Wie der Spruch "Kleider machen Leute" fĂŒr die PrĂ€sentation von Menschen gilt, so Ă€hnlich kann es auch wichtig sein, statistisches Zahlenmaterial gut aussehen zu lassen. Dann gibt es noch den Spruch âEin Bild sagt mehr als tausend Worteâ (der scheint eingerahmt ĂŒber dem Bett vieler Zeitschriftenautoren zu hĂ€ngen), will heiĂen, daĂ nichts aussagekrĂ€ftiger ist als das augenscheinliche Bild höchstselbst. Und um das MaĂ voll zu machen, gleich noch ein dritter Spruch (alte chin. Weisheit): âDas gute ĂuĂere ist das erste, was man sieht, und was man zuerst sieht, das entscheidet ĂŒber Erfolg oder MiĂerfolgâ (soll Konfuzius 551 bis 470 v. Chr. irgendwann einmal gesagt haben).
Eingedenk dieser gewichtigen Worte möchten wir uns vor Augen halten, welch ein âNebenproduktâ oder âMitlĂ€uferâ die gerade anrollende Desktop-Publishing-Welle mit sich bringt: Presentation Graphics.
Den Anfang machten ursprĂŒnglich die Tabellenkalkulationsprogramme, mit denen bekanntermaĂen vornehmlich (mathematische) Rechenarbeit erledigt werden soll. Irgendwann einmal hat die Programmiererschar gemerkt, daĂ es doch auch sehr praktisch wĂ€re, die errechneten Zahlen grafisch darstellen zu können. Prompt wurden einige (spĂ€rliche) Grafikfunktionen eingebaut. Nun, um ehrlich zu sein, ĂŒbermĂ€Ăig berauschend waren diese Bilder nie. Es handelte sich um die Tabellenprogramme mit Spar-Grafikteil. Andererseits gab es auch immer reichlich Grafikprogramme. Aber Zahlen eingeben und daraus Bilder konstruieren lassen: leider Fehlanzeige. Mit âprĂ€sentablenâ Grafiken hatte das alles nicht sehr viel zu tun. Seit der besagten DTP-Welle haben sich das Aussehen und die Möglichkeiten der Programme aber ganz gewaltig geĂ€ndert.
Was sind denn nun âPresentation Graphicsâ?
Einen Strich ziehen zwischen zwei Punkten, das dĂŒrfte mit jedem handelsĂŒblichen Grafikprogramm leicht möglich sein. Auch komfortable Funktionen wie das FĂŒllen mit Mustern, Ausschneiden und Kopieren, Einbauen von Text oder gar Dehnen und Strecken, das alles bietet die Palette der Grafik-Software. Nur wer einmal versucht hat, eine ansprechende Liniengrafik nebst Skala und Legende mit einem normalen Grafik-Editor hinzukriegen, der weiĂ, wie schwer (und langwierig) das sein kann. Positionen manuell ermitteln, Linienziehen von Hand, jede Schrift einzeln plazieren? Nein danke!
Das alles kann doch keine âPresentation Graphicsâ sein und wird es wohl auch nicht werden. Man stelle sich vor, in einem GeschĂ€ftsbericht sollen der Umsatzverlauf, der Personalbestand und (logisch) der Gewinn nach Steuern möglichst gut aussehen. Oder: FĂŒr einen Werbeprospekt soll der Erfolg einer Kapitalanlage möglichst ĂŒbersichtlich dargestellt werden. Welches Grafikprogramm erlaubt uns, schnell und gut solche Bilder zu produzieren? Was bleibt zwischen den Kalkulationen und Grafiken? Hier schlieĂt sich der Kreis: Das, was die Tabelle nur sehr dĂŒrftig kann, und was bei den Grafik-Editoren ewig lange von Hand âgebasteltâ werden muĂ - SciGraph (sprich: Sei-Graf) aus dem Hause SciLab GmbH ist angetreten, diese LĂŒcke zu fĂŒllen. SciGraph will nicht in erster Linie ein tabellenĂ€hnliches Programm sein, denn mathematische Rechenaufgaben lösen kann es (noch) nicht. Es will vielmehr eine Palette an Darstellungsarten bieten, mit denen Zahlen grafisch prĂ€sentiert werden können.
Bild 1 und 2: Die MenĂŒauswahl von SciGraph
Bild 3: Diese Darstellungsarten stehen fĂŒr ein Grafikfenster zur VerfĂŒgung.
Bild 4: Dies ist ein Editor-Fenster fĂŒr die Dateneingabe.
Der Zahlen-Editor
Ausgangspunkt der Arbeit ist das Editorfenster. Entweder es werden Daten aus anderen Programmen, z.B. einer Tabellenkalkulation oder einer Textverarbeitung (in ASCII) importiert, oder man gibt sie per Tastatur in ein leeres Editornetz ein. Dieses Gitternetz besteht wie bei der Tabellenkalkulation aus Zeilen und Spalten (und wird auch genauso genannt). ZusĂ€tzlich sollen jetzt Skalenbeschriftungen (Legenden) in vertikaler Richtung (z.B. Ausgabenposten wie Miete, Auto, Essen usw.) und horizontal, beispielsweise Monatsnamen, eingetragen werden. Hier weicht SciGraph etwas vom Tabellenprinzip ab und reserviert dafĂŒr eine Spalte â0" und eine Zeile â0â. Es sind zwei Editorfenster mit maximal 9999 Zeilen und 255 Spalten möglich.
