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Elektronische Bildverarbeitung Teil 6

Grundlagen

Wer daran denkt, von der optisch-chemischen Dunkelkammertechnik zum ‘Digitalen Fotolabor’ umzusteigen, kann davon ausgehen, daß er dort zu jedem seiner mĂŒhsam perfektionierten Arbeitsverfahren gleich mehrere elektronische Pendants vorfindet. Der Unterschied liegt jedoch nicht nur im trockenen, giftfreien Arbeitsplatz und im ‘Nichtverbrauchen’ teurer Verbrauchsmaterialien wie Chemikalien und Fotopapier, sondern vor allem in der hochprĂ€zisen, feingestuften und stets reproduzierbaren Steuerung aller einzusetzenden Bildbearbeitungsfeatures.

Dazu kommt als wichtigstes Universalwerkzeug fĂŒr die Festlegungen, an welchem Ort der BildflĂ€che in welcher WirkstĂ€rke eine Bearbeitung eintreten darf (0% und 100% eingeschlossen), die vielgerĂŒhmte digitale 8-Bit-Maske.

Objekttransfer

In der letzten Folge haben wir erarbeitet, wie wir im Rahmen einer „Fotomontage“ ein Objekt im Quellbild durch das sog. 'Ausmaskieren' fĂŒr das Ausschneiden und Umkopieren vorbereiten. Jetzt wollen wir das markierte Objekt (hier ein braunes Sofa) in unser Zielbild transferieren. DafĂŒr gibt es zwei Verfahren:

A. Als BLOCK herauskopieren
B. Mit Zeichen Werkzeug als STEMPEL-Bild ĂŒbernehmen

Beide Verfahren haben eigene Vor- und Nachteile, und man wird sich von Fall zu Fall entscheiden mĂŒssen.

Verfahren A: Es ist universell in jeder GrĂ¶ĂŸe und auf jedes SeitenverhĂ€ltnis anwendbar. Man zieht einen Rahmen um das maskierte Objekt, aktiviert bei den Block-Parametern ‘Maske beachten beim Ausschneiden’ und klickt ‘Kopieren’ an. Eventuell ist unser herausgeschnittenes Objekt jetzt plötzlich von einem weißen Rand umgeben, ĂŒberall dort, wo vorher die Maske saß ist ja auch klar, denn dort wurde nichts kopiert. DafĂŒr gibt es den Schalter ‘Weiß ist transparent’ bei den Blockparametem. Wird er aktiviert, verschwindet das weiße Umfeld im Block, und das herausgeschnittene Objekt steht fein sĂ€uberlich herausgetrennt im Blockrahmen (funktioniert leider nicht im TrueColor-Modus, weil hier natĂŒrlich nicht mit Farbpaletten gearbeitet wird).

Der Block mit dem Objekt wird jetzt auf das Zielbild gezogen. Hat man dieses nicht bereits geöffnet vorliegen, kann man den Block einfach auf dem Desktop ablegen. Er bekommt dort automatisch ein eigenes Fenster verpaßt, von dem aus er auch gespeichert werden kann. Er kann jetzt sogar wie jedes andere Bild bearbeitet, gefiltert, skaliert und per LUT-Diagramm z.B. nochmal farblich an das Zielbild angepaßt werden. Nach dem Öffnen des Zielbildes dragt man sich das Blockbild herĂŒber (vorher ‘Alles selektieren' und ‘Kopieren’). Es lĂ€ĂŸt sich pixelgenau unter Sichtkontrolle positionieren. Wenn im Zielbild eine dort vorhandene Maske beachtet werden soll, weil das EinfĂŒgebild an bestimmten Stellen nicht erwĂŒnscht ist, muß bei den Blockparametem ‘Maske beachten beim EinfĂŒgen’ aktiviert sein. Ein Klick auf ‘EinfĂŒgen’ - voilĂ , unser Sofa steht (Bild 22).

Bild 22: Noch fÀllt schwer, an eine perfekte optische Integration des frisch eingesetzten Bildteils zu glauben.

Ganz schön schon, aber doch recht unorganisch. Es fehlt einfach die subjektive optische Einbindung. Das liegt, wie schon erwĂ€hnt, an den scharfgeschnittenen Kanten mit ihren hĂ€ĂŸlichen Pixel-Treppenstufen (Bild 24) und an der völlig schattenfreien Aufstellung, die das Sofa einfach in der Luft schweben lĂ€ĂŸt. Hier ist Retusche vonnöten (Bild 23).

Bild 23: Wohldosiert aufgeweichte Kanten und natĂŒrlicher Schattenfall sind neben spektraler Anpassung und Vermeidung perspektivischer Fehler die wichtigsten Voraussetzungen fĂŒr eine ĂŒberzeugende Bildmontage.

