Wer auf der CeBIT das neue Produkt von Technobox gesehen hatte, fragte sich natĂŒrlich sofort: Was wird aus CAD/1, dem ehemaligen Campus? Das neue CAD/2 ist ja ausschlieĂlich fĂŒr professionelle Anwender gedacht, wofĂŒr vor allem der Preis verantwortlich ist. Kann der normale ST-Lser also nicht mehr bei Technobox kaufen?
Um die Antwort sind die Mannen aus Bochum nicht verlegen: Technobox Drafter, so heiĂt das Produkt, das man dem interessierten Heimanwender bereithĂ€lt. Genaues Hinsehen verrĂ€t denn auch enge Verwandtschaft zum VorgĂ€ngerprodukt. Nichts Neues also? Ein wenig doch.
FĂŒr diejenigen, die die Namenspolitik des Hauses Technobox verwirrt, hier die Familiengeschichte: Ahn der CAD-Software aus Bochum ist das Programm âCampus CADâ, das es in den Versionen 1.0 bis 1.3 gab. Dann erfolgte aus rechtlichen GrĂŒnden eine Umbenennung in âTechnoCAD'. Der Name wich schnell der Bezeichnung âTechnobox CAD/1', mit dem der Kunde bis heute (CAD/2 ist noch nicht auf dem Markt) ein CAD-System erhĂ€lt, wie es professionellen AnsprĂŒchen gerecht wird. Komplette Symbolbibliotheken und Software-Schnittstellen machen es zum umfangreichen Produkt. Dieses Programm testeten wir in der Juni-Ausgabe letzten Jahres [1].
BegrĂŒĂung
Wenden wir uns nun dem Drafter (deutsch: Zeichner) zu und packen den hĂŒbschen Karton aus. Eine schön aufgemachte und liebevoll gestaltete Anleitung in zwei RingbĂŒchern begrĂŒĂt den stolzen Besitzer. Alles in dezentem Grau - geschmackvoll. Der Text weist AnfĂ€nger wie Fortgeschrittene in die hehren Weihen des Programms. Geduldig und prĂ€zise geht es dabei vor: man merkt, daĂ Erfahrung mit Anwendern in die Anleitung mit einflossen. Sicher wird auch derjenige schnell mit dem Programm umgehen können, der noch nie vor einem ATARI saĂ. FĂŒr meinen Geschmack könnte es etwas reicher illustriert sein, aber eine Wohltat sind die Register am Ende eines jeden Teiles.
Mit der Originaldiskette fĂ€llt eine der zweifelhaften Errungenschaften des Computerzeitalters aus dem Umschlag: ein Dongle. In den Joystickport eingesteckt, verhindert er die unerlaubte Benutzung des Programms. DaĂ man sich derartiger Mechanismen bedienen muĂ, wenn man mit Software Geld verdienen will, ist leider RealitĂ€t. Doch wenn das Programm, wie im Test geschehen, mitten in der Arbeit den Dongle nicht mehr erkennt und das Speichern verweigert, ist das mehr als Ă€rgerlich.
Die OberflĂ€che des Drafters ist ein wenig verĂ€ndert gegenĂŒber der des VorgĂ€ngers. Das Programm lĂ€uft jetzt komplett in einem GEM-Fenster, auch die Befehl-Icons befinden sich darin (siehe Bild I). Man braucht nicht mehr zwischen den Icon-Ebenen hin- und herzuschalten, es sind stĂ€ndig alle erreichbar. Das Fenster erlaubt den problemlosen Betrieb auf diversen Grafikkarten. Besonders interessant ist da die Farbgrafikkarte von MAXON, denn der Drafter beherrscht die Darstellung in 16 Farben. Das erleichtert die Arbeit natĂŒrlich ungemein, auch wenn die erforderlichen GerĂ€te kostenaufwendig sind.
Bild 1: Die ArbeitsoberflÀche Drafters
An die Arbeit
Die Arbeit mit dem Technobox Drafter gestaltet sich unproblematisch und ist stellenweise komfortabel. GegenĂŒber dem CAD/1 fĂ€llt die geringere Geschwindigkeit ins Auge. Das Fadenkreuz schleppt sich hinter der Mausbewegung her, wobei der Verlust sicher eine Folge der FlexibilitĂ€t in Punkto Bildschirm ist. Einige Befehle wurden weggespart, so z.B. das Kopieren und Bewegen einzelner Objekte, jetzt lĂ€Ăt sich dies nur noch mit Bereichen bewerkstelligen. Diese Verluste lassen sich aber verschmerzen.
