Ein alter Hase des âParkettsâ soll auf die Frage, was er von technischer Analyse halte, wie folgt geantwortet haben: âTechnische Analyse wurde durch Computer erst breitgetreten. Aber Computer sind nur in einer Form wirklich zu gebrauchen: als Aktie!â
Eingefleischte âFundamentalisten- (also all jene, die sich um Kursgrafik, Linien und Balken keinen Deut scheren) werden wohl immer eine Art Kaffeesatzlesen in der Chartanalytik sehen. Als Fortsetzung der kleinen Reihe ĂŒber Chart-Analyseprogramme fĂŒr den ATARI ST soll im folgenden âCW-CHARTâ nĂ€her beschrieben werden.
Vor knapp einem halben Jahr hat das Software-Haus FOXWARE in Lenggries die Version 7.0 von CW-CHART fertiggestellt, welche uns zu diesem Test auch zur VerfĂŒgung stand. Die relativ hohe Versionsnummer lĂ€Ăt darauf schlieĂen, daĂ das Programm einen langen EntwicklungsprozeĂ durchlaufen hat. Mal sehen, was dieses in der Scene doch recht bekannte Programm an Feinheiten zu bieten hat.
Um es gleich vorwegzunehmen - ohne Festplatte sollten Sie erst gar nicht beginnen, denn 1. sind die gelieferten drei Disketten (je nach Zusammenstellung) proppenvoll mit Dateien, und 2. wurden alle Verzeichnisnamen und Pfade fĂŒr den Festplattenbetrieb (und dort nur auf Partition âDâ) im Programm-Code voreingestellt. AuĂerdem: Wenn Ihr ATARI weniger als 1 MByte Arbeitsspeicher aufweist, funktioniert CW-CHART leider auch nicht, gleiches gilt fĂŒr einen Farbmonitor.
Es ist wirklich zu empfehlen, sich per Handbuch erst einmal einen Ăberblick von CW-CHART zu verschaffen, denn es besteht aus vier eigenstĂ€ndigen Programmen: 1. CHART, 2. DEPOT, 3. BTX und 4. TIMER. Wenn auch unser Hauptaugenmerk auf die Möglichkeiten der Analyse gerichtet bleiben soll, darf die Depotverwaltung nicht unerwĂ€hnt bleiben. Wie schon in frĂŒheren Berichten hervorgehoben wurde, bietet sich die âNebenbei"-Verwaltung eigener Aktien durch ein Analyseprogramm geradezu an. Zu den Modulen âCW-BTXâ und âCW-TI-MER" spĂ€ter mehr.
Im Lieferumfang war auch ein kleines graues KĂ€stchen, das als Kopierschutzstecker (engl. âDongleâ) fungiert. Ich möchte meine ausfĂŒhrlichen Bemerkungen zu KopierschutzmaĂnahmen dieser Art nicht noch einmal wiederholen. Es sei mir hier lediglich die kurze Bemerkung erlaubt, daĂ ich fĂŒr CW-CHART diese Art einer âRaubkopiererbremseâ trotzdem fĂŒr gerechtfertigt halte. Nun gut, wenn der âDongle" schlieĂlich im ROM-Port und alle Dateien auf Partition D Aufnahme gefunden haben, steht der Arbeit nichts mehr im Wege.
Der Eröffnungsbildschirm zeigt oben die ĂŒbliche MenĂŒleiste und am unteren Bildrand zwei Leisten fĂŒrdie Funktionstasten. Unter den Pull-Down-MenĂŒs verbergen sich (auf dieser Programmebene) zahlreiche Verwaltungsaufgaben wie Kurseingabe, Aktien anlegen, Listen ausgeben usw. Es wĂŒrde den Rahmen dieser Berichtserstattung sprengen, wenn all diese Feinheiten ErwĂ€hnung finden sollten. FĂŒr mein GefĂŒhl sind die Verwaltungs-Pull-Downs wirklich ein wenig reichlich mit âTĂ€tigkeitenâ angefĂŒllt, da hĂ€tte es doch sicher eine geschicktere Lösung gegeben.