Pixel-Schmirgler

Schauen wir uns andere bildeigene Kanten vergrĂ¶ĂŸert an: Überall dieser freundliche Anti-Aliasing-Effekt, der die unvermeidbaren Stufungen sanft auslaufen lĂ€ĂŸt und fĂŒr das Auge unsichtbar macht (Bild 25). Wie erzeugen wir sie bloß? Wieder haben wir drei Möglichkeiten:

  • Funktion GLÄTTEN
  • Funktion VERWASCHEN
  • Werkzeug SCHWAMM

Alle drei Hilfsmittel tun im Prinzip dasselbe: Sie verrechnen nebeneinanderliegende Pixel miteinander und geben ihnen Farb- und Helligkeitswerte, die die vorliegenden Unterschiede graduell nivellieren. Heraus kommt dabei zunĂ€chst ein angenehmer GlĂ€ttungseffekt, der die Pixel-Strukturen wirksam mildert. Wie stark, das lĂ€ĂŸt sich in 100(!) Abstufungen nach Bedarf einstellen. WĂ€hrend die Funktion GLÄTTEN dabei nur einander Ă€hnliche Werte bearbeitet und dadurch alle scharfen Konturen beibehĂ€lt und nicht auf-weicht, arbeitet die Funktion VERWASCHEN viel globaler und erzeugt sehr rasch betrĂ€chtliche UnschĂ€rfen, eben ein verwaschenes Bild. Trotzdem sind beide Funktionen dank der feinstufigen Dosierbarkeit ihrer WirkstĂ€rke zur Anti-Aliasing-Erzeugung hervorragend geeignet.

Das Werkzeug SCHWAMM arbeitet wie die Funktion ‘Verwaschen’ und ist mit seinen 100 Wirksamkeitsabstufungen ebenfalls fĂŒr die StufenglĂ€ttung prĂ€destiniert. Der Unterschied liegt in den Verfahren zur Lenkung und Eingrenzung der Aktion. Den ‘Schwamm’ können wir als Werkzeug in der Breite einstellen und auf einem Lineal entlanglaufen lassen, die Funktionen ‘GlĂ€tten’ und ‘Verwaschen’ mĂŒssen durch Masken auf die zu bearbeitenden ObjektrĂ€nder begrenzt werden.

Maskenkinder

Schon wieder eine Maske generieren? Ja, aber bitte automatisch! Wir gehen zurĂŒck zum Quellbild. Da liegt doch noch die Freischneidemaske vom Sofa (Hatten wir sie nicht auch abgespeichert?).

Was haben wir vorliegen? Eine schwarze FlĂ€chenmaske ĂŒber dem ganzen Bild, die genau das Sofa freilĂ€ĂŸt (Bild 21, ST 2/ 94, S. 115). Und was brauchen wir? Eine schwarze Maske ĂŒber das ganze Bild, die nur den Rand unseres Sofas in einer Breite von 4-6 Pixeln freilĂ€ĂŸt. Dieser schmale weiße Streifen soll dazu noch an seinen AußenrĂ€ndem weniger durchlĂ€ssig sein als in der Mitte, weil ja die Wirkung unseres ‘Verwaschfilters’ direkt auf dem Objektrand am stĂ€rksten sein und nach beiden Seiten rasch abnehmen soll, um die Retuscheaktion nicht durch abrupte ÜbergĂ€nge zu verraten (Bild 26).

Bilder 24: Nach dem Freischneiden und Übertragen ins Zielbild verraten harte Pixel-Treppen an schrĂ€gen Kanten die Bildmanipulation ...

Was tun? Wir mĂŒssen die Grenzlinie zwischen Schwarz und Weiß in einen 6 Pixel breiten Streifen umwandeln. Automatisch. Dazu holen wir uns die Maske allein in ein eigenes Fenster (‘Maske in neues Bild’). Masken sind in CHAGALL Halbtonbilder. Die nachfolgenden beiden Arbeitsschritte lassen sich aber nur an Monochrombildern durchfĂŒhren. Also: ‘SPEZIAL: Wandeln in Monochrom’. Dann: ‘FILTER: Umriß' anklicken - und siehe da; Eine 2 Pixel breite Linie anstelle der SAV-Grenze, genau 1 Pixel links, 1 Pixel rechts von dieser. Zweimal ‘FILTER: Verdicken’ drĂŒcken verbreitert das schmale Band jedesmal an beiden Seiten um je 1 Pixel, macht 6 Pixel. ‘SPEZIAL: Wandeln in Halbton’ macht wieder eine HT-Maske daraus. Die ganze Arbeit bestand aus gerade mal 6 Mausklicks!