Wenn sich alle Daten im Editor befinden, muĂ ein weiterer Schritt getan werden: das Selektieren der Spalten. Damit legt man fest, aus welchen Zahlenreihen die Grafik spĂ€ter entstehen soll. Automatisch werden Spalten (also Zahlen untereinander) einer spĂ€teren y-Skala und die Zeilenwerte einer x-Skala zugeordnet. Diese Angaben erscheinen auch im Editorfenster. NachtrĂ€glich können einzelne Werte wie in einem Textverarbeitungsprogramm verĂ€ndert oder auch durch Deselektieren wieder ausgeblendet werden. Selektierte (gewĂ€hlte) Felder sind schwarz unterlegt, nicht ausgewĂ€hlte weiĂ. Es sind auch Löschen ganzer Zeilen und Spalten sowie das NeueinfĂŒgen machbar, sogar Ausschneiden, Kopieren und Verschieben einzelner Felder ist ĂŒber das EDIT-MenĂŒ möglich.
Der Grafik-Editor
Weitaus reichlicher sind die Funktionen im Grafikfenster. Dahinter verbirgt sich ein Editor fĂŒr Vektorgrafik. Der Werkzeugkasten ist links im Bild eine schmale Leiste mit winzigen (fĂŒr meine Begriffe etwas zu winzigen) Symbolen. Die Hand ist der Knopf fĂŒr das AuswĂ€hlen der Grafikelemente. Um jedes Grafikelement existiert (zunĂ€chst unsichtbar) ein Rahmen, den man mit dem Zeigefinger sichtbar machen kann. Jetzt sind auch die 8 Eckpunkte des Rahmens sichtbar, an denen mit dem Zeigefinger angesetzt wird, um den Rahmen zu ziehen, dehnen, strecken oder zu verschieben (Ăhnlichkeiten mit CALAMUS sind rein zufĂ€llig). Auch ein Spiegeln horizontal oder vertikal wĂ€re möglich, wenn man beispielsweise den linken Rand ĂŒber den rechten hinaus zieht. Als zweites findet man die Lupe. Auch diese Praxis ist wohlbekannt unter ATARI-Anwendern. In einer existierenden Grafik einfach ein Lasso mit der Maus ziehen - und schon entsteht dieser Teilausschnitt vergröĂert im komplettgroĂen Grafikfenster.
Es folgen danach einfachere Grafikwerkzeuge wie Linien, Rechtecke, Parallelogramm, Ellipse sowie Polygonzug mit bis zu 128 Eckpunkten. Auch das EinfĂŒgen von Text ist machbar sowie das Ăndern bestehender Textzeilen, wenn sie mit dem Zeigefinger vorher selektiert wurden. Sogar tastaturunĂŒbliche Sonderzeichen sind erreichbar (Ă€hnlich WORDPLUS).
SciGraph verbindet die automatische Erstellung von PrÀsentationsgrafik mit einem vollstÀndigen Vektorgrafik-Editor.
Bei der VerĂ€nderung von Grafiken ist die Reihenfolge des Abarbeitens von Bedeutung. Die Routinen zur Erzeugung der Basisgrafik werden nicht von den Ănderungen der Attribute betroffen. Wird eine Basisgrafik neu aufgebaut, so sind alle zwischenzeitlichen Ănderungen verworfen. Mit den Zeichenwerkzeugen erstellte Bilder bleiben allerdings davon unberĂŒhrt. Also muĂ man zuerst die sogenannte Basisgrafik entwerfen, dann folgt die freie Ausgestaltung mit Raster, Farbe. Linientyp usw. Zwischenkopien der verĂ€nderten Grafik können in drei weitere Grafikfenster gelegt werden.
Ein Wort zur Bildschirmgeschwindigkeit: Die vektororientierte Grafik bringt es mit sich, daĂ nur als verĂ€ndert erkannte Bildteile in SciGraph neu aufgebaut werden. es erfolgt also kein vollstĂ€ndiges Screen-Redraw (d.h. kompletten Bildschirm neu zeichnen). Hier macht sich die Ăberlegenheit der Vektor- gegenĂŒber der Pixelgrafik deutlich bemerkbar.
Gruppentheorie
Alle Grafiksequenzen (also zusammengehörige Zahlen einer Editorspalte oder auch Beschriftungen) sind Elemente der Gesamtgrafik. Jedes Element besitzt einen eigenen Rahmen, der auch unabhĂ€ngig verĂ€ndert werden kann (siehe oben). Alle zusammengehörigen Elemente nennt man dann eine Gruppe, diese wiederum können als Untergruppe zur nĂ€chstgröĂeren Grafik gehören. Wichtig wird diese hierarchische Rangordnung bei der Auswahl weiterer Manipulationen. So lassen sich Gruppen, Untergruppen oder auch Einzelelemente weiter global verĂ€ndern.
