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Editorial - Verdummen Computer?

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Diese provokative Frage haben wir Prominenten aus Sport, Fernsehen und Politik gestellt. Ihre Antworten — Sie finden sie auf den Seiten 20/21 — fielen sehr unterschiedlich aus, vom engagierten Nein bis zum entschiedenen Ja. Die gleiche Frage wird jetzt in der Vorweihnachtszeit vielen Eltern Kopfzerbrechen bereiten. Sollen Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter den Wunsch nach einem Computer erfĂŒllen? An Warnungen vor einer einseitigen Entwicklung durch den Computer mangelt es nicht. Und wie wird sich der Computer auf die FĂ€higkeit auswirken, menschliche Beziehungen aufzubauen, Freundschaften zu schließen? Wird die BeschĂ€ftigung mit ihm zur Sucht ausarten? Oder fördert der Computer das logische Denken und das friedliche Miteinander der computerbegeisterten Jugendlichen?

Vielleicht ist die frĂŒhzeitige BeschĂ€ftigung mit dem Computer sogar ein absolutes Muß fĂŒr eine berufliche Zukunft — völlig unabhĂ€ngig von guten oder schlechten EinflĂŒssen auf die Entwicklung der Persönlichkeit?

Zweifellos steigern Computerkenntnisse die Berufschancen. Aber realistisch betrachtet ist sicher, daß es in den nĂ€chsten Jahrzehnten noch genĂŒgend Berufe geben wird, zu deren erfolgreicher AusĂŒbung keine Computerkenntnisse nötig sein werden.

WidersprĂŒchlich ist die Haltung vieler Verfechter klassisch humanistischer Bildung. Einerseits ist ihnen die Erziehung zu logischem Denken so wichtig, daß sie damit die Unterrichtung in einer toten Sprache ohne praktischen Nutzen, nĂ€mlich in Latein, rechtfertigen. Andererseits lehnen sie den Computer ab, obwohl er weitaus besser und reiner die Gesetze der Logik vermitteln kann als irgendeine Sprache. Oder ist er den Latein-Verfechtern zu profan, weil er zugleich höchst nĂŒtzlich ist?

Und von einer VerkĂŒmmerung der KommunikationsfĂ€higkeit bei Computerkids kann nicht die Rede sein. Der verklemmte computernde Stubenhocker existiert nur noch in Paukerfilmen fĂŒr Erwachsene. Wer in Schulhöfen oder Computershops den GesprĂ€chen jugendlicher Computerfreaks zuhört, wird feststellen, daß der Computer vieles macht — aber nicht einsam. Er fasziniert junge Menschen quer durch alle Schichten unserer Gesellschaft und eignet sich als GesprĂ€chsthema ausgezeichnet dazu, soziale und persönliche Schranken zu ĂŒberbrĂŒcken.

Zur Sucht kann das Computern allerdings tatsÀchlich werden.

Aber Hand aufs Herz, liebe Eltern: Unter allen Suchtarten, denen Ihr Sohn oder Ihre Tbchter verfallen kann, ist diese wohl die harmloseste und einzig nĂŒtzliche. Oder wĂ€ren Ihnen Zigaretten, Alkohol oder Rauschgift lieber?

Ihr Michael Lang, Chefredakteur