Wolf im Schafspelz - Spectrum Simulator für C64

Der Klassiker mit der Gummi-Tastatur infiziert den Commodore: Mit dem »Spectrum Simulator« wird aus dem C 64 ein ZX Spectrum. Das bemerkenswerte Utility lehrt ihn Basic und Tastenbelegung des Spectrum.

center Nicht zu Unrecht wird der Commodore 64 »Computer der unbegrenzten Möglichkeiten« genannt. Jetzt kann man das gute Stück sogar auf Spectrum-Niveau »hochpäppeln«. »Spectrum Simulator« lautet der Titel des Programms, das die wundersame Verwandlung bewirkt. Nach zirka 2 Minuten hat der C 64 den Simulator geladen. Ein völlig ungewohntes Bild erschreckt den Commodore-Fan: schwarze Schrift auf weißem Grund, nur noch 32 Zeichen pro Bildschirmzeile — der C 64 hat die Bildschirmdarstellung des Spectrum angenommen.

Drückt der arglose Commodore-Besitzer auf eine Taste seines verzauberten Computers, wird er sich wundern, daß gleich ein kompletter Basic-Befehl auf dem Bildschirm erscheint. Des Rätsels Lösung ist die spezifische Tastaturbelegung des Spectrum, die der Simulator dem C 64 beigebracht hat.

Beim Spectrum ist jede Taste bis zu sechsfach mit Basic-Kommandos und Anweisungen belegt. Man tippt also nicht Buchstabe für Buchstabe GOTO ein, sondern drückt nur noch auf die G-Taste, und schon wird der komplette Befehl ausgegeben. Die Taste »G« beispielsweise ist neben GOTO auch noch mit den Befehlen THEN und ABS belegt, die durch das Umschalten des Eingabe-Modus erreicht werden.

Das Umschalten zwischen den Modi ist beim C 64 relativ einfach, da er eine umfangreichere Tastatur hat als der »echte« Spectrum. Mit der SHIFT- und der Commodore-Taste wählt man sie an.

Wer überhaupt nicht mehr durchblickt, kann die F7-Taste drücken, woraufhin die Tastaturbelegung angezeigt wird. Durch erneuten Druck auf F7 kann man an der Stelle weiter programmieren, von der aus man in das Hilfsmenü umgeschaltet hat.

Mit den Spectrum-Befehlen wird das Programmieren auf dem Commodore 64 wesentlich einfacher. Er beherrscht nun Grafikbefehle wie CIRCLE, DRAW und PLOT. Der einzige Soundbefehl, BEEP wirkt angesichts der Fähigkeiten des SID-Chips zwar etwas ärmlich, doch muß man sich nun nicht mehr mit POKEs herumplagen, um dem Commodore Töne zu entlocken. Die Farbenpalette wurde konsequent von 16 auf die 8 Spectrum-Farben verringert.

Eine weitere Spectrum-Spezialität ist die Syntax-Überprüfung bei der Eingabe einer Programmzeile. Sobald die Eingabe der Zeile mit RETURN abgeschlossen ist, wird sie auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Steckt ein »Syntax Error« drin, schluckt der C 64-Spectrum sie erst gar nicht und zeigt durch ein blinkendes Fragezeichen an, wo genau der Fehler liegt.

Mit dem Spectrum-Simulator braucht man nicht auf Datasette oder Diskettenstation zu verzichten. Das Floppy-Laufwerk VC 1541 wird von den Kommandos her wie ein Microdrive angesprochen und arbeitet einwandfrei mit dem Simulator zusammen. Nach Laden des Spectrum-Simulators bleiben 30 KByte Arbeitsspeicher zur Basic-Programmierung übrig. Dafür kann mit dem Spectrum-Basic wesentlich effektiver und platzsparender programmiert werden. Als einzige Spectrum-Befehle sind BRIGHTNESS und CLOSE auf dem Commodore wirkungslos.

Einige Einschränkungen sind zu beachten. Der C 64 wird zwar Basickompatibel mit dem Spectrum, doch Maschinencode-Programme laufen wegen der unterschiedlichen Mikroprozessoren beider Computer nicht. Ebensowenig lassen sich Programme laden, die mit einem Spectrum gespeichert wurden, da die Kassetten-Aufzeichnungsformate nicht kompatibel sind.

Der Simulator ist nicht nur ein schöner Gag, der den C 64 zum Spectrum auf- (oder ab-)rüstet. Er ist vor allem für Umsteiger vom Spectrum auf den Commodore ein empfehlenswertes Programm, das für 49,50 Mark auf Kassette erhältlich ist.

Ein in Idee und Ausführung gut gelungenes Utility. Die englische Anleitung informiert auf 20 Seiten allerdings nur ansatzweise über die Basic-Befehle des Spectrum. Der Kauf eines Programmier-Handbuchs ist zu empfehlen.

Um dieses trojanische Pferd auch vom- Design und Tippgefühl her überzeugend zu präsentieren, wäre eine Gummimaske als Tastaturabdeckung wünschenswert. Vielleicht läßt sich der eine oder andere Hardware-Bastler inspirieren.



Aus: Happy Computer 06 / 1985, Seite

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