Was dem Drafter völlig fehlt, sind die diskettenfĂŒllenden ZusĂ€tze wie Symbolbibliotheken. Die wird man sich erst einmal selbst erstellen mĂŒssen - lĂ€stig. Es fehlen ebenfalls die Software-Schnittstellen z.B. zum Einlesen von HPGL-Dateien oder zur Ausgabe im AutoCAD-Format DXF. Eine bequeme Möglichkeit, eigene MeĂwerte oder dergleichen grafisch darzustellen, bestand in der ASCII-Schnittstelle. Die Daten konnten als Textdatei eingelesen werden und es entstand daraus eine Zeichnung. Leider ist auch diese der Einsparung zum Opfer gefallen.
Ich habe das abgebildete Beispiel gezeichnet und dabei sind mir einige Dinge aufgefallen. WĂ€hrend Grundlegendes wie Wahl des Papierformats, des Rasters, der Zeichnungseinheiten, des MaĂstabes etc. routiniert gelöst sind und jedem Anwender gerecht werden dĂŒrften, gilt das fĂŒr andere Details nicht.
Beispiel: WĂ€hrend des Aufziehens einer Strecke (das heiĂt: Startpunkt ist bereits festgelegt, Endpunkt soll plaziert werden) ist es wichtig, stĂ€ndig ĂŒber momentane LĂ€nge, Winkel der Strecke sowie ĂŒber die Koordinaten des Endpunktes informiert zu werden. Der Drafter beschrĂ€nkt sich jedoch auf eine Anzeige lediglich der X- und Y- Verschiebung bezogen auf den Startpunkt. Hat man Anzeige von Polarkoordinaten gewĂ€hlt, dann sind es LĂ€nge und Winkel. Konsequenz: Vor dem Zeichnen der Strecke ĂŒberlegen, was man braucht und dies entsprechend einstellen. Doch solche Verrenkungen sind nicht Stand der Software-Technik.
Bild 2: Das externe Ausgabeprogramm
FĂŒr die Praxis
Lob verdient die Möglichkeit, wĂ€hrend des Zeichnens - beispielsweise vor dem Setzen des Endpunktes der Strecke - den Zeichnungsausschnitt zu wechseln. Auch andere Parameter wie Fangen oder das Raster können geĂ€ndert werden, ohne die Zeichnungsfunktion zu verlassen. Die Koordinateneingabe ist auch mittels Tastatur möglich. Fatalerweise hat das Handbuch an genau dieser Stelle einen Fehler und gibt ein falsches Beispiel, aber man hat ja Phantasie... Dabei brauchen fĂŒr eine Strecke z.B. nicht alle vier Koordinaten eingegeben zu werden, sondern sic lassen sich StĂŒck fĂŒr StĂŒck festlegen. Beispiel: Soll der Startpunkt bei X=0 liegen. gibt man âx0' ein. Seine Y Koordinate wird mit der Maus festgelegt. Die LĂ€nge der Strecke in Y-Richtung betrage 100. dann gibt man 'y100â ein, der Mausklick legt dann nur noch den X-Wert fest. Leider fehlt den Bochumern auch an dieser Stelle der Mut: Die Tastatureingabe z.B. auch von Winkeln oder LĂ€ngen wĂ€re ein groĂer Vorteil.
In die Tastatureingaben lassen sich auch MenĂŒbefehle aufnehmen, beispielsweise die Wahl von Linienart und Stift. Die Befehle lassen sich auf den Funktionstasten speichern und bilden damit Quasi-Makros. Quasi deshalb, weil die Zeichenbefehle wie Kreis, Strecke etc. keine TastenkĂŒrzel besitzen und folglich nicht 'programmiert' werden können.
Catch me
Eine der wichtigsten Funktionen bei jedem CAD-Programm ist die Fangfunktion. denn das oberste Gebot ist PrĂ€zision. Ist das Fangen aktiviert, sucht das Programm nach der Festlegung eines jeden Punktes zunĂ€chst in der Umgebung (GröĂe einstellbar), ob nicht vielleicht ein anderer, bereits gezeichneter Punkt existiert, der dann angesprungen wird. So beginnen dann mehrere Linien wirklich an einer Ecke. Hier macht der Drafter leider keine Unterscheidung zwischen der Art der zu suchenden Punkte: Er rĂ€umt zwar Endpunkten die höhere PrioritĂ€t ein, doch ist in extremen Situationen nicht vorauszusehen, welcher Punkt das sein wird.