Irgendwoher mĂŒssen die Basisdaten fĂŒr unsere spĂ€tere Grafik ja kommen, und dazu bietet CW-CHART gleich zwei Wege an: 1. den bequemen ĂŒber die âAutomatik" per Bildschirmtext (BTX) oder 2. den mĂŒhsamen per Handeingabe. Nehmen wir der Einfachheit halber an. alle wichtigen Kurse lĂ€gen schon (elektronisch) vor; mit dem MenĂŒpunkt âGrafik" kommen wir dann zum eigentlichen Mittelpunkt des Interesses:
Bild 2: Im Analyseteil: Reichliche Auswahl zur Charterstellung
Die Chart-Palette
Jetzt wird die StĂ€rke von CW-CHART richtig deutlich: In den MenĂŒpunkten âCharts 1 â und âCharts 2" sind sage und schreibe 33 verschiedene grafische Darstellungsarten untergebracht - das ist eine wahre Fundgrube fĂŒr den Analytiker! So begegnen uns dort Begriffe (die in dem Grundlagenartikel von Heft 2/90 nĂ€her beschrieben wurden) wie Linie. Balken. Momentum. Point & Figure, High/Low. Aber auch eine Vielzahl von Tabellen ist hier zu finden.
Wenn die Entscheidung fĂŒr eine Darstellungsart gefallen ist, z.B. Linien-Chart, erscheinen verschiedene Fragen fĂŒr zusĂ€tzliche Parameter. Da CW-CHART mehrere Aktien in ein Bild projizieren kann, gilt die erste Frage der Anzahl der Aktien. Dann folgt der Name des Papiers (d.h. der Firma) oder dessen Kennummer. Per Maustaste kann man sogar in eine Liste wechseln und dort die Namen aussuchen. Auch der Start- und Endtag der Berechnung ist frei wĂ€hlbar. Es schlieĂt sich eine Frage nach der Anzahl von Tagen an, ĂŒber die gewichtet bzw. gemittelt werden soll. Als letzte Einstellung kommt die Frage nach dem Darstellungszeitraum. Diese Parameterzusammenstellung verlĂ€uft in zwei MenĂŒleisten am oberen Bildrand, wobei in der obersten immer die momentan erlaubten Möglichkeiten aufgefĂŒhrt sind. Nachdem das Chart-Bild erscheint, sind weitere Manipulationen machbar, wie Kommentare anfĂŒgen oder Formationen einzeichnen, z.B. Bogen, Trendkanal, Dreieck oder Viereck. Wirklich von Bedeu-tung sind die automatischen Kauf- oder Verkaufssignale, die CW-CHART beispielsweise in die TBI-, P&F- oder Parabolic-Tabelle setzt.
Bild 3: Auch mehrere verschiedenartige Chartbilder sind auf einem Bildschirm darstellbar.
Von Editoren und Windows
Nicht nur zu jedem neuen Chart werden diverse lokale Parameter abgefragt (d.h. nur fĂŒr den folgenden Chart gĂŒltig - siehe vorhergehender Absatz), auch fĂŒr allgemeinere VorgĂ€nge sind (globale) Ănderungen möglich. Diese betreffen dann alle weiteren Arbeiten.
Im âModuseditorâ legt man unter anderem die Art der Skalierung (linear oder Iogarithmisch), die Berechnung der Skala (automatisch oder manuell), das Linienmuster und die Rasterung fest.
Der âFonteditorâ bestimmt vornehmlich GröĂe und Typ der Textzeichen. Wenn ich ehrlich sein soll, geht die Definition fĂŒr âEditorâ (Schreibprogramm) etwas ĂŒber das hinaus, was CW-CHART hierunter versteht, nĂ€mlich lediglich Auswahlfenster (aber was sollâs?).