Nach ‘Invertieren’ sehen wir einen klares weißes Band mit harten RĂ€ndern auf schwarzem Grund. 5mal lassen wir die Funktion ‘VERWASCHEN 100%’ auf dieses Band wirken. Resultat: Eine herrlich weiche Halbtonmaske, in der Mitte hell und damit fĂŒr Filteraktionen durchlĂ€ssig, zu beiden RĂ€ndern hin sich rasch verdichtend (Bild 27). Wir kopieren sie als Block, draggen sie auf das Zielbild mit dem eingesetztem Sofa, justieren sie pixelgenau auf Deckung mit dem Sofarand und klicken nach dem Umschalten in den Masken-modus(!) auf ‘EinfĂŒgen’. Die Maske sitzt. Vom ĂŒbrigen Bild durch einen Rahmen abgegrenzt, lassen wir im Zeichenmodus(!) die Funktion ‘GLÄTTEN 50%’ oder alternativ ‘VERWASCHEN 10%’ ĂŒber den Sofarand laufen. Resultat: Bild 23. Verschwunden sind die harten Treppenstufen, weg ist das FremdkörpergefĂŒhl beim Betrachten (ĂŒber die Schattenretusche reden wir weiter unten). Aufwand: 10 weitere Aktionsklicks und ein wenig Justiersorgfalt.

Wir haben diese Schritte so ausfĂŒhrlich beschrieben, um auch (Noch-)Nichtpraktiker etwas vom Komfort moderner Bild-bearbeitungs-Software spĂŒren zu lassen. Der Arbeitsaufwand bemißt sich in Sekunden oder wenigen Minuten. Und ich denke, daß auch eine Menge Grundlagenwissen fĂŒr EBV-Einsteiger dazwischengeflochten war. Zudem war die beschriebene Arbeit ein immer wieder ersetzbares Allroundrezept im Bereich der Montageretuschen. Aber beileibe nicht der einzige Weg zu diesem Ziel.

Bild 25:... doch die beschriebenen selektiven GlĂ€ttungsarbeiten fĂŒhren bald zu solchen freundlichen ObjektĂŒbergĂ€ngen.

Da war doch oben die Rede vom Werkzeug SCHWAMM, der auf einem Sofarandlineal reitend die gleiche Retuschearbeit ausfĂŒhren können sollte. Man braucht wieder eine gut sitzende BĂ©zier-Umrandung. Manchmal kann man die alte vom Freischneiden nochmal aktivieren (s. o.), falls man diese in einem StĂŒck gezogen und zwischendurch keine weiteren BĂ©ziers gestartet hatte. Den ‘SCHWAMM’ lĂ€ĂŸt man einmal mit 3, einmal mit 5 und einmal mit 7 Pixeln Breite, jeweils in 5-8% Deckung, um das Objekt laufen, und schon ist alles fein vermauschelt. Das sind natĂŒrlich nur Grundempfehlungen, die je nach Bildgegebenheiten in eigenen Versuchen variiert werden mĂŒssen.

Stempelbilder

Verfahren B: Und dann haben wir noch das elegante Stempel-Verfahren. Bekanntlich ĂŒbernehmen alle farbgebenden Werkzeuge beim Linksklick mit gleichzeitig gedrĂŒckter [ALT]-Taste den Teil des Bildes, der unter der dabei als Umrandung angezeigten WerkzeuggrĂ¶ĂŸe liegt. Beim nĂ€chsten Mausklick ‘stempeln’ sie diesen Bildausschnitt, wohin wir wollen, ins gleiche Fenster oder in jedes andere. Ein recht flottes Übertragungsverfahren, das selbstverstĂ€ndlich, falls aktiviert, auch die ‘Maske beachtet’, also sich auf das freigeschnittene Objekt beschrĂ€nkt.

Das funktioniert bis zu einer quadratischen AusschnittgrĂ¶ĂŸe von 255 x 255 Pixeln, eben der grĂ¶ĂŸten wĂ€hlbaren WerkzeuggrĂ¶ĂŸe - fĂŒr viele Montagearbeiten sicher ausreichend. Es empfiehlt sich folgender Arbeitsweg: Objekt genau wie oben mit Maske freischneiden. Dabei sowohl auf dem zu ĂŒbertragenden Bildausschnitt als auch deckungsgleich auf der Maske in der Mitte ein auffĂ€lliges Stör-Pixel als Passerpunkt einbauen. TuschestiftgrĂ¶ĂŸe so einstellen, daß bei der Übernahme, mit dem Mauspfeil auf dem Passerpunkt(!), alles GewĂŒnschte erfaßt wird ([ALT]+-[Mausklick links]). Den ĂŒbernommenen Bildausschnitt in geschĂ€tzter Position ins Zielbild ‘stempeln’ (Mausklick links). Genaue Positionierung nur ĂŒber laufendes Verlagern des Mauspfeils, Löschen des eingestempelten Bildes mittels UNDO-Taste und neues Einstempeln möglich. Das geht allerdings viel schneller, als es sich hier liest. Sehr prĂ€zises Einpassen, wenn der Mauspfeil mit den Tasten [ALT]+[SHIFT]+[Pfeiltaste] bewegt und der Mausklick durch [ALT]+[INSERT] ausgelöst wird.

Diesmal variieren wir die Anti-Aliasing-Technik. Wir wollen gleich eine Softkonturmaske zum ‘EinfĂŒgen’ verwenden. Also die Freischneidemaske als Block herauskopieren und aufs Desktop draggen. Sofort bekommt sie ein eigenes Fenster. Ein-bis höchstens zweimal ‘VERWASCHEN 100%’ drĂŒberlaufen lassen, dadurch bekommt sie einen weichen Randverlauf. Diese weiche Maske, mit der Mauspfeilspitze exakt auf dem Passerpunkt, als Stempel ĂŒbernehmen, im Zielbild im Maskenmodus(!) mit Mauspfeil auf Passerpunkt einstempeln. Es ist also kein erneutes schrittweises Einpassen mehr nötig.

Wir schalten in den Zeichenmodus. Das anfangs eingestempelte hartkonturierte Bild diente nur zur exakten Postionierung des Objektes und damit des Passerpunktes. Es wird jetzt ĂŒber UNDO entfernt. Statt dessen holen wir uns, wieder mit dem Mauspfeil exakt den Passerpunkt auf der Maske anzielend, noch einmal den Bild-ausschnitt aus dem Quellbild, diesmal mit nicht(ĂŒ) aktivierter ‘Maske aktiv’-Option. Dadurch ĂŒbernehmen wir jetzt den ganzen quadratischen Bildausschnitt mitsamt der Objektumgebung in den Stempel. Im Zielbild schalten wir ‘Maske aktiv’ wieder ein(!ĂŒ), positionieren den Mauspfeil exakt auf dem Passerpunkt der Maske, und klick - unser Sofa steht, wunderbar softgerandet, an seinem Platz. Die am Innenrand weich auslaufende Maske hat dafĂŒr gesorgt, daß das Objekt nicht nur konturgerecht beschnitten wird, sondern auch an den RĂ€ndern weich mit dem Umgrund verschmilzt und keine harten Treppenstufen mehr zeigt. Automatisches Anti-Aliasing.

Bild 26: Die verlaufende Halbtonmaske sorgt dafĂŒr, daß die Anti-Aliasing-Maßnahmen am stĂ€rksten mittig auf die kritische Objektkante wirken und sich daneben weich auslaufend verlieren.

Soft-UNDO

Dieses Verfahren kann nochmals variiert werden. Wieder justieren wir ‘per Stempel’ das ausgeschnittene Objekt in das Zielbild (dieser Schritt dient nur der exakten Positionierung des Passerpunktes). DarĂŒber stempeln wir jetzt gleich ohne Maske einen zweiten, ohne Freischneiden ĂŒbernommenen quadratischen Bildausschnitt unter Beachtung des Passerpunktes. Auch die Maske separieren wir wie oben, invertieren sie aber sofort, schĂŒtzen also jetzt das Sofa und nicht das Umfeld. Den Außenrand verwaschen wir wie oben und setzen dann die Maske mittels Passerpunkt exakt aufs Bild.

Jetzt dimensionieren wir das Werkzeug ‘Restaurierer’ auf eine GrĂ¶ĂŸe, die ĂŒber das ĂŒbernommene Bildquadrat hinausragt, stellen ihn auf 100% WirkstĂ€rke, wĂ€hlen ‘Maske aktiv’, setzen den Mauspfeil auf den Passerpunkt und klicken genau nur einmal. Der ‘Restaurierer’ bewirkt ein Löschen des eingesetzten Bildes, also ein Hervorholen des Grandbildes ĂŒberall dort, wo er wirken kann, und so stark, wie die Maske ihn durchlĂ€ĂŸt. Das heißt, im Verlaufteil der Maske wird seine Wirkung zum Objekt hin immer schwĂ€cher, was uns wieder einen schönen Übergang beschert. Sollte im Verlaufbereich der Maske noch zuviel vom Umfeld sichtbar sein, kann man durch ein zweites Mal ‘Restaurieren’ mit verringerter WirkstĂ€rke eine Optimierung versuchen. Andernfalls muß die Maske verĂ€ndert werden.

Detlef Gensel