Ein besonderes Lob wiederum verdienen die Trimmfunktionen. Besonders herausragend: Das Trimmen von Kreisen. Leider ist das Venrunden von Kreisen nicht möglich, was mich sehr gefreut hĂ€tte - zumal, wenn man sich die Beispielzeichnung ansieht. Mit Kreisen und Kreisbögen hat nun mal ein jedes CAD-Programm so seine Schwierigkeiten. Wie bei vielen anderen auch, lĂ€Ăt sich mit dem Drafter ein Kreisbogen nicht tangential an einen schon bestehenden anlegen. Dieses Ein passen von Radien, das manuell/intuitiv mit der Kurvenschablone kein Problem ist - es wird mit dem Rechner zur Qual. Und ungenau obendrein.
Bild 3: Draftergrafik als Metafile in Calamus importiert
Vollendet
Mit allen Zeichenfunktionen kommt man aber wunderbar und schnell zurecht man muĂ vorher eben nur bedenken, was sie zu leisten imstande sind. Das Zeichnen selbst ist jedoch oft nur die HĂ€lfte der Arbeit.
BemaĂen ist eine lĂ€stige und zeitaufwendige Angelegenheit. Hier glĂ€nzt der Technobox Drafter mit reichhaltigen Funktionen, die ĂŒberdies noch durch entsprechende Parameter variiert werden können. Die BemaĂung der Beispielzeichnung wareine Arbeit weniger Minuten und wirklich ein Kinderspiel. Viel Erfahrung steckt in diesem Teil des Draf-ters. Doch hat die Sache einen Haken: Das Programm geht davon aus, daĂ BemaĂung BemaĂung ist und höchstens wieder gelöscht werden kann. Die VerlĂ€ngerung beispielsweise der RadienbemaĂung bis hin zum Mittelpunkt ist unmöglich. Lediglich der Text kann geĂ€ndert werden. Auch sieht die DIN unterschiedliche Strichbreiten fĂŒr MaĂlinien und Text vor, was mit dem Drafter nicht realisierbar ist.
Ein Ă€hnliches Problem entstand mit der Schraffur: Das Programm war nicht davon zu ĂŒberzeugen, sie mit einem anderen als Stift 3 zu zeichnen. Immerhin kann man den Status âSchraffurâ auflösen und dann jeder einzelnen Linie den normgerechten Stift 1 zuordnen.
Einige Details machen Freude: Die helfende Undo-Funktion z.B. oder die Auto-Sichern-Funktion, die in einstellbaren AbstĂ€nden die Zeichnung speichert und dann hilft, wenn keiner mehr hilft. Symbole werden in einer Auswahl ĂŒber ihren Namen angesprochen. Alle Zeichnungsteile, die nicht auf der aktuellen Ebene liegen, können schattiert dargestellt werden. Wichtig fĂŒr GroĂbildschirme: Die Dialoge (nicht die Warnmeldungen!) erscheinen dort, wo sich die Maus gerade befindet. In einer INF-Datei werden Farbeinstellungen und Pfade sowie Funktionstastentexte gespeichert, leider nicht Parameter wie Auto-Sichern. Schraffurbreite, Rasterabstand etc. Diese werden auch nicht mit den Zeichnungen gespeichert, mĂŒssen also jedes Mal wieder neu eingestellt werden. Nach jedem Befehl: âZeichnung ganz darstellen' hat das Fenster wieder die Proportionen der ZeichenflĂ€che. Danach ist also ein Klick in die rechte obere Ecke FĂ€llig...
Ausgabe
Das Ausgabekonzept des Drafters ist identisch mit dem von CAD/1 bekannten. Ein externes Ausgabeprogramm verarbeitet spezielle PLT-Dateien, die das Programm anlegt. Das Druckprogramm wiederum bedient sich verschiedener Treiber, um die GerÀte anzusprechen: Nadeldrucker, Laserdrucker, ATARI-Laser, PostScript und Plotter. Dabei sind verschiedene GerÀtetypen individuell anzupassen. Besonders die Plotter-Anpassung bietet Möglichkeiten, auch das exotischste GerÀt anzupassen. Das Programm selbst hat eine neue OberflÀche bekommen und ist nun komfortabel zu bedienen (siehe Bild 2). Leider besteht auf 24-Nadlern nur die Möglichkeit, in 180 mal 180 DPI auszugeben, also bei vielen GerÀten nur der halben maximalen QualitÀt.
