgefĂźhrten Funktionen, wo auch immer sie durchgefĂźhrt wurden, hier
wiederzufinden sind. Wir haben also schon mit dem Sequenzer zu tun, der
eigentlich nicht den Hauptpart von Machina Musica bilden soll. Dennoch
bietet er eine Auflösung von 96 tpq (Ticks per Quarter Note) und 99 Tracks
mit beliebig vielen Pattern. Weiterhin werden ein Score-Editor und ein
grafischer controller Editor geboten. Vom Noten-Editor sollte man nicht zu
viel verlangen, da weitaus teuere Programme sich mit diesem Thema
auseinandersetzen und somit mehr bieten können. Die Sequenzer-Funktionen
bieten schon Ăźberdurchschnittlich viele Möglichkeiten und gute Werkzeuge
fßr das Kreieren und Nachbearbeiten von Songs. Darßber hinaus fällt auf,
daß großen Wert darauf gelegt wurde, fĂźr jegliches MidiEquipment
Anpassungsmöglichkeiten zur Vei-fĂźgung zu stellen. Das Manual geht im
Einzelnen mit Tricks und Tips auch auf "Nicht GM/GS-User" darauf ein.
Einigen Tracks lassen sich besondere Aufgaben zuteilen. So z.B. ACCOMP,
was dieser Spur sagt, daß sie der Erzeugung einer Begleitung dienen soll.
Eine weitere Möglichkeit ist die Benennung mit MELODY. Diese Spur dient
dann als Orientierung fßr die selbständige Harmonisierung der Melodielinie.
APOLLO, der Style-Manager
Dies ist der Teil von Machina Musica, der fĂźr 999 Begleit-Pattern
verantwortlich ist. In einem Style befinden sich beliebig große
Arrangements, die alle auf der C-Dur Tonart basieren und durch die
Accompaniment- bzw. Harmony-Funktion als Grundmaterial fĂźr die
automatische Harmonisierung dienen. Die frei wählbare Instrumentierung
sowie das Anpassen von Controller-Daten an musikalische Bedingungen,
gestalten diesen Manager sehr flexibel. Hier finden wir im Allgemeinen die
Funktionen, die wir uns in manchen Arrangerkeyboards wĂźnschen.
EUPHONIA, der Melody-Harmonizer
Und nun der eigentliche Kein des Symphonizers. Hier lassen sich
beliebige Melodielinien, auch solche aus schon vorhandenen MIDI-Dateien,
automatisch oder interaktiv Harmonisieren. Der Grad der harmonischen
Verwandtschaft zwischen Melodie und Begleitung ist feinfĂźhlig beein-
flußbar.
Zu Beginn wird als Grundmaterial eine Melodielinie eingespielt, oder von
irgendwo her "geklaut". Diese Spur bekommt den Status "Melody". Als
nächstes sind die Harmonisierungsparameter einzustellen. Dies sind der zu
harmonisierende Bereich, die Länge der Harinonisierungsschritte und der
Harmonisierungsmodus. Nach dem Harmonisieren erfolgt die Einstellung
der Arrangementparameter. Auch hier wieder zuerst den Bereich festlegen,
dann die Groove-Parameter einstellen, Instrumente zuweisen und die
Begleitspuren von HARM- auf ACCOMP-Status setzen. Nach dem
ARRANGIEREN lassen sich noch Feinheiten manuell nachbearbeiten und
das Ergebnis als Song-File abspeichern.
Während der AUTOMATIC-Harmonisierung wird der komplette,
angegebene Bereich ohne Nachfrage bearbeitet. Bei INTERACTIV-
Harmonisierung wartet der Melody-Harmonizer auf eine Bestätigung des
gefundenen Akkordes oder eine Neuauswahl aus der "Harmony Choice
List". Auch die Grundtonart muß nicht der Auswahl der Automtik
entsprechen, sie läßt sich auch selbst bestimmen. Das gelieferte Ergebnis ist
keines Falls das Endergebnis, da sich nachträglich noch feinfĂźhlig Änderungen durchfuhren lassen, die Ăźber Harmonisierungsdichte (falls nötig -
Neustart), Jazz Factor (9er und 13er lassen grĂźßen) und Harmony Factor
entscheiden. Im Harmonizer läßt es sich so richtig austoben. Zahlreiche
Vorgabemöglichkeiten gestalten die Arbeit flexibel und binden den User
nicht an die komplette Automatikharmonisierung.