Ein höchst interessanter Punkt ist die âBildlageâ. Damit kann die zu erstellende Grafik in einer frei wĂ€hlbaren GröĂe auf dem Bildschirm positioniert werden. Da wir gerade bei der Bildschirmwiedergabe sind: CW-CHART arbeitet auf sechs verschiedenen Bildebenen bzw. Fenstern (engl. âWindowsâ), diealle auf einmal am Bildschirm sichtbar sein können, und fĂŒr jedes ist die Bildlage unabhĂ€ngig wĂ€hlbar. Windows können einzeln gelöscht und sogar invertiert dargestellt werden.
Ăber den MenĂŒpunkt âKonstantenâ gelangt man in zwei Listen mit 39 EinstellgröĂen, die ebenfalls EinfluĂ auf Darstellungen nehmen, Ă€hnlich den sogenannten âEditorenâ. Lassen Sie mich beispielhaft nur ein paar nennen: Umkehrfaktor fĂŒr Point&Figure, Chart-Breite in Tagen, Reihenfolge der Kurseingabe (Tag fĂŒr Tag oder Aktie fĂŒr Aktie), Kopfinformation in Chart einblenden usw.
Alles was man auf dem Bildschirm hat, möchte man natĂŒrlich irgendwann irgendwie festhalten - sprich abspeichern. Auch hier zeigt sich CW-CHART sehr kooperativ. Es stellt uns vier Bildschirmpuffer (engl. âBufferâ) zur VerfĂŒgung, in die aus dem aktuellen Window zwischengespeichert, oder aus denen in das aktuelle Window geschrieben werden kann. Das âSchreibenâ sollte man aber wörtlich nehmen, es ist nĂ€mlich ein âĂberschreibenâ. Erst durch den weiteren Befehl âBild -> Diskâ landet der Inhalt eines Buffers oder Windows auf dem Externspeichermedium. DaĂ auch Ausschnitte entsprechend behandelt werden können, bedarf fast kaum noch der ErwĂ€hnung.
Eine Besonderheit ist die âPackâ-Funk-tion. Damit lassen sich verschiedene Aktien der gleichen Branche zur Berechnung eines eigenen Indexes verknĂŒpfen. Damit lĂ€Ăt sich dieser Spezialindex (wenn z.B. nur Chemieaktien in die âPackâ-Datei kamen, dann wĂ€re das ein individueller Chemieindex) hervorragend mit einem allgemeinen Umsatzindex (z.B. âDAX-â oder âFAZ-Indexâ) vergleichen.
CW-CHART ist sehr vielseitig und (zugegeben) an einigen wenigen Stellen etwas kompliziert. Macht aber gar nichts - denn: umfangreiche Befehlsabfolgen oder spezielle Einstellungen legt man einfach auf die 20 Funktionstasten (Fl 1 bis F20 per SHIFT erreichbar). Die Belegung der Funktionstasten kann ĂŒber zwei Wege stattfinden: entweder durch direktes Schreiben (wirklich wie eine Programmiersprache) oder im Lemmodus, wo die Abfolge der Anweisungen per Tastatur und MenĂŒanwahl âvorgefĂŒhrtâ werden muĂ.
Bild 4: Sehr anschaulich ist der direkte Vergleich von (hier 4) Firmen der selben Branche.
BTX und TIMER
Es dĂŒrfte einleuchtend sein, daĂ bei einer einigermaĂen sinnvollen BeschĂ€ftigung mit der Chart-Analyse ein Markt möglichst breit beobachtet werden muĂ. Das bedeutet, daĂ ich nicht nur meine eigenen Papiere, sondern die âBranchenverwandtschaftâ ebenso wie SchlĂŒsselindustrie und Indikatoren im Auge behalten soll. Damit der Ăberblick gewahrt bleibt, geht CW-CHART den Weg der Informationsbeschaffung per Bildschirmtexl (Abk.: BTX). BTX hat den Riesenvorteil, daĂ es bei vergleichsweise niedrigen Kosten (DM 8,- monatliche GrundgebĂŒhr fĂŒr ein Postmodem) bundesweit zum Ortstarif abrufbar ist. Und zudem bieten alle GroĂbanken und Sparkassen zuverlĂ€ssig tĂ€gliche Kursnotierungen kostenlos an.