Das lĂ€Ăt sich aber mit einem Trick umgehen: Man exportiert die Zeichnung oder einen Teil daraus im GEM-Metafile-Format. DafĂŒr gibt es wiederum ein Zusatzprogramm. das - wie das Druckprogramm auch - direkt aus dem Hauptprogramm aufgerufen werden kann. Das entstandene Metafile importiert man in Calamus, was problemlos vonstatten geht und auf komfortable Art und Weise die Kombination von Text und Zeichnung ermöglicht (siehe Bild 3). Dieses Dokument wird anschlieĂend mit Calamus gedruckt und dann hat die Zeichnung die höchste QualitĂ€t. Doch GEM-bedingt leiden die Linientypen wie Strich-Punkt etc. darunter, denn die AbstĂ€nde werden viel zu gering.
Bild 4: Perspektivisches Fadenkreuz und Raster
Perspektive oder nicht
Einer der wichtigsten ZusĂ€tze am Technobox Drafter ist das âPerspektivenmodus". Darunter verbergen sich Hilfsmittel zur Erstellung sog. axionometrischer Darstellungen. Das sind rĂ€umliche Darstellungen. die aber keinen Fluchtpunkt besitzen, sondern bei denen alle nach hinten laufenden Linien zueinander parallel sind, was die Arbeit sehr erleichtert. Dazu zĂ€hlen die iso- und die dimetrische Darstellung wie die Kavaliersperspektive. Beim Drafter lassen sich die Winkel der X- und Y-Achse ebenfalls einstellen.
Unter dem Modul verbergen sich zwei Dinge: Zum einen bekommt das Fadenkreuz drei FĂ€den in Richtung der drei Achsen, zum andern verwandelt sich das Raster entsprechend (siehe Bild 4). Wer nun gedacht hat, die Koordinatenanzeige wĂŒrde zur Anzeige in drei Achsen ĂŒbergehen, statt Rechtecken wĂŒrden Parallelogramme entstehen oder der Drafter wĂŒrde Ansichten automatisch scheren, der wird enttĂ€uscht sein. Das wĂ€re zuviel verlangt von einem Programm dieser Preisklasse.
Aber einen Nebeneffekt hat dieser Programmteil doch gebracht: Der Drafter hat nun Ellipsen. Denn projizierte Kreise sind nun mal Ellipsen und die mĂŒssen ja jetzt dargestellt werden können. Leider zerfĂ€llt die Ellipse, nachdem sie gezeichnet wurde, in die Kreisbögen, durch die die Software sie intern darstellt. Eine Ellipse ist also nur in vielen kleinen Teilen wieder zu löschen.
Das Ende
FĂŒr wen ist der Drafter gedacht? Die Leute von Technobox wollen sich damit ihr Standbein auf dem klassischen ATARI-Markt erhalten. Doch mit 798.- DM ist ihr Programm nicht in der niedrigsten Preisklasse, wenngleich so etwas auf anderen Systemen mit Sicherheit weit teurer wĂ€re. Auf dem ST aber muĂ es dem Vergleich mit anderen Produkten fĂŒr diesen Preis standhalten. Das sind vor allem CADjA und CAD project. Laut Technobox wurde am Drafter alles das weggelassen, was nur der professionelle Zeichner benötigt, z.B. die StĂŒcklistenerstellung. Es soll mit ihm ein reines Zeichenprogramm angeboten werden, keine CAD-Software. Die Abspeckungskur, der CAD/1 unterzogen wurde, ist nicht ĂŒberall von Vorteil. NatĂŒrlich will man sich mit dem Drafter in Bochum nicht das eigene Wasser abgraben: Das demnĂ€chst erscheinende CAD/2 soll ja echte Vorteile bieten.
Vorteile des Drafters liegen auch in seiner geringen Hardware-Anforderung. Ein 1040er und 1 MB Speicher, das reicht ihm. Er lĂ€uft auch tapfer mit nur einem Diskettenlaufwerk. Wer fĂŒr Darstellungen im Rohrleitungsbau oder in der Architektur auf Zeichenhilfen wie sie das Perspektivenmodul bietet, angewiesen ist und wem diese reichen, der wird mit dem Drafter sein Programm gefunden haben. Bei allen anderen Anwendungen bietet sich mit dem Produkt von Technobox ein solides und funktionables Werkzeug, um Zeichnungen zu Papier zu bringen. Ich persönlich vermisse die Ausstattung, die das Technobox CAD/1 bietet.
Literatur
[1] CAD Workstation ST, ST-Computer 6/89 S. 16 ff.
Bild 5: Drafter lÀuft auch mit der MAXON Gtrafikkarte zusammen.