Ein Beispiel: Sie haben eine durchsichtige dreidimensionale FlĂ€che aus den Basisgrafiken zeichnen lassen. Diese stellt den Sauerstoffgehalt der Luft in einer Region dar. Sie könnten mit den Zeichenwerkzeugen nun FluĂlĂ€ufe, StraĂen und Ortschaften zeichnen und diese als Gruppe zusammenfassen. Wenn Ihre Karte stimmt, legen Sie sie unter die FlĂ€chengrafik. Mit relativ geringem Aufwand können Sie so mit dem Gruppenkonzept eine anschauliche Grafik erstellen. Eine Arbeit mit Einzelobjekten könnte zu einen Geduldspiel ausarten.
Durch diese Gruppentheorie ist auch ein durchgĂ€ngiges Arbeiten mit den vier Grafikfenstern kombiniert sehr leicht realisierbar. Alle selektierten Gruppen kann man so auf andere Fenster durchreichen, und wenn zusĂ€tzlich ein Hilfsraster (Fangraster) eingeschaltet ist, wĂ€ren diese Gruppen sogar im anderen Fenster an exakt derselben Stelle plazierbar. Durch das Transparentschalten einzelner Gruppenelemente sind sogar MehrfachĂŒberlagerungen in einem Bild möglich.
Bild 5: Ein Grafikfenster, in dem eine 3D-SĂ€ulengrafik entstand.
Bild 6: Jeder Grafikteil (entsprechend einer Spalte im Editor) entsteht in einem Rahmen, hier sind sie auseinandergezogen.
Bild 7: Eine Hilfetafel wurde eingeblendet. Sie bezieht sich immer auf eine vorher ausgewÀhlte Funktion.
Bild 8: Zusammenstellung von Gestaltungs-Optionen
Angenehm ist, daĂ viel Arbeit ohne die Pull-Down-MenĂŒs auskommt. Dort sind nĂ€mlich nur die grundlegenden Funktionen und Auswahlpunkte untergebracht.
Datei steuert hauptsĂ€chlich den Zugriff auf Externspeicher und Druckprogramm. Edit ist vornehmlich fĂŒr das Grafikfenster zustĂ€ndig und bietet Manipulationsmöglichkeiten fĂŒr ausgewĂ€hlte Grafikelemente oder Gruppen. Bei Seite wird die DarstellungsgröĂe auf dem Bildschirm bzw. einem projizierten Blatt Papier festgelegt. Auch ZusĂ€tze fĂŒr das Grafikfenster wie Raster, Lineal und Einteilung wĂ€ren hier einschaltbar. Das Lage-MenĂŒ bestimmt die Position im Fenster bzw. auf dem Ausdruck. Hinter Graph findet man die reichhaltigen Darstellungsarten, wobei man unter 28 verschiedenen wĂ€hlen kann. Unter Attribute werden Einstellungen wie Textart und -gröĂe, Linienart und -stĂ€rke, FĂŒllmuster, Linienmarkierer und Farbwahl gefĂŒhrt.
Wer braucht denn nun SciGraph?
Die âPresentation Graphicsâ kennt zwei hauptsĂ€chliche Nutzerkreise: 1. den wissenschaftlich/technischen (Instituts-) und 2. den kaufmĂ€nnisch/verwalterischen (Business-) Bereich. Wissenschaftlich TĂ€tige werden immer bemĂŒht sein, ihre Werke (besonders die hoch mathematischen) durch viele anschauliche Grafiken plausibel zu machen (âEin Bild sagt mehr ...â) und besonders dort, wo viel Zahlenmaterial anfĂ€llt (Statistik). Der Business-Bereich wird nicht so sehr die Menge an Daten interessieren, sondern die Darstellbarkeit, und dann selbstverstĂ€ndlich sollen es Ă€sthetisch-schöne Bilder sein (âKleider machen Leuteâ).
SciGraph ist ein vielseitiges Programm zur Erstellung reprĂ€sentativer Grafik. Wenn auch die Möglichkeiten im Zahlen-Editor recht sparsam sind (ich hĂ€tte mir mehr in Richtung Tabellenkalkulation gewĂŒnscht), so stellt der Vektorgrafik-Editor voll zufrieden. Besonders im Hinblick auf die Bildschirmgeschwindigkeit ist an SciGraph nichts auszusetzen. Die Ausbeute an den Drucker kann sich sehen lassen. Das Handbuch ist mit vielen Bildern bestĂŒckt, aber ein paar Seiten mit einigen Beispielen mehr hĂ€tten es durchaus sein können. SciGraph kostet 599.-DM.
DK
Bezugsquelle:
SciLab GmbH IsestraĂe 57 2000 Hamburg 15