Filehandling
Besitzer von Midi-Standard-Files können diese direkt laden und
weiterbearbeiten und natĂźrlich auch wieder als solches abspeichern. Das
Gleiche gilt fĂźr komplette Songs, Styles, Clipboards und Drum Settings.
Wer eine Diskette formatieren, einen Ordner anlegen, etwas umbenennen
oder löschen möchte, muß das Programm nicht extra dafĂźr verlassen. Eine
persönliche Konfiguration von Machina Musica läßt sich unter dem
Options-MenĂź abspeichem und laden. Eine weitere Möglichkeit die
Konfiguration zu speichern besteht unter dem File-MenĂź mit dem Eintrag
"Quit with Config".
Nutzen
Nun stellt sich noch die Frage: wer kann ein solches Programm eigentlich
einsetzen? Der Sequenzerbereich ist sicherlich opulenter als ein Anwärter
der 100 DM Low-Cost-Klasse ausgefallen, scheidet fĂźr den
professionellen Einsatz aber aus, da die Software-Sequenzer der gehobenen
Preisklasse hier ganz einfach mehr bieten können. Dem Score-Editor muß
ich ein ähnliches Zeugnis ausstellen, da er zwar die Übersicht erleichtert,
aber keinerlei Partitur-Highlights bietet. Aber Notendruck und Sequenzing
sollte offensichtlich nicht die Hauptaufgabe von Machina Musica
darstellen.
Der Schwerpunkt liegt eindeutig bei der Harmonisierung von
Melodielinien. In ähnlicher Form haben wir dies schon beim DVPI
Session Partner kennengelernt, mit dem Unterschied, daß dort keine
Melodielinie als Vorgabe nötig war.
Über musikalische Ergebnisse bei Musikproduktionen läßt sich
bekanntlich streiten. Die Geschmäcker und die Zielsetzungen sind nun
mal verschieden. Wer sich mit Harmonien ohnenhin schon gut auskennt
und diese selbst einspielen kann, der wird ein solches Programm nur als
Ideenanstoß benutzen und anschließend per Midi-Standard-File seinen
Sequenzer bemßhen. Durch das Rßckwärts abspielen von
Pattem sind Kreationen möglich, die einem wahrscheinlich nicht so einfach
eingefallen wären, dennoch wird man hier und da nur einen Teil des
automatisch erstellten Songs gebrauchen können und diesen später weiter
bearbeiten. DiesbezĂźglich ist die Struktur Ăźbersichtlich und flexibel
aufgebaut. Den Top-40 Song vermochte ich damit zwar nicht zu kreieren,
interessante Ergebnisse konnte ich aber allemal erzielen. Meiner Meinung
nach ist Machina Musica fĂźr Benutzer konzipiert, die gerade mal eben einen
Geistesblitz, in Form einer Melodie, mit Akkorden unterlegen wollen. Ob
dies immer zum gewĂźnschten Resultat fĂźhrt, möchte ich mit nein
beantworten, da es meines Wissens noch kein Programm gibt, das hellsehen
kann.
Wer seine Urlaubs-Videos damit vertonen will, hat allerdings ein Werkzeug
an der Hand, das ihm stundenlange Arbeit abnehmen kann. Interessante
Anwendungsgebiete gibt es sicherlich viele, zumal äußerst komplexe Styles
ein umständliches Editieren erßbrigen.
ww
Bezugsquelle:
Megalith Software, Axel W. Rabeneck
Maxhofstr. 53, 81475 MĂźnchen
Preis: 598,- DM
Positiv:
komfortables Filemanagement
Midi-Standard-File-Im- und -Export
alle geöffneten Fenster sind aktiv
Nicht-GS/GM-Geräte sind anpaßbar
läuft auf allen ATARI ST, STE, TT und Falcon030
Negativ:
unterstĂźtzt kein MultiTOS
Score-Editor dient nur der Übersicht und Nachbearbeitung
Sequenzerbereich ohne professionellen Anspruch
keine gute Accessory-Verträglichkeit (Systemabstßrze)