FĂŒr die Arbeit mit Bildschirmtext liegt ein Zusatzmodul namens âCW-BTXâ bereit, das die Kursdaten aus den Angeboten der Kreditwirtschaft herausliest. Als Kommunikations-Software zwischen CW-BTX und dem Bildschirmtextsystem der POST fungiert das bekannte BTX-Programm âBTX-Managerâ aus dem Hause Dieter Drews, Heidelberg.
Ein anderes Kommunikationsmodul (âHBL-BTXâ und âHBL-TERâ) gibt es eigens fĂŒr Verbindungen zu dem Brokerhaus âHornblower Fischerâ ĂŒber BTX. BrokerhĂ€user bieten Kurse meistens nur in einer geschlossenen Benutzergruppe kostenpflichtig an, dann allerdings extrem schnell und mit vielen Zusatzinformationen. Mit jenen Anbietern muĂ fĂŒr diesen Zweck ein Vertrag abgeschlossen werden.
Das Zeitsteuermodul âCW-TIMER" ist fĂŒr jenen Fall vorgesehen, wenn die Kursabfrage per BTX unbeaufsichtigt (also vollautomatisch), auch tĂ€glich wiederkehrend, ablaufen soll. Es muĂ dann nur eine Schaltuhr fĂŒr den Rechnerstart sorgen.
Bild 5: Die Bandbreite der Kursbewegungen wird bei Höchst! Tiefst-Balken sehr deutlich sichtbar.
Im Ăberblick
Gemessen an den âEinstiegsbedingungenâ fĂŒr CW-CHART (Festplatte, mindestens 1 MByte RAM, kein Farbmonitor) wird deutlich, an wen sich das Programm wendet. Es sollen hier bewuĂt NĂ€gel mit Köpfen gemacht, also auf etwas angehobenem Niveau (auch preislich) gearbeitet werden. Das schlĂ€gt sich natĂŒrlich in einer Funktionsvielfalt nieder, die sicher unangefochten ihresgleichen sucht. So wie die reichhaltigen Ausstattungsmerkmale sehr erfreulich sind, drohen sie aber andererseits die Ăbersichtlichkeit zu erdrĂŒcken. besonders in den langen Pull-Down-MenĂŒs. Die Handhabung von CW-CHART ist rundum angenehm und zufriedenstellend. Es gibt kaum Punkte, die man hĂ€tte anders oder besser gestalten können. Der scheinbar hohe Preis mag zunĂ€chst abschrecken, aber es werden dem Benutzer fĂŒr 370 Papiere umgerechnet 100 000 historische Kursnotierungen mitgeliefert - und das tagesaktuell vom Versanddatum an rĂŒckwĂ€rts. Als hervorhebenswert gilt das Handbuch, welches auf 94 Seiten ausfĂŒhrlich und mit vielen Bildern in die Bedienung einfĂŒhrt. Speziell fĂŒr den SpekulationsanfĂ€nger oder Kleinanleger gibt es eine âJuniorâ-Reihe derselben CW-Programme, nur mit geringfĂŒgig reduziertem Funktionsumfang. Eine Demoversion des Hauptprogramms ist ebenfalls verfĂŒgbar.
DK
Preise:
CW-CHART incl CW-DEPOT DM 997.-
CW-CHART junior DM 399,-
CW-BTX DM 199.-
CW-TIMER DM 99,-
HBL-BTX DM 399,-
HBL-TER DM 399,-
Demoversion DM 20,-
Bezugsadresse: FOXWARE Buchsteinweg 1 8172 